Architekt Emil Lehner schmeichelte den Grafenwöhrern. „Die Altstadt ist ein Juwel“, stellte der Städteplaner vor dem Bauausschuss des Stadtrates fest, um dann dem Gremium seine Ideen einer städtebaulichen Sanierung und eines damit verbundenen Verkehrskonzeptes für die Obere und Untere Torstraße vorzustellen. Dabei verkündete Lehner als wichtigste Botschaft: Eine Einbahnstraßenregelung ergebe keinen Sinn. Der Einbahnverkehr bringe den Verkehrsteilnehmern durch Umwege nur Nachteile und reize zudem zum Schnellerfahren.
Seine Vorschläge, die Menschen, ob Kraftfahrer, Radfahrer oder Fußgänger „mitzunehmen“, stießen im Gremium auf breite Zustimmung. Zu den Anforderungen einer altstadtgerechten Sanierung beider Torstraßen gehörten Barrierefreiheit, Quell- und Anliegerverkehr mit Aufenthaltsqualität und eine fußgängergerechte Oberflächengestaltung. Das Credo des Architekten lautete „weiche Separations-Trennung“. Dabei handelt es sich um eine neue Planungsphilosophie, die die Straßen- und Verkehrsausgestaltung mit dem Ziel propagiert, eine gleichberechtigte Nutzung des Straßenraumes durch alle Nutzer zu fördern, um so den Konflikt zwischen den Ansprüchen des Autoverkehrs und des Fußgängerverkehrs zu entschärfen. Emil Lehner sah in den beiden zwischen 6 und 7 Meter breiten Altstadtstraßen für dieses Prinzip Potenzial.
Das „Modell Lehner“ versucht, einen höhengleichen Straßenraum zu schaffen und mit geschwindigkeitsdämpfenden Entwurfselementen Rücksichtnahme zu erzwingen. „Den Raum flexibel gestalten“, lautete die Kernaussage des Architekten. Darunter verstand Lehner eine Begegnungszone mit unterschiedlichen Pflasterungen und großformatigen Platten. Dieses Rezept führe auch zu Geschwindigkeits-Reduzierungen. Noch seien diese Vorschläge in der Diskussionsphase, betonte Lehner und notierte sich die Meinungen der Stadträte, die übereinstimmend wenig von einer Einbahnstraßen-Regelung hielten.
Gerald Morgenstern empfahl, auch die Möglichkeiten einer teilweisen Asphaltierung zu prüfen. Davor warnte wiederum der Architekt wegen möglicher Probleme mit dem Zuschussgeber. Thomas Schopf plädierte wegen der beengten Verhältnisse für einen Gehweg. Thomas Weiß fand die Vorschläge optisch gut. Klaus Schmitsdorf warnte vor neuen Asphaltflächen. Auch Helmuth Wächter fand die Überlegungen des Planers bemerkenswert und stellte fest: „Die Verkehrsteilnehmer werden sich schnell an die neuen Gegebenheiten gewöhnen.“ Wächter schlug vor, bei den weiteren Planungen auch die Pflegamtsgasse zu berücksichtigen. Im Gremium herrschte schließlich Einstimmigkeit, dem Städteplaner auf der Grundlage seiner barrierefreien Vorschläge grünes Licht für die weitere technische Planung zu geben.
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