Um 1900 nahm der Verkehr mit motorbetriebenen Fahrzeugen aller Art langsam zu. Das wirkte sich auch auf die Reichsstraße 85 aus, die sich von Amberg aus durch den heutigen Truppenübungsplatz schlängelte und nach Bayreuth führte. Die "85er" war eine der wichtigsten Verbindungsachsen der Oberpfalz. Das hatte schon das Fürstenhaus Thurn und Taxis erkannt, das die Poststelle Kirchenthumbach als übergeordnetes Postamt einstufte. Der Grund: eine geografisch sehr günstige Lage und das letzte "Bollwerk" der Oberpfalz vor Franken.
Wegen des zunehmenden motorisierten Verkehrs mit Autos, Motorrädern und Lastwagen mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen des "Reiches", auch "Ostmärkisches Gebiet" genannt, wurde der Ruf nach Benzinzapfsäulen immer lauter. Die Kirchenthumbacher Geschäftsleute - es gab damals über 50 Einzelhandelsgeschäfte und Handwerkerbetriebe - reagierten schnell und boten Benzin an. Große Baumaßnahmen waren dafür nicht notwendig. Ein Fass mit maximal 200 Liter Inhalt, eine handbetriebene Pumpe mit Literzählwerk sowie eine Lizenz - das reichte.
Lebensmittel, Bekleidung und Benzin
Eine Tankstelle richtete beispielsweise das Kolonialwarengeschäft Schmidt/Schuhmann in der Auerbacher Straße ein. Die "Wiesenfriedl", so der Hausname, boten alles an, was zum Leben und Arbeiten in der damaligen Zeit notwendig war. Zu kaufen gab es Lebensmittel und Bekleidung, aber auch Gerätschaften für die Landwirtschaft, wie Rübenschneider, Gabeln, Kuhketten oder Heurechen. Der Sprit kam von der Raffinerie Agip.
Das Kaufhaus Josef Rupprecht an der Thumbachbrücke am Fuße des Marktplatzes - Inhaber war der approbierte Bader und Kaufmann Josef Rupprecht - verkaufte das Benzin Gaspol einer amerikanischen Gesellschaft. 1937 firmierte Gaspol um, und fortan gab es "beim Boder" den Sprit der Marke Essolub.
Das Kaufhaus Rupprecht hatte einen guten Ruf und verfügte über ein außergewöhnlich gut sortiertes Warenlager. Als Dentist kümmerte sich Josef Rupprecht zudem um die Zähne der Kirchenthumbacher. Auch bei Knochenfrakturen war er hilfreich zur Stelle. Wer ein Passbild für die "Kennkarte" brauchte, der ging ebenfalls "zum Boder" ins einfach eingerichtete, aber gut funktionierende Fotostudio mit eigenem Labor und Dunkelkammer
Werkstatt mit Tankstelle
Nur wenige Meter vom Kaufhaus Rupprecht entfernt hatte im "Uhl-Anwesen" der Mechanikermeister Hans Dörfler eine Werkstatt mit Tankstelle eingerichtet. Dörfler war ein Mechaniker der alten Schule, der alles verkaufte, installierte und reparierte, was in der damaligen Zeit mit Technik zu tun hatte. Er bot Benzin der Marke Aral an. Einen Steinwurf weiter betrieb Georg Lehner eine Huf- und Wagenschmiede. Auch er verkaufte Benzin der Marke Esso. Lehner war nicht nur ein hervorragender Schmied, er wirkte auch als Heiler, wenn Pferde krank waren.
Einheitlich geregelt war damals der Spritpreis: Der Liter Kraftstoff kostete von 1930 bis 1940 überall in der Region 39 Reichspfennige - umgerechnet in Euro waren das gerade einmal 20 Cent. Für die damalige Zeit aber war das zweifellos viel Geld. Nur nebenbei bemerkt: Ein Seidl Bier kostete ebenfalls 39 Reichspfennige.
Die ersten Autobesitzer: Ein Unternehmer, ein Bader und ein Lehrer
Die ersten Autos leisteten sich in Kirchenthumbach damals der Unternehmer Jakob Prüschenk, der Bader Josef Rupprecht und ein Lehrer namens Brandl. Später gesellten sich Martin Dobmann, der Arzt Dr. Fleischmann, der Mechanikermeister Hans Dörfler, der Versicherungsagent Michael Pusl, Norbert Kleindienst und der Metzgermeister Anton Kaufmann ("Koisabeckn-Toni") hinzu.
Mit der Erweiterung des Truppenübungsplatzes und der Ausweisung als Sperrgebiet wurde die Verkehrsader B 85 mehr oder weniger bedeutungslos. Nach dem Zweiten Weltkrieg und infolge der Zunahme der Motorisierung zogen sich die Familien Schuhmann, Rupprecht und Lehner aus dem Spritgeschäft zurück. Die Mineralölkonzerne forderten den Bau von teuren und aufwändigen Tankstellen mit mehreren Zapfsäulen auch für Super, Diesel und Zweitakter sowie Motoröl.
Neue und für die damalige Zeit moderne Tankstellen mit einem besseren Angebot und auch Service entstanden in der Bayreuther Straße. Hans Dörfler baute in den Jahren 1949/50 dort an der Ecke Buchbergerstraße ein Wohnhaus mit Werkstatt und 1957 eine Tankstelle, wo das Markenbenzin BP verkauft wurde. Seine Frau Zenta bot mit ihrem Ford Eifel Krankentransporte zu Fachärzten an. Hans Dörfer verkaufte und reparierte Zweiräder der Marken Herkules, Adler und Zündapp, Deutz-Schlepper sowie Autos der Marken Ford und später Fiat.
Quickly-Mopeds beim Chauffeur
Norbert Kleindienst betrieb im Anwesen "Stollner" in der Auerbacher Straße ein Fahrradgeschäft. Nebenbei war er Chauffeur von Jakob Prüschenk und des Eschenbacher Arztes Dr. Baumer. 1936 errichtete er in der Bayreuther Straße ein Wohnhaus und richtete sich auch eine Werkstatt ein. Maurermeister war sein Schwiegervater Jakob Prüschenk. Hinzu kam in den 1950er Jahren eine Esso-Tankstelle. Kleindienst verkaufte die Mopeds und Motorräder der Marke NSU. Verkaufsrenner waren die Quickly-Mopeds. Später kamen die Autos NSU-Prinz hinzu, ehe Kleindienst auf Volkswagen umstieg.
Am Ortsende von Kirchenthumbach gegenüber dem "Frauenbild" eröffneten 1949/50 Fanny und Josef Schober ein Kolonialwarengeschäft. Der Inhaber verkaufte auch Mopeds und Motorräder der Marke Mars. Paradestück wardabei die "350er". Hinzu kam eine Tankstelle mit Kraftstoff der Marke DEA und später Texaco. Gebaut hatte das Haus 1943 Martin Kleindienst. Er verkaufte Schreibwaren, deshalb auch der Name "Papier-Kleindienst". 1951 zog es ihn nach Düsseldorf, wo er sich eine neue Existenz aufbaute.
Zwei Zapfsäulen: Normalbenzin und Super
In den 1960er Jahren wurde die Kreisstraße von Kirchenthumbach nach Pegnitz über Thurndorf ausgebaut. Josef Haasmann entschied sich daraufhin für die Eröffnung einer Tankstelle in Turndorf. An zwei Zapfsäulen bot er Normalbenzin und Super an, zusätzlich ein Gemisch für Zweitaktmotoren. Später trennte er sich von Shell und verkaufte Kraftstoff der Marke Texaco, ehe er seinen Betrieb in eine freie Tankstelle umwandelte. Sein Bruder Fritz Haasmann betrieb eine Werkstatt. Unvergessen ist das Schnurren der Ferguson-Schlepper, die er verkaufte und reparierte. Hinzu kam eine Installation und Spenglerei. Viele Jahre war Haasmann auch Wasserwart der gemeindlichen Wasserversorgungsanlage Thurndorf.
1980 stellte Josef Haasmann den Benzinverkauf ein. Schober schloss seine Tankstelle 1970, Dörfler folgte um das Jahr 2000. Übrig geblieben sind die Tankstelle Kleindienst sowie die Raiffeisentankstelle.
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