Hohenburg
30.05.2022 - 17:37 Uhr

Fußspuren gegen das Vergessen erinnern an Todesmärsche der KZ-Häftlinge

In Hohenburg, aber auch in Schmidmühlen und Kastl erinnern Stationen an die Todesmärsche von KZ-Häftlingen in den letzten Kriegstagen 1945. Jetzt wurde das Hohenburger Mahnmal fertig gestellt.

In Hohenburg wurden die "Fußspuren gegen das Vergessen" ihrer Bestimmung übergeben (von links): Schmidmühlens Heimatpfleger Josef Popp Schmidmühlen, stellvertretender Bürgermeister Martin Bauer, die Bürgermeister Peter Braun, Stefan Braun und Florian Junkes, Landrat Richard Reisinger, Kreisrätin Susanne Braun, Marktrat Bastian Wittl und 3. Bürgermeister Johann Seitz. Bild: bö
In Hohenburg wurden die "Fußspuren gegen das Vergessen" ihrer Bestimmung übergeben (von links): Schmidmühlens Heimatpfleger Josef Popp Schmidmühlen, stellvertretender Bürgermeister Martin Bauer, die Bürgermeister Peter Braun, Stefan Braun und Florian Junkes, Landrat Richard Reisinger, Kreisrätin Susanne Braun, Marktrat Bastian Wittl und 3. Bürgermeister Johann Seitz.

Die Fußspuren gegen das Vergessen sind in Beton gegossen. Sie sollen an den Todesmarsch tausender KZ-Häftlinge durch das Lauterachtal in den letzten Kriegstagen im April 1945 erinnern. Gedenkstationen zum Innehalten gibt es in Hohenburg, Kastl und Schmidmühlen. Im Beisein von Landrat Richard Reisinger, der Bürgermeister Florian Junkes (Hohenburg), Stefan Braun (Kastl) und Peter Braun (Schmidmühlen) sowie des Schmidmühlener Ortheimatpflegers Josef Popp, der diese Aktion angeregt hatte, wurden die Fußspuren gegen das Vergessen offiziell vorgestellt.

Diese Fußspuren im Lauterachtal sollen an die dunkelsten Tage der deutschen Geschichte erinnern und zum Nachdenken anregen, sagte Landrat Reisinger. für Bürgermeister Florian Junkes sind diese Fußspuren tagesaktueller denn je – wenn man sich die Ereignisse in der Ukraine vor Augen halte. Josef Popp verwies darauf, dass man den Todesmärschen eine würdige Erinnerung verliehen habe: mit der Dokumentierung, den Stationen in Hohenburg, Schmidmühlen und Kastl sowie im letzten Jahresband „Eisengau“.

3500 Häftlinge auf den Todesmärschen

Am 8. April 1945 war mit der Evakuierung von Häftlingen des Flossenbürger Außenlagers Hersbruck nach Dachau begonnen worden. Etwa 3500 Häftlinge sollten den etwa 150 Kilometer langen Weg zu Fuß zurücklegen. Zwei Gruppen mit je 1000 sowie eine mit 1500 Häftlingen verließen am Morgen des 8. April 1945 Hersbruck und gelangten auf unterschiedlichen Wegen nach Alfeld. Am 11. April 1945 wurden alle 3500 Häftlinge nach Lauterhofen getrieben, wo sie am 13. April eintrafen.

Aufgeteilt auf mehrere Gruppen marschierten etwa 2000 Häftlinge über Kastl, Hohenburg nach Schmidmühlen nach Kallmünz. Nach offiziellen Angaben kamen insgesamt 102 Häftlinge zu Tode. Rund 1100 Häftlinge „fehlten“, heißt es im Eisengau. Sie konnten entweder fliehen oder wurden als Tote nicht registriert. Anderweitig heißt es, dass bei den Todesmärschen etwa 500 Häftlingen die Flucht geglückt sei, etwa 350 Häftlinge seien – zum größten Teil wegen Erschöpfung – unterwegs erschossen“ worden. Von den etwa 2000 in Schmidmühlen ankommenden Häftlingen verblieben 227 dort.

Die Geschehnisse in Hohenburg beschrieb Heimatpfleger Helmut Spörer später. „Das Furchtbarste aber waren die Tausenden von Konzentrationslagerhäftlingen, die aus der Hölle der unterirdischen Waffenfabrik von Happurg kamen. Ausgemergelte, bleiche Gestalten, alle Nationen und Berufe, all in die gleich blau-grau-gestreifte Kleidung gestreckt, einzelne mit Mänteln, andere nur mit einem Sack behangen. Ihr Gang ist unsagbar matt und schleppend, es sind ja mehr wandernde Gerippe als Menschen." Spörer schildert, wie am Koppelbergweg eine Frau einem der Häftlinge Wasser geben will. "Der SS-Mann haut ihm mit dem Stock auf die Hand, dass die Blechschal in den Sand kullert." Schäferhunde mit einer schwarzen Decke mit aufgenähten SS-Zeichen hätten dafür gesorgt, "dass keiner aus der Reihe wankt".

Häftling einfach erschossen

Spörer beschreibt auch, dass einer der Transporte nur noch bis Schmidmühlen gekommen sei, wo der Zug von nachrückenden Amerikanern eingeholt worden sei. Bei Hausen sei einer der Häftlinge, der vor Übermüdung zusammengebrochen worden war, einfach erschossen und in den Straßengraben geworfen worden, "an anderen Orten waren dies Dutzende gewesen". Spörer spricht von "einem der traurigsten und beschämendsten Kapitel der deutschen Geschichte“.

Der vorerst letzte aufgelegte Jahresband des Eisengaus erinnert auf 230 Seiten an das Kriegsende im Amberg-Sulzbacher Land und die Todesmärsche durch das Lauterachtal in eindrucksvollen Darstellungen von Zeitzeugen und anderen Dokumenten. Der letzte Zug mit etwa 230 abgemagerten und ausgemergelten Menschen war in Schmidmühlen zurückgeblieben. Auf einer Wiese, unweit des Friedhofs wurde ein Übernachtungslager eingerichtet. Als in der Nacht starker Regen einsetzte, drängte sich ein großer Teil der Häftlinge in einen Stadel . Durch Überbelastung des Gebälks brach der Stadel zusammen, viele der am Boden liegenden Häftlinge kamen durch das herabstürzende Gebälk zu Tode.

Ein Teil der ums Leben gekommenen Häftlinge wurde auf dem Friedhof beigesetzt. Andere wurden auf der Wiese in der Nähe der Feldscheune an der Lauterach durch ihre Kameraden unter absoluter Fernhaltung der Bevölkerung beerdigt. Dies passierte alles drei Tage, bevor US-Soldaten Schmidmühlen erreichten.

 
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