Irchenrieth
05.02.2024 - 15:25 Uhr

Volles Rohr Inklusion: Warum eine Firma im Landkreis Neustadt auf Menschen mit Handicap setzt

Außenarbeitsplätze des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) Irchenrieth eröffnen Menschen mit Handicap neue Perspektiven. Ein Unternehmen aus Schwarzenbach beschäftigt jetzt gleich zwei solche Mitarbeiter.

Vorsichtig drückt Franz Kohlenberger den Hebel nach unten. Die Metallsäge senkt sich langsam und schneidet das Rohr punktgenau ab. Nur zwei Tische weiter überprüft Roland Hartwig die entgrateten und gebogenen Eisenstifte nach dem Abschleifen auf Rückstände. Beide sind konzentriert bei der Arbeit.

Kohlenberger und Hartwig sind bei der Schwarzenbacher Firma Senger GmbH beschäftigt, einer Rohrbiegerei. Nach Andreas Rentsch vor zwei Jahren sind sie die nächsten beiden Mitarbeiter der Integra Weiden, der Werkstätten GmbH des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) Irchenrieth, die einen Außenarbeitsplatz erhalten haben. Darüber informiert das HPZ in einer Pressemitteilung. Rentsch heuerte Anfang 2022 bei der Firma Multi-Metall in Weiden an, der jüngste Vermittlungserfolg ist eine Premiere im Landkreis Neustadt.

"Perfekte Inklusion"

Es sei "die perfekte Inklusion", die hier seit März 2023 vorgelebt werde, heißt es in der Mitteilung. „Wir sind unglaublich stolz und glücklich, dass auch Franz und Roland den Sprung in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt geschafft haben“, wird Integra-Standortleiter Stefan Böhm zitiert. Die Rohrbiegerei Senger GmbH zählt 95 Angestellte. Es sei keine Selbstverständlichkeit, so Böhm, dass ein mittelständisches Unternehmen Menschen mit Beeinträchtigung anstellt.

Dabei seien ausgelagerte Arbeitsplätze außerhalb des HPZ ein wichtiger Beitrag zur Inklusion im Arbeitsleben. Sie vereinen die Sicherheit, die Unterstützung und den Rückhalt der Werkstätte für gehandicapte Menschen mit einem Arbeitsplatz in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. „Dazu braucht es verlässliche und interessierte Partner, nur mit ihnen gemeinsam kann Inklusion gelingen“, sagt Böhm.

Drei weitere Aspiranten

Auch wenn für den größten Teil der im HPZ und seinen Betriebsstellen und beschäftigten Betreuten die besonderen Rahmenbedingungen der Werkstätte auf Dauer erforderlich sind, um eine Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen, verliere man den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aus dem Auge. „Wir unterstützen und fördern geeignete und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg.“ Aktuell bereitet die Integra drei weitere Mitarbeiter für Außenarbeitsplätze im sogenannten "ersten Arbeitsmarkt" vor.

Markus Amann, Technischer Leiter bei der Senger GmbH, und Bereichsleiterin Elisabeth Amann haben für die Verstärkungen von Integra nur Lob übrig. „Roland und Franz, die bei uns flexen und schleifen sowie entgraten, Rohre umformen und zuschneiden, gehören inzwischen zu unserem Team fest dazu", erklärt Markus Amann. "Sie sind zuverlässig, arbeiten sehr selbstständig und genau. Sie haben den Quantensprung von der HPZ-Werkstatt zu uns geschafft.“ Beide Mitarbeiter seien eineinhalb Jahre lang auf ihren neuen Job gezielt vorbereitet und geschult worden. Sie fühlten sich im Kreis ihrer Kollegen bestens aufgehoben und akzeptiert, seien "vollwertige Arbeitskräfte, die in unseren Betriebsablauf voll integriert sind".

Wöchentliche Gespräche

Die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Handicap erweitere das "Blickfeld", meint Elisabeth Amann. „Nicht zu vergessen ist der Umstand, dass das Selbstwertgefühl, die Präsenz in der Gesellschaft und ein veränderter Blick auf die Arbeit den Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem täglichen sowie für ihr künftiges Leben ungemein weiterhelfen und förderlich sind.“ Dennoch betreut das HPZ Kohlenberger und Hartwig auch weiterhin. Wöchentlich gibt es Gespräche mit ihnen zu aktuellen Themen. Regelmäßig zieht die Integra Zwischenbilanzen.

Nach der positiven Erfahrung sind sich Senger-Chefin Jenny Senger, Elisabeth und Markus Amann sowie Böhm einig: „Wir hoffen, dass das der nächste Baustein zur Steigerung der Bereitschaft vieler Unternehmen in unserer Region ist, gehandicapte Menschen anzustellen.“

Hintergrund:

Das ist die Rohrbiegerei Senger GmbH

  • Sitz: Schwarzenbach bei Pressath
  • 95 Mitarbeiter
  • Gegründet vor rund 30 Jahren
  • Tätigkeitsfeld: Umformung und Bearbeitung von Rohren und Profilen, Spezialist für kleinere Stückzahlen (1 bis 10.000)
  • Geschäftsführerin: Jenny Senger
 
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