25.02.2022 - 18:00 Uhr

"Identitäre Bewegung" kapert Corona-Demo in Amberg

Ohne dass sich ein Teilnehmer daran gestört hätte, führten Mitglieder der "Identitären Bewegung" eine Demo gegen die Coronapolitik in Amberg an. Das war nicht das erste Mal, dass Rechtsextreme eine solche Demo für sich vereinnahmten.

Ein Handy liegt auf der Straße. Der Bildschirm zeigt den Instagram-Auftritt der "Identitären Bewegung" und ein Foto, das während des Coronaprotestes am 13. Februar in Amberg gemacht wurde. Dort hatten sich die Rechtsextremen mit ihrem Banner zeitweise an der Spitze des Zuges positioniert. Bild: roa
Ein Handy liegt auf der Straße. Der Bildschirm zeigt den Instagram-Auftritt der "Identitären Bewegung" und ein Foto, das während des Coronaprotestes am 13. Februar in Amberg gemacht wurde. Dort hatten sich die Rechtsextremen mit ihrem Banner zeitweise an der Spitze des Zuges positioniert.

Von Andrea Mußemann und Wolfgang Ruppert

Als sich am Sonntag, 13. Februar, wieder etliche Menschen in Amberg zusammengefunden hatten, um mit einem Demonstrationszug gegen die Coronapolitik Stimmung zu machen, lief zeitweise eine Gruppe junger Männer an der Spitze der Demo. Vor sich her trugen sie ein Banner mit der Aufschrift "Wir sind immun gegen eure Lügen" in den Farben Rot, Weiß und Schwarz. Die Männer trugen dabei Masken, was in einer einschlägigen Telegram-Gruppe für geteilte Reaktionen sorgte. So schrieb eine Nutzerin "Ich lache mich schlapp. Die sind immun gegen Lügen und tragen Masken. Sorry Leute, aber ich bin gerade vor Lachen vom Stuhl gekippt." Daraufhin bekam sie den Konter einer anderen Nutzerin, die ihr entgegnete: "Hauptsache, man protestiert und geht auf die Straße. Wie, ist doch egal. Ich fand die jungen Leute super mit dem riesen Banner."

Rechtsextremisten an Demo-Spitze

Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass es den jungen Männern mit der Maske wohl kaum darum ging, ihre Mitdemonstranten vor einer möglichen Coronainfektion zu schützen. Eine Recherche, deren Aufwand nur wenige Clicks umfasst, zeigt nämlich, welche Akteure hinter der Banner-Aktion stecken und somit an diesem Sonntag zum "Gesicht" der gesamten Demonstration wurden.

Die Instagram-Seite und die dazugehörige Telegram-Gruppe "Oberpfalz Revolte" prahlt mit der Aktion und teilt mit, dass es ihre Aktivisten waren, die das Banner trugen. "Wir, die Jugend der Oberpfalz, gehen auf die Straße und fordern ein Ende der verlogenen Coronapolitik", heißt es weiter in dem Post, den eines der Mitglieder von "Oberpfalz Revolte" auch in die öffentlich zugängliche Telegram-Gruppe der Amberger Gegner der Coronapolitik gestellt hat. Mit einer angefügten Mail-Adresse werben die Aktivisten für neue Mitglieder ihrer Bewegung.

"Oberpfalz Revolte" ist der Social-Media-Auftritt der Mitglieder der regionalen "Identitären Bewegung". Dabei handelt es sich um eine vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Gruppierung, die den liberal-demokratischen Pluralismus wie Parlamentarismus ablehnt. Sie berufen sich dabei auf die "Konservative Revolution" innerhalb der Weimarer Republik, zu deren Kreis Denker wie Carl Schmitt, Ernst Jünger und Oswald Spengler gehörten.

Rechte Aktivisten in Amberg bekannt

Die Amberger Aktivisten hatten in der Stadt bereits 2019 für Schlagzeilen gesorgt. Damals wurden sie mit einer großangelegten Plakat- und Graffitiaktion in der Innenstadt sowie einem Angriff auf den alternativen Kultur- und Skateclub "Alte Hutfabrik" in Amberg in Verbindung gebracht, bei dem die Tür des Clubs mit Pflastersteinen eingeworfen wurde. Dabei war der Vorfall am Sonntag, 13. Februar, nicht das erste Mal, dass eine Veranstaltung der Gegner der Coronapolitik in Amberg eine Beteiligung rechtsextremer Akteure zugelassen hat. Ende Januar hatte der in Ostbayern bekannte Neonazi Patrick Schröder rund sieben Minuten lang eine Rede auf einer Demo gehalten. Die Organisatoren waren am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte meldet sich zu Wort

Fest steht: Die Veranstalter der Demonstration am 13. Februar haben einer anti-demokratischen, rechtsextremen Organisation eine große Bühne für ihre "Sache" gegeben. Davon ist das Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte überzeugt, das sich nun mit einer längeren Pressemitteilung an Oberpfalz-Medien gewandt hat. Darin wird der Bündnissprecher Hans Lauterbach bezüglich der Organisatoren der Demos mit folgenden Worten zitiert: "Dazugelernt haben sie nichts." Dass die Organisatoren immer wieder betont hätten, sie wollten unpolitisch handeln, wirke in den Augen der Bündnismitglieder "vor dem Hintergrund der rechtsextremen Ausrichtung der Redner und Helfer" nicht glaubwürdig. "Was muss denn noch passieren, damit die sicher oft blauäugigen Besucher dieser Veranstaltung merken, wem sie da hinterherlaufen? Soll vielleicht noch der bayerische NPD-Chef kommen?", wird Lauterbach zitiert.

Das Bündnis betont, wie wichtig das Demonstrationsrecht sei. Allerdings gelte es ebenso zu prüfen, mit wem man auf die Straße gehe. "Wer es Neonazis und Rechtsextremen möglich macht, zu hunderten von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft zu sprechen, unterstützt und befeuert diese Szene - das ist schlicht unverantwortlich", so Lauterbach.

Hinter Vorgehen steckt Strategie

Das Auftauchen der Rechtsextremen bei Coronaprotesten passiert nicht zufällig. Vor einer Woche hielt Jan Nowak von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern an der VHS Weiden-Neustadt einen Online-Vortrag zum Thema „‚Freiheit statt Corona-Diktatur!‘ Verschwörungsideologische Proteste in Zeiten der Pandemie“. Auch Amberg wurde darin zum Thema. Es ist neben Schwandorf der Ort, wo sich extreme Rechte erfolgreich in die Coronaproteste eingemischt haben. "Ende Dezember in Schwandorf und im Januar in Amberg waren bisher die zwei erfolgreichsten Interventionsversuche rund um Neonazi Patrick Schröder", sagte Nowak. Er berichtete von Schröders Interventionserklärungen auf Telegram, "dass es darauf ankommen würde, als nationale Bewegung da reinzukommen", junge Leute "vor Ort zu treffen und einzusammeln" sowie "inhaltliche Positionen als Alternative zu präsentieren". In Schwandorf hätten Ende Dezember neben der von der AfD veranstalteten Kundgebung "junge erlebnisorientierte Rechtsextreme" eine eigene Veranstaltung angemeldet. Die Hälfte der rund 1500 Teilnehmer an der Kundgebung sei schließlich dem Transparent der Neonazis mit der Aufschrift "Nur Widerstand ist Pflicht" hinterhergelaufen, so Nowak. Auch in Amberg sahen sie Potenzial. Dass Patrick Schröder dort sogar auf der Bühne sprechen konnte, sei im Milieu als Erfolg verbucht worden. Es sei geguckt worden, wie weit man gehen könne, es sei bewusst gegen Politiker Stimmung gemacht worden, die wiederum vom Publikum aufgegriffen worden sei. Jan Nowak: "Neonazis überlegen sich immer genau, wie weit sie an einem Ort gehen können."

Info:

Darum handelt es sich bei der "Identitären Bewegung"

  • Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung (BpP) handelt es sich bei der "Identitären Bewegung" um eine Ende 2012 auch in Deutschland entstandene **Gruppierung neu-rechter und rechtsextremer Aktivisten**.
  • Die Aktivisten hängen der Ideologie des sogenannten **Ethnopluralismus** an. Diesem zufolge unterscheiden sich Ethnien nicht nach biologischen Kriterien, sondern nach Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis. Die BpB schreibt über die "Identitären": "Mit provokanten Aktionen versuchen sie, **rassistische Vorurteile** zu verbreiten."
  • Das Logo der Identitären ist das Lambda-Symbol , das als **gelber Winkel auf schwarzem Grund** dargestellt wird.
  • Laut BpB Vertreten die Mitglieder der Identitären Bewegung **"klassische islamfeindliche, rassistische und demokratiefeindliche Positionen"**, die **"popkulturell aufbereitet und aktionistisch verpackt"** werden.
 
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