"Eine Depression ist mehr als ein normales Stimmungstief. Sie ist kein persönliches Versagen, sondern eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung, die sich in vielerlei Beschwerden äußern kann", betonte Evelyn Gäbler eingangs. Eine anhaltende gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit, Schuldgefühle, Reizbarkeit, innere Unruhe, Aggressionen, Interessenverlust, Selbstvorwürfe und Entschlussunfähigkeit zeigten eine mögliche Depression an. Freundschaften gingen kaputt, Isolation und sozialer Rückzug nähmen immer mehr zu - laut der Diplom-Psychologin ein Teufelskreis.
"An manchen Tagen möchte ich am liebsten überhaupt nicht aufstehen, ich kann mich zu nichts aufraffen und bin wie gelähmt", klagten viele ihrer Patienten. Deren Leidensdruck sei sehr groß, eine Aussicht auf baldige Besserung könnten sie sich kaum vorstellen. Aber viele schämten sich, ihre psychische Erkrankung zuzugeben.
"Die Depression muss enttabuisiert werden", forderte Mittendrin-Leiterin Jessika Wöhrl-Neuber bei der Begrüßung der Referentin. Niemand brauche sich wegen seiner Depression zu schämen. Die Betroffenen sollten nicht immer Stärke zeigen, die sie eigentlich gar nicht haben.
Jeder Zehnte stirbt durch Suizid
Etwa acht Millionen Menschen leiden in Deutschland an Depressionen. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. 10 bis 15 Prozent aller Patienten mit wiederkehrenden schwer ausgeprägten depressiven Phasen sterben durch Suizid. Jährlich sind das etwa 10 000 Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Depression zu entwickeln, beträgt zwischen sieben und 18 Prozent. Frauen sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Eine Depression kann jeden treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialem Status. Gut gemeinte Ratschläge von Angehörigen wie "Reiß dich zusammen" oder "Das vergeht schon wieder" helfen nicht, wusste Gäbler.
Unwissenheit und Schamgefühl
Viele der Betroffenen suchen keinen Arzt auf, sei es aus Unwissenheit, Verdrängung oder aus Schamgefühl. Häufig werden aber auch Depressionen aufgrund ihres vielfältigen Erscheinungsbildes vom Hausarzt nicht erkannt. Es gehört neben medizinischem Fachwissen viel psychiatrische Erfahrung dazu, um diese Krankheit schnell und sicher zu diagnostizieren. Die gute Nachricht ist: Eine Depression ist heilbar. Wird einmal die richtige Diagnose gestellt, ist die Lage alles andere als aussichtslos. Vielen Erkrankten kann dauerhaft und erfolgreich geholfen werden. Weil es aber viel zu wenig Psychotherapeuten gibt, müssen die Patienten oft lange Wartezeiten in Kauf nehmen.
"Anhaltendes Stimmungstief, verminderter Antrieb und Verlust von Freude und Interesse sind die Hauptsymptome einer Depression", erklärte Gäbler. Dazu gebe es mehrere Zusatzsymptome ("Schwestern") wie innere Unruhe, Anspannung und körperliche Symptome. Es werden verschiedene Schweregrade und Verlaufsformen bei depressiven Erkrankungen unterschieden: einmalige Episode, wiederkehrende Depression oder bipolare affektive Störung (Wechsel von Depression und Manie).
Bei einer Anpassungsstörung ist die depressive Reaktion an einen konkreten Belastungsfaktor gebunden. Jahreszeitliche bedingte Depressionen treten vor allem bei Lichtmangel in den "dunklen" Jahreszeiten Herbst und Winter auf. Neben dem psychosozialen gibt es auch den neurobiologischen Aspekt. Demnach ist die Depression eine Stoffwechselkrankheit, die mit Medikamenten behandelt werden kann.
"Anhaltendes Stimmungstief, verminderter Antrieb und Verlust von Freude und Interesse sind die Hauptsymptome einer Depression."
"Es gibt kein einheitliches Therapiekonzept", betonte Evelyn Gäbler. "Meistens hilft eine Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung mit antidepressiven Medikamenten." Bei einer erfolgreichen Therapie wirken oft mehrere Fachkräfte zusammen. Die Psychologen erstellen die Diagnostik, die Psychotherapeuten übernehmen die psychotherapeutische Behandlung und die Ärzte verordnen die wirksamen Medikamente. "Nur von geschulten Fachkräften kann die Verflechtung von Denken, Fühlen (Wahrnehmen) und Handeln (Verhalten) analysiert und aufgelöst werden", stellte die erfahrene Therapeutin klar. Der Patient selber könne das unmöglich schaffen.
Sport und Musik erste Gegenmittel
Nach dem Vortrag gab es viele positive Rückmeldungen: Offen mit seiner depressiven Erkrankung umgehen, körperliche Symptome hinterfragen ("woher kommen meine Rückschmerzen, wenn es keine körperliche Ursache gibt?") und eigene eingefahrene Denkmuster hinterfragen sind hilfreiche Verhaltensweisen bei einer Depression. Die Fragen "Wie kann ich Grübeln vermeiden?" und "Welchen Einfluss hat die Körperhaltung auf mein Befinden?" müssten im Laufe der Behandlung geklärt werden, meinte Gäbler. Oft helfen aber auch schon einfache "Mittel": Sport und Musik spielen eine wichtige Rolle. Lachen hilft manchmal, aus einer schwierigen Situation herauszukommen.
Wie geht es nach diesem informativen Online-Vortrag weiter? "Weiter Ideen sammeln und sich online austauschen, bis nach der Coronapandemie wieder persönliche Begegnungen und Gruppengespräche möglich sind", schlugen einige der 25 Teilnehmer vor. Auch bei Spaziergängen im Freien Erfahrungen auszutauschen, fand breite Zustimmung.















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