Fehlende Kinderbetreuung, Homeschooling, gering bezahlte Arbeit in systemrelevanten Berufen, Home-Office und Haushalt: Gerade in der Zeit des ersten Lockdowns waren Frauen in der Coronakrise stark gefordert. Zwar werden im derzeitigen Teil-Lockdown Schulen und Kindergärten nicht geschlossen, aber steigende Infektionszahlen sorgen für Schulklassen und Kindergartengruppen in Quarantäne. Vier Frauen sprechen mit Oberpfalz-Medien im Familienzentrum "Mittendrin" in Kemnath über ihre jeweilige Situation in der Krise. Sie sehen die aktuelle Lage nicht nur negativ, sondern identifizieren auch Chancen und Lösungsansätze.
Systemrelevanter Beruf
Gesundheits- und Krankenschwester Martina Dötsch (46) lebt mit ihrer Familie in Göppmannsbühl. Sie arbeitet zu 40 Prozent in der Klinik "Hohe Warte" in Bayreuth. "Anfang des Jahres wollte ich nach 25 Jahren aufhören", sagt sie. Gerne hätte sie sich mehr auf ihre Tätigkeiten als Wanderführerin und Entspannungspädagogin konzentriert. "Ich wollte Kurse geben, das fiel im Lockdown aber weg." Gleichzeitig galt sie in ihrem Beruf als systemrelevant. Sie hatte keine Angst, sich mit dem Virus zu infizieren. Aber sie fürchtete, Patienten mit schweren Verläufen nicht helfen zu können. "Bei uns waren die Intensivstationen voll, aber wir hatten damals viele Verdachtsfälle", erinnert sie sich. Das Klatschen im Frühjahr reicht für die 46-Jährige nicht aus. "Wir sind unterbesetzt und es fehlt die Wertschätzung für die Arbeit."
Im Lockdown war Martinas Mann im Home-Office, ihr Sohn (12) im Homeschooling. Zuhause wuchs die Familie stärker zusammen, Aufgaben teilte man sich auf. Als Mutter sorgte sie sich, dass ihr Kind durch die Umstellung auf digitalen Unterricht nicht mehr mitkommt. "Am Schluss hatte er aber ein gutes Zeugnis."
Scheune als Zufluchtsort
Carolin Skarupa (36) aus Kemnath ist verheiratet und hat einen vierjährigen Sohn. Für die Grafikdesignerin bei Cube war das größte Problem, als im Lockdown kurzfristig der Kindergarten geschlossen hatte. "Ich musste Home-Office machen", sagt sie. Das gleiche galt für ihren Mann. Von Kurzarbeit war sie nicht betroffen, da sie nur 15 Stunden pro Woche arbeitet. Dafür kümmerte sich Carolin neben der Arbeit um den Haushalt, kochte und betreute den Sohn. "Es war anstrengend", sagt sie. Der Tag begann oft deutlich früher. "Wenn es nicht anders ging, habe ich abends gearbeitet." Sie ist froh, dass ihr Arbeitgeber ihr die Flexibilität zustand. Bei ihrem Mann wäre das nicht möglich gewesen: "Er ist in einer Führungsposition. Konferenzen mit dem Ausland konnte er nicht einfach unterbrechen."
Ihr Zufluchtsort im Lockdown war eine Sandsteinscheune, die sie mit ihrem Mann saniert. "Die Arbeit dort war ein Ausgleich für uns." Für ihr Kind war es eine positive Abwechslung, beide Eltern daheim zu haben. Allerdings habe der Vierjährige anfangs schwer akzeptiert, dass beide wegen der Arbeit nicht komplett für ihn da sein können. Heute ist Carolin zwei bis drei Mal pro Woche im Home-Office. Ihren Arbeitsalltag kann sie seit dem ersten Lockdown flexibler gestalten. Familie und Beruf sei einfacher zu händeln. "Das macht zufriedener."
Im Krisenstab eingesetzt
Elisabeth Bayer (43) ist Personalleiterin bei der Siemens Healthcare GmbH in Kemnath. Als Mitglied in der Betriebsleitung ist sie im Krisenstab tätig. Zudem ist sie Mutter von einem zweijährigen und fünfjährigen Mädchen. "Ich hatte das Glück, dass mein Lebensgefährte seine Zeit freier einteilen konnte", sagt sie. Im Normalfall hätte Elisabeth in einer Vier-Tage-Woche gearbeitet. Durch die Coronakrise tagte täglich der Krisenstab zusätzlich zum Tagesgeschäft. "Wir haben hier die Rahmenbedingungen gestaltet, um den Betrieb aufrechtzuerhalten." Für sie war der Lockdown eine extreme Zeit. "Ich hatte keine normalen Arbeitszeiten mehr und der Kindergarten machte zu." Für Haushalt und Kinderbetreuung blieb ihr wenig Zeit. Da ihr Unternehmen Geräte für den medizinischen Bereich produziert, wurde auch ihr Beruf als systemrelevant eingestuft. "Wir konnten so die Kinder in die Notbetreuung des Kindergartens bringen."
Auch bei Siemens habe sich die Akzeptanz für digitale Arbeitswege verstärkt. Für Bayer zeigt sich, dass Mitarbeiter nicht immer vor Ort sein müssen. Flexible Arbeitszeitmodelle helfen zusätzlich. "Die gab es schon vor der Krise, aber jetzt haben sich mehr getraut, diese zu nutzen." Doch die 43-Jährige weiß, dass nicht jeder im Home-Office arbeiten kann. Und auch Unternehmen kommen an ihre Grenzen, wenn Eltern wegen der fehlenden Kinderbetreuung freigestellt werden müssen. Daher müsse ihrer Meinung nach nicht nur die Digitalisierung in Unternehmen voranschreiten, sondern auch in Schulen.
Praxis eröffnet
Wegen der Liebe ist Evelyn Gäbler dieses Jahr von Thüringen nach Fichtelberg gezogen. Ihr Ziel war es, in die Selbstständigkeit zu gehen. Eigentlich wollte die Diplompsychologin mit der Erlaubnis psychotherapeutisch arbeiten zu dürfen, mit ihrem Partner eine Praxis in Kemnath eröffnen. Doch dann kam Corona. "Existenzgründung fiel aus allen Förderprogrammen raus, weil keine Umsatzplanung vorgelegt werden kann." Für ihren Partner wollte sie eine Stelle für einen Mitarbeiter mit Behinderung schaffen. Die bürokratischen Hürden ließen aber das nicht zu. Im Juni eröffnet Evelyn alleine.
"Normalerweise sind Psychotherapiepraxen voll. Doch bei mir ist das nicht so, da ich nicht kassengebunden bin", erklärt sie. Eigentlich sei das ein Vorteil, da sie so Kurzzeittherapien anbieten kann. Gäbler musste für sich selber werben, konnte aber keinen Tag der offenen Tür veranstalten. Ebenso konnte sie keine Vorträge oder Kurse halten. "Ich bin dann zu verschiedenen Ärzten oder Bestattern gegangen, um mich vorzustellen." Hier sei ein gutes Miteinander entstanden und sie konnte erste Kontakte knüpfen. Jedoch war der Neuanfang schwer: Es dauerte bis sich erste Klienten bei ihr meldeten.
Diskussionsrunde "Zu viel Home - zu wenig Office" wird online nachgeholt
Martina Dötsch, Carolin Skarupa, Elisabeth Bayer und Evelyn Gäbler wollten Anfang Oktober bei einer Diskussionsveranstaltung des Familienzentrum Mittendrin und dem regionalen Business-Netzwerk "Weiberwerk" in der Mehrzweckhalle in Kemnath zu dem Thema "Zu viel Home - zu wenig Office" teilnehmen. Da die Infektionszahlen im Landkreis bereits wieder stiegen, entschlossen sich die Organisatoren, die Veranstaltung zu verschieben. Laut Mittendrin-Leiterin Jessica Wöhrl-Neuber soll sie online nachgeholt werden. Ein genauer Termin steht noch nicht fest.
- Grußworte für die Veranstaltung haben aber bereits Bundespräsidentin und Juristin Elke Büdenbender sowie Soziologin Jutta Almendinger geschickt.
- Auf dem Plan stehen Themen wie fehlende Kinderbetreuung bei geschlossenen Schulen und Kindergärten, gering bezahlte Arbeit oder ungleich verteilte Sorge-Arbeit.
- Die Veranstaltung wird durch das Bundesprogramm "Demokratie leben!" gefördert.
- Schirmherrinnen sind Katharina Hage, Dritte Bürgermeisterin in Kemnath, und Claudia Grillmeier, Organisatorin der Aktion "Lichtblicke".
Flexible Arbeitsmodelle als Chance für Frauen
Die Coronakrise stellt Frauen vor große Herausforderungen. Das muss aber nicht sein, denn die Krise bietet auch Chancen, Beruf und Familie einfacher zu vereinbaren.
Viele Frauen kümmern sich um Arbeit, Haushalt und Kinder gleichzeitig. Das ist ein belastender Balanceakt, der gerade die berufliche Karriere von Frauen einschränkt. Nach einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin haben in der Krise rund 20 Prozent der Frauen ihre Arbeitszeit reduziert. Sie stecken beim Job öfter zurück als Männer. Das liegt auch daran, dass Frauen länger in Elternzeit gehen, sie meistens weniger verdienen und häufiger in Teilzeit arbeiten. Das Schließen von Kindergärten und Schulen im Lockdown bedeutete vor allem mehr häusliche als berufliche Pflichten für Frauen. Aufgrund der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten als Alternative sollten Politiker eine Schließung dieser Institutionen auch weiter verhindern.
Aber: Durch die Coronakrise wurden verstärkt flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office genutzt - auch von Männern. Der Aufschwung der digitalen Kommunikation ermöglichte, Geschäftsreisen und Meetings mit Videokonferenzen zu ersetzen, sparte Zeit und entschleunigte. Auf diese Weise konnten Paare und Familien zusammenwachsen. Kinder hatten mehr von ihren Vätern, Männer konnten Aufgaben im Haushalt übernehmen und waren plötzlich greifbarer. Gleichzeitig haben diese Möglichkeiten auch Frauen geholfen, flexibler Beruf und Familie miteinander zu kombinieren. Diese Lösungswege bieten Vorteile für beide Geschlechter und sollten nach der Krise noch weiter Bestand haben. So kann manch eine Belastung auch wieder verringert werden.
Alle vier Frauen sind durch ihr berufliches und familiäres Umfeld gut abgesichert. In solcher Situation kann dem Lockdown leicht etwas Positives oder eine sogenannte Chance abgewonnen werden. Frauen, die wenig verdienen, wegen der Pandemie ihre Jobs verloren haben oder aufgrund ihrer Selbstständigkeit in der Kulturbranche seit März keinen Cent verdient haben, werden ein anderes Lied singen müssen. Es ist absolut in Ordnung, aus dieser Pandemie Chancen oder Vorteile herauszulesen. Allerdings darf nie vergessen werden, dass das nur jene tun können, deren Geldbeutel selbst bei finanzielle Einbußen weiterhin ausreichend für Speis, Trank und Miete gut gefüllt ist. Die Mehrheit der Frauen und Mütter haben wohl momentan andere Sorgen.
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