"Wir ziehen zur Mutter der Gnade zu ihrem hochheiligen Bild, o lenke der Wanderer Pfade und segne Maria, sie mild..." Mit diesem Lied ziehen die Gläubigen der Pfarrei Mariä Himmelfahrt alljährlich am zweiten Sonntag im September zur Wallfahrtskirche Maria Zell auf den Kirchenthumbacher Hausberg. Die abendliche Lichterprozession ist Abschluss des Bergfestes, das in der Pfarrei einen hohen Stellenwert einnimmt. Doch das Beten, die Liturgiefeier und das Singen von Marienliedern ist die eine Seite des Festes, die zweite ist dann die weltliche: Zugleich mit dem Bergfest findet nämlich die Krawandorfer Kirwa statt, eine Ortsteil-Kirchweih, die es in sich hat und auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Wenn die Christen mit ihren bunten Lichtern hinauf zum Gnadenort ziehen, führt bzw. führte der Pilgerweg an drei Wirtshäusern vorbei. Dann geht vielen Pilgern der Spruch durch den Kopf: "Es ist seit alters her der gute Brauch, Weihrauch füllt die Nase und Bier den Bauch." Dem betenden Volk wehte in Höhe der Wirtshäuser meist der Duft von Gebratenem, Bratwürsten und Bieraroma um die Nase, und es kehrte danach dort ein.
Nur mehr wenige alteingesessene Krawandorfer können sich noch erinnern, wie früher die Kirwa gefeiert wurde. Fritz Fürk hat in den zurückliegenden Jahren und jetzt aktuell viele Gespräche geführt und das Erzählte niedergeschrieben. In der Gastwirtschaft Friedl, auch Melber genannt, hatten in der Wirtsstube maximal 30 Gäste Platz. Zur Kirwa saßen die Leute aber auch in der Küche und im Hausflur. 1972 wurde das alte Wirtshaus aufgegeben, und der Gastronomiebetrieb samt Wohnung zog um in das neue Wirtshaus in der Görglaser Straße. Hauptgerichte waren früher allerdings nicht Schweinebraten und Geflügel, sondern hausgemachte Bratwürste. Alois Friedl erinnert sich: "Einmal haben wir 1500 Paar Bratwürste gebraucht." Der Bratwursttag war am Kirchweihmontag. Wenn die Würste nicht reichten, wurde von den Metzgern dazugekauft. Doch nicht immer lief das Geschäft gut. Während der beiden Kriege war Geld knapp, und da konnte sich fast niemand eine Bratwurst leisten. Der meiste Umsatz wurde mit dem Verkauf von Bier erzielt. Dass die Gastwirtschaft Friedl den Namen "Hafenkneipe" verpasst bekam, hat folgenden Hintergrund: 1941 wurden in Kirchenthumbach deutsche Wehrmachtsoldaten einquartiert. Im Truppenlager Grafenwöhr war keine Platz mehr frei. Unter den Soldaten waren auch Hamburger Burschen. Da das Melber-Anwesen direkt am Thumbach stand, gaben die Hamburger dem Wirtshaus den Namen "Hafenkneipe". Doch bis heute hat der Hausname "Melber" Bestand, auch wenn an der Fassade des Wirtshauses eine Lampe angebracht ist mit dem Schriftzug "Hafenkneipe". Der Name Melber leitet ab von Mehlhandel. Nur mehr wenige wissen, dass auf dem Friedl-Anwesen, vormals Hammer, eine Fleischhauerei betrieben wurde.
Nächste Bierwegstation ist die Brauerei Heber, ursprünglich "Pesch Bräu", die im Jahre 1903 gebaut wurde. Bauherr war Hans Pesch, der aus der Bäckerei Pesch am Marktplatz abstammte. Dort beschränkte sich die Krawandorfer Kirwa auf das Brauen und Trinken guten Bieres. Dazu gab es deftige Brotzeiten. Die älteren Kirchenthumbacher schwärmen noch heute vom guten Gerstensaft aus der Pesch- und später Heberbräu. 1937 übernahm die Brauerei Karl Heber. Weil Heber während des Krieges als Offizier Dienst leisten musste, stand der letzte Kirchenthumbacher Kommunbraumeister, der 1880 geborene Johann Reisner (Hausname Mulzer), am Sudkessel. Braumaterialien, wie Gerste, waren knapp. In Allerhöchster Not braute Reisner Dünnbier. Nicht selten kam es vor, dass der Brauvorgang misslang. Der Sud wurde abgelassen und floss im offenen Straßengraben Richtung Thumbach. In Erinnerung ist geblieben "Das ganze Krawandorf hat nach Bier gerochen, als die schäumige Brühe in den Bach gelaufen ist."
So richtig Kirwa gefeiert wurde auch in der Gastwirtschaft "Bayerische Ostmark" beim "Maurer Karl". Inhaber Karl Sporer war vom 1. April 1933 bis 20. April 1945 Bürgermeister von Kirchenthumbach. Im Ostmarksaal fanden auch Kirchweihtänze statt. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte der aus Schlesien stammende Gerold Sobainsky mit seinen Musikkumpanen, den Gebrüdern Langer, zum Tanz auf. In der Küche und in den drei Gasträumen halfen die "Stollner Juli" und Margarete Iberl (Dallmeier Retl) aus.
Das Bier bezog der "Maurer Karl" aus der Schlossbrauerei Hammergänlas, heute Truppenübungsplatz. Sporer weigerte sich, Bier aus der Kommunbrauerei auszuschenken. Nach seiner Meinung ließ die Qualität oft zu wünschen übrig. Am 31. Dezember 1984 lief in der Ostmark das letzte Bier aus dem Zapfhahn. Der Gasthof wurde geschlossen und zu einem Wohnhaus umgebaut.
Das Kapitel "Kommunbier" wurde am 20. April 1945 beendet. Eine Granate, abgefeuert von einer amerikanischen Artilleriekanone, die das Brauhaus in der Färbergasse traf, besiegelte das "Aus" der Kirchenthumbacher Kommunbrauerei. In den 60er Jahren hatte Rudolf Bernhardt (Butzi) die Idee, nach dem Hauptgottesdienst am Sonntag vor der Bergkirche unter den Linden ein Gartenfestl zu organisieren. Er bot Bier vom Fass und Würstchen an. Doch wegen des Protests der Wirtsleute und der unsicheren Wetterlage blieb es beim einmaligen Versuch.
Noch heute wird jedoch die Krawankirwa, die viele Gäste auch von auswärts anlockt, mit Pauken und Trompeten gefeiert. Dazu gehört auch das Aufstellen eines Kirwabaumes unter den Klängen der Blaskapelle sowie ein Tennentanz beim Melber. Vom 5. bis 8. September ist es wieder so weit. Die einen pilgern zur Mutter der Gnade und die anderen in die Wirtshäuser. Die älteren Kirchenthumbacher und Krawandorfer zweifeln nicht: Beides ist von Gott gewollt.














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