Grötschenreuth bei Erbendorf
04.10.2023 - 16:19 Uhr

Erika Fenzl trotzt für Zeitungsleser Wind und Wetter

Von Montag bis Samstag kümmern sich rund 800 Zusteller um die Verteilung der Zeitung "Der neue Tag". Erika Fenzl aus Grötschenreuth ist eine davon – seit über 30 Jahren. Ohne das Zustellen der Zeitung würde ihr etwas fehlen, sagt sie.

Erika Fenzl sitzt an ihrem Küchentisch und streicht mit ihrer freien Hand über die Zeitungen, die dort liegen. "Wenn ich nicht mehr Zeitungen austragen kann, würde mir wirklich etwas sehr Wichtiges fehlen." Bild: cvl
Erika Fenzl sitzt an ihrem Küchentisch und streicht mit ihrer freien Hand über die Zeitungen, die dort liegen. "Wenn ich nicht mehr Zeitungen austragen kann, würde mir wirklich etwas sehr Wichtiges fehlen."

Für viele Menschen beginnt der ideale Tag mit einem Frühstück und dem Lesen der frisch gedruckten Tageszeitung. Bei Erika Fenzl, 73, aus Grötschenreuth ist das anders. Bei ihr beginnt der Tag nicht mit dem Lesen, sondern mit dem Austragen der Zeitung. Und das bereits seit 31 Jahren: winters wie sommers, bei prasselndem Regen und blauem Himmel.

Sie ist eine von rund 800 Zeitungszustellern bei Oberpfalz-Medien. Gegen 1 Uhr nachts kommt ein Fahrer und deponiert den "Neuen Tag" in einem Kasten in der Nähe des Hauses. Um 5.30 Uhr bricht die Zustellerin auf. Ihr Bezirk umfasst Grötschenreuth und die Feriensiedlung Hopfau. 27 Zeitungen stellt sie zu. Dafür braucht sie rund eine Stunde. Der letzte Abonnent hat damit gegen 6.30 Uhr die neuesten Nachrichten im Briefkasten.

Erika Fenzl ist eine der dienstältesten Zustellerinnen im Verbreitungsgebiet von Oberpfalz-Medien. "Angefangen hat alles mit meiner Tochter, die sich damals ein Taschengeld dazuverdienen wollte", erzählt Fenzl rückblickend auf das Jahr 1987. Nachdem die Tochter die Schule abgeschlossen hatte und eine Lehre begann, übernahm ihr jüngerer Bruder das Austragen. Und als sich auch er für eine Ausbildung entschied, fiel der Job an den Jüngsten. "Die Kinder machten das vier Jahre lang. Als dann mein jüngster Sohn aus der Schule kam, überlegte ich ein bisschen und beschloss, die Zeitungen von nun an selbst auszutragen." Also eine Art Staffellauf, der jetzt bereits 35 Jahre andauert.

Viel an der frischen Luft

Jetzt scheint der Staffellauf bald ein Ende zu finden. Die Gründe dafür sind vielfältig: "der Rücken, die Hüfte, die Beweglichkeit, die Schmerzen", zählt Erika Fenzl auf. "Bis Dezember möchte ich es auf jeden Fall noch machen", sagt sie und seufzt dabei ein bisschen. "Zurzeit hilft mir mein Sohn beim Austragen, ich soll ja wegen dem Rücken nichts arbeiten, aber auf Dauer ist das auch nichts. Und wenn es mir gesundheitlich nicht besser geht, muss ich leider aufhören."

Beim Wort "aufhören" drängt sich ein Stück Traurigkeit in ihre Stimme. "Ich hänge dran", sagt sie und beginnt, ein bisschen von früher zu erzählen. Von ihrem Mann, der ihr in den Ohren gelegen habe, doch mit dem Austragen aufzuhören, dessen Drängen sie aber nicht nachgegeben habe. Von Füchsen, die zu nachtschlafender Zeit unterwegs sind. Von der wunderbaren Luft und der schönen Natur frühmorgens. Von der Bewegung, die im Freien so gut tut. Von der Freude an den Leuten, die bei der Anlieferung der Zeitung meist noch im Bett liegen, die sie aber oft ansprechen, wenn sie einkaufen ist oder andere Besorgungen macht. Und plötzlich ist die Traurigkeit aus Erika Fenzls Gesicht verschwunden und hat einem Ausdruck von Zufriedenheit und Freude Platz gemacht.

Aber ganz bestimmt gibt es doch auch etwas, das "nicht schön" ist an der Arbeit als Zusteller, vielleicht das frühe Aufstehen? "Das hat mir wirklich nie Probleme bereitet, früher habe ich das noch vor der Stallarbeit gemacht", sagt Fenzl. "Man muss halt bei jedem Wetter raus. Auch wenn der Regen runterprasselt. Man muss raus, ohne Wenn und Aber." Manchmal, so fügt sie hinzu, wenn es im Winter sehr glatt gewesen sei, habe sie schon einige Male das Gleichgewicht verloren und dann sei die eine oder andere Zeitung im Matsch gelandet und musste "pitschpatschnass" in den Briefkasten gesteckt werden. "Aber da hab ich dann am nächsten Tag einen Zettel geschrieben, das Ganze erklärt und mich entschuldigt."

Krankheiten waren kein Problem

Gibt es Schwierigkeiten, eine Urlaubsvertretung zu finden?, wollen wir wissen. An dieser Stelle muss Erika Fenzl lachen: "Ich fahre doch nicht in Urlaub", sagt sie. Und auch die eine oder andere Krankheit sei kein Problem gewesen: "Das hat immer mein Mann oder mein Sohn aufgefangen." Aber ist es denn nicht gruselig, bei Dunkelheit im verschlafenen Dorf von Haus zu Haus zu laufen? Erika Fenzl schüttelt entschieden den Kopf: "Eigentlich nicht. Manchmal bewegt sich was, und man erschrickt ein bisschen. Aber meistens ist es eine Katze oder ein Fuchs, der auf Nahrungssuche ist. Aber der hat halt auch Hunger."

Erika Fenzl sitzt an ihrem Küchentisch und streicht mit einer Hand über die Zeitungen, die dort liegen. Ihr Mann sei vor einigen Wochen verstorben und könne sie im Notfall nicht mehr unterstützen, erzählt sie. Sie denkt an die kommenden Monate und hofft, dass das mit dem Rücken wieder besser wird. Denn sie möchte gerne weiterhin "Den neuen Tag" ins Haus bringen. "Freilich, wenn ich das Austragen aufgeben würde, hätte ich dann meine Ruhe, ich bräuchte in der Früh nicht mehr aufstehen. Aber ich kann mir das gar nicht vorstellen, mir würde wirklich was sehr Wichtiges fehlen."

"Ich brauche meine Zeitung"

Auch die Grötschenreuther haben Probleme, sich die Zeitung ohne Zustellerin Erika Fenzl vorzustellen. Zumindest hat sie schon einige Male hören müssen: "Wenn du es nicht mehr machst, wird wahrscheinlich keiner mehr umeinanderlaufen und die Zeitungen verteilen!" Und eine betagte Nachbarin sagt immer wieder fast beschwörend zu ihr: "Erika, du musst unbedingt weiter austragen. Ich brauche doch jeden Tag meine Zeitung!"

Hintergrund:

Zeitungszusteller

  • Erika Fenzl ist aktuell eine von rund 800 Zeitungszustellern bei Oberpfalz-Medien.
  • Im Verteilgebiet des Verlags werden rund 45.000 Zeitungen täglich zugestellt.
  • Die Zustellbezirke erstrecken sich von 30 Zeitungen bis hin zu 130 Zeitungen
  • Die Zeitungsausträger" sind bei jedem Wetter sechs Tage, von Montag bis Samstag, unterwegs.
  • Die Strecken reichen von zwei bis zu sechs Kilometern und werden zu Fuß mit einem Zeitungswagen, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zurückgelegt.
  • Die Beschäftigungsmodelle reichen vom Minijob bis hin zur Vollzeitbeschäftigung. Quelle: Oberpfalz-Medien
 
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