Kemnath
04.08.2021 - 14:11 Uhr

Über „Schwarze Kabinette“, Wutbürger und Milliardenporto im Kemnather Heimatmuseum

Die Ausstellung über die Postgeschichte der Stadt Kemnath weckte auch das Interesse von Briefmarkenfreunden aus der Region. Aufmerksamkeit verdienten aber auch die Geschichten hinter einzelnen Exponaten.

Manches kaum bekannte "Postgeheimnis" verriet Hermann Dietl (Dritter von rechts) seinen Philatelistenkollegen aus Eschenbach und Erbendorf im Kemnather Heimatmuseum, wo der Heimatkundliche Arbeitskreis auf die Postgeschichte der Anzensteinstadt zurückblickt. Bild: bjp
Manches kaum bekannte "Postgeheimnis" verriet Hermann Dietl (Dritter von rechts) seinen Philatelistenkollegen aus Eschenbach und Erbendorf im Kemnather Heimatmuseum, wo der Heimatkundliche Arbeitskreis auf die Postgeschichte der Anzensteinstadt zurückblickt.

Seit Juni geht in der Kemnather Fronveste die Post ab: Briefe und andere Dokumente aus 190 Jahren Postgeschichte der Anzensteinstadt und ihrer Nachbargemeinden sind ein Leckerbissen für jeden gestandenen Philatelisten und Heimatgeschichtler. Dies bestätigte auch die Besuchergruppe von Fachleuten der Briefmarkenfreunde-Vereine aus Eschenbach und Erbendorf. Sie nahmen die Sonderschau im Heimat- und Handfeuerwaffenmuseum aufmerksam unter die Lupe.

Der Vorsitzende der Eschenbacher Briefmarkenfreunde, Hermann Dietl, der die Ausstellung gestaltet hat, wartete mit manch kuriosem "Postgeheimnis" auf und griff dabei bis ins 17. Jahrhundert zurück. So hätten die bayerischen Behörden die von den Fürsten von Thurn und Taxis im Auftrag des römisch-deutschen Kaisers organisierte "Reichspost" für gewöhnlich gemieden und sich stattdessen auf eigene Kuriere verlassen. Der Grund: Es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass die fürstlichen Postillone den kaiserlichen Postspionagestellen, den sogenannten "schwarzen Kabinetten", regelmäßig Postsendungen zugespielt hätten.

Zunächst nach Kirchenthumbach

Nach dem Ende des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" 1806 habe Bayern das Postwesen in eigener Regie neu organisiert - auch für die bisher preußischen Gebiete um Neustadt am Kulm, Bayreuth und im heutigen "Hochfranken", die zwischen 1804 und 1810 an Bayern gefallen seien. Bevor Kemnath 1830 seine erste eigene "Posthalterei" im Gasthof "Zum Reichsapfel" am Cammerloherplatz erhalten habe, hätten Briefe und Pakete in Kirchenthumbach aufgegeben werden müssen. Anfang der 1860er Jahre habe der "Apfelwirt" aus Angst um seine lukrative Postexpedition mit Poststall zu jenen gehört, die besonders laut - und letztlich erfolgreich - gegen eine Trassierung der Bahnlinie Bayreuth-Weiden durch Kemnath protestiert hätten.

Im Laufe seiner Führung wies Hermann Dietl noch auf einige ungewöhnliche Exponate hin wie etwa die Reproduktion eines in den 1850er Jahren aus Kemnath nach Athen versandten Briefes. Dessen Empfängerin war keine Geringere als Marie Friederike Amalie, Gattin des griechischen Königs Otto, der ein Sohn des bayerischen Monarchen Ludwig I. war. An die galoppierende Inflation nach dem Ersten Weltkrieg erinnert ein mit 100 Milliarden Mark frankiertes Schreiben des Bezirksamts Kemnath von 1923, an die strenge amerikanische Postkontrolle des Jahres 1945 ein Brief, den die militärische Postzensurstelle unter Beifügung eines detaillierten Belehrungsschreibens an den Absender zurückgegeben hatte.

Feldpostbrief von Erich Ebermayer

1944 hatte der Schriftsteller Erich Ebermayer, der seit 1939 im Schloss Kaibitz wohnte, einen Feldpostbrief versandt, dessen Umschlag Hermann Dietl faksimiliert und ebenfalls in seine Ausstellung aufgenommen hat. Zu den Blickfängen zählt nicht zuletzt ein kompletter Bogen der 60-Pfennig-Dauerserienmarke von 1978, die ein in Kemnath entwickeltes und hergestelltes Röntgengerät zeigt. Ein Besuch im "Musikeum", wo der frühere Museumsleiter Anton Heindl den Besuchern die schönsten und klangvollsten Stücke der von ihm betreuten Musikautomatensammlung vorstellte und eine vom Ehrenvorsitzenden des Heimatkundlichen Arbeitskreises (HAK) Hans Rösch geleitete Führung durch die weiteren Ausstellungen in der Fronveste durften nicht fehlen.

Der HAK hatte seinen ehrenamtlichen Museumsführern eine fundierte Einführung in die aktuelle Post-Sonderausstellung durch Hermann Dietl angeboten. "Derartige Schulungen wollen wir künftig zu jeder neuen Sonderausstellung durchführen, und wir werden auch dafür Sorge tragen, dass jeder, der sich in unser Museumsteam einbringen möchte, sorgfältig in die 'Schatzkammern' unseres Heimat- und Handfeuerwaffenmuseums eingewiesen wird", betonte Hans Rösch.

Kemnath05.08.2020
Dieses Miniaturbild eines in Kemnath entwickelten Röntgengeräts ging ab 1978 in Millionenauflage um die Welt: Einen kompletten Schalterbogen und zwei ersttagsgestempelte Schmuckumschläge der 60-Pfennig-"Industrie und Technik"-Marke zeigt das Kemnather Heimatmuseum in seiner aktuellen "Postausstellung". Bild: bjp
Dieses Miniaturbild eines in Kemnath entwickelten Röntgengeräts ging ab 1978 in Millionenauflage um die Welt: Einen kompletten Schalterbogen und zwei ersttagsgestempelte Schmuckumschläge der 60-Pfennig-"Industrie und Technik"-Marke zeigt das Kemnather Heimatmuseum in seiner aktuellen "Postausstellung".
 
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