Köglitz bei Kemnath
29.04.2019 - 15:56 Uhr

Für die Liebe weg vom Meer

Vor 46 Jahren hat es Ineke Reger aus Wijk aan Zee in Nordholland in die Nordoberpfalz verschlagen. Der Grund: die Liebe zu ihrem Mann Sepp Reger. Inzwischen sind beide 50 Jahre glücklich verheiratet.

von PML
Ineke Reger aus Nordholland lebt seit 46 Jahren in Köglitz bei Kemnath. Bild: pml
Ineke Reger aus Nordholland lebt seit 46 Jahren in Köglitz bei Kemnath.

Beinahe hätte es nicht geklappt: Als Ineke Snijders 1967 das erste Mal alleine mit dem Zug zu ihrem damaligen Freund, Sepp Reger, nach Köglitz bei Kemnath fahren wollte, stand sie nach etlichen Stunden Fahrzeit alleine in Bayreuth am Bahnhof. Aber ihr Sepp, der sie abholen wollte, war nicht da. Der war noch bei seinen Eltern und hatte im Gespräch die Zeit vergessen. "Gut, dann fahr' ich halt wieder zurück", hat sie sich da gedacht. Gerade als sie sich ein Zimmer bei der Heilsarmee gegenüber vom Bahnhof nehmen wollte, um dort die Nacht zu überbrücken, kam er doch noch zum Abholen. Am 7. Januar haben Ineke (74) und Sepp Reger (75) jetzt goldene Hochzeit gefeiert.

Kennengelernt hatten sich die beiden 1966 im Mai in Wijk aan Zee, Inekes nordholländischem Heimatort. Sepp, damals 23 Jahre alt, war dort als Maschinenbauer auf Montage in einer Unterkunft untergebracht. Als er eines Tages neue Hemden brauchte, ging ihm Ineke bei ihrem Arbeitgeber, einem Kaufhaus direkt hinter den Stranddünen, erstmal an den Kragen. Sepp wusste seine Hemdgröße nicht und Ineke sollte ihm den Halsumfang ausmessen. "Dabei hat es dann bei mir gefunkt", meint Sepp schmunzelnd.

"Sein Auto war mir vorher auch schon aufgefallen. Sie sind abends immer kurz vor sechs vorbeigefahren und haben sich die Bild-Zeitung geholt, und Gauloises, und da hab ich mir gedacht, ach, das ist ein schönes Auto und so hatte es bei mir schon etwas gefunkt", gesteht Ineke und ergänzt etwas später: "Beim Hemdanmessen hab' ich ihn dann das erste mal richtig aus der Nähe gesehen. Sonst ja immer bloß im Auto."

Kirchlich geheiratet haben die beiden dann am 7. Januar 1969 in Wijk aan Zee. Ein paar Tage vorher wurde in Atzmannsberg, im Gasthof der dem damaligen Bürgermeister und Standesbeamten gehörte, standesamtlich geheiratet. Für Sepp gab es eine Bedingung für die Eheschließung: Er wollte nicht, dass seine Frau arbeiten geht. "Das war meine Frage, bevor ich sie geheiratet hab: Ob sie bereit ist, die Mutter unserer Kinder zu werden. Und ob sie bereit ist, ihre Arbeit aufzugeben und ‚nur‘ Hausfrau zu sein. Denn Hausarbeit ist ‚auch‘ Arbeit. Und ich hab' gesagt, wenn ich keine Familie ernähren kann, dann heirate ich nicht." Ineke war damit einverstanden - wenn Sepp Feierabend hatte, hatte sie auch Feierabend und sie haben sich eine gute Zeit gemacht. "Bei uns in Holland war das auch so: eine Frau, die arbeitet nicht, sie ist verheiratet und macht das Haus und aus."

Auf dem Weg zum Traualtar. Ineke und Sepp Reger kurz vor ihrer kirchlichen Hochzeit in Wijk aan Zee im Januar 1969. Für den großen Tag hatten sie sich extra einen amerikanischen Straßenkreuzer ausgeliehen. Bild: exb
Auf dem Weg zum Traualtar. Ineke und Sepp Reger kurz vor ihrer kirchlichen Hochzeit in Wijk aan Zee im Januar 1969. Für den großen Tag hatten sie sich extra einen amerikanischen Straßenkreuzer ausgeliehen.

Gut angekommen

Haus und Kinder ließen dann auch nicht lange auf sich warten. Nach fast fünf Jahren, in denen Sepp und Ineke in Wijk aan Zee gelebt haben, sind sie dann, im Februar 1973, nach Köglitz in seinen Heimatort gezogen. Dort hatte er inzwischen ein Haus gebaut und die ersten beiden Kinder waren schon in Wijk aan Zee zur Welt gekommen. Für Ineke war es anfangs nicht ganz leicht. Von der modernen, offenen Welt eines Badeorts an der Nordsee – 20 Kilometer von Amsterdam entfernt, Den Haag in der Nähe – in die Oberpfalz, "das war eine große Umstellung. Hier war noch alles finster, die Straßenbeleuchtung aus dem Mittelalter. Die Frauen mit Kopftuch und Schürze um."

Eingelebt hat sich Ineke dann aber trotzdem schnell. "Sie hat sich gleich wohlgefühlt", weiß ihr Mann zu berichten. "Ich bin auch ganz gut aufgenommen worden. Seine Eltern haben mich angenommen wie ihr ein eigenes Kind. Meine Schwiegereltern haben sich immer um mich gekümmert, wenn er auf Montage war". Und auch bei Inekes Eltern, welche die deutsche Besatzungszeit und den Krieg in den Niederlanden am eigenen Leib miterlebt hatten, gab es keine Probleme mit dem deutschen Freund und späterem Ehemann. "Mit ihren Eltern gab es nichts, aber mit manchen Dorfbewohnern schon", erklärt Sepp. "Wir waren 120 Mann von meiner Firma dort oben, die ein Stahlwerk gebaut haben und das Lokal in dem wir verkehrt haben, das haben die Holländer doch gemieden". Offene Ressentiments gab es trotzdem keine und als Wirtschaftsfaktor waren die Arbeiter in der Region auch gerne gesehen.

Mit dem „typischen“ Oberpfälzer musste sich Ineke jedoch erst etwas anfreunden. Die Holländer seien damals schon deutlich offener, zugänglicher gewesen und eher auf Fremde zugegangen, als die Oberpfälzer. "Der Oberpfälzer ist schon manchmal stur oder nicht so offen. Ich kann man mich aber nicht über die Leute beschweren. Ich bei eine, die ist offen und redet mit jedem." Und mit ihrer eigenen offenen Art hat sich Ineke Reger in Köglitz und drum herum dann schnell einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. "Die kennt mehr Leute als ich", schmunzelt Sepp. Und wenn es sein muss, kann auch sie stur sein. So gab es etwa in den frühen 1970er Jahren noch keine Möglichkeit für die Kinder in Köglitz mit einem Bus zur Schule oder in den Kindergarten gebracht zu werden. Ineke hat dann durchgesetzt, dass die Kinder mit einem kleinen Bus geholt und wieder gebracht wurden.

Lang schon fort

Die eigenen Kinder sind inzwischen schon groß und haben sich über Europa verteilt. Ein Sohn ist zurück nach Wijk aan Zee gegangen, die Tochter lebt in Schottland und der jüngste arbeitet in Nürnberg. Ineke und Sepp sind früher viel gereist. Er hat sie oft mitgenommen, wenn er auf Montage gegangen ist und sie ist früher immer mal wieder zu ihren Eltern nach Nordholland gefahren. Besonders in der Anfangszeit, als sie neu in der Oberpfalz war und er beruflich länger fort musste. "Als das dritte Kind dann da war aber nicht mehr." Und heute reisen sie nicht mehr viel. "Wir sind im Alter ruhiger geworden."

Auch in Holland waren sie schon lange nicht mehr. Zuletzt 2001 für einen Geburtstag. „Aber manchmal denke ich mir, es wäre schon schön, mal wieder hinzufahren“, erzählt Ineke. Um den Kontakt zur alten Heimat aber nicht ganz zu verlieren, liest sie viel über Holland und die Niederlande. Besonders das Königshaus interessiert sie. "Willem-Alexander und Maxima, das Königshaus ist mein Ein-und-Alles." Und Sepp ergänzt: "Alle, nicht bloß die." Ineke begeistert sich für alle europäischen Königshäuser, bis auf das britische: "Ich mag England nicht so."

Natürlich hat Inekes Heimat auch an verschiedenen Stellen in der Einrichtung ihre Spuren hinterlassen. Um sie zu entdecken muss man jedoch schon etwas genauer hinschauen. So steht auf der Kommode, unter vielen anderen Erinnerungsstücken, ein kleiner Leuchtturm, auf dem Beistelltischchen versteckt sich eine Blechdose mit original holländischen „Wilhelmina Pepermunt“-Pastillen. Und an der Wand hängt eine Leuchtturmuhr, die zur vollen Stunde Meeresrauschen ertönen lässt. „Das Rauschen vermisse ich sehr.“ Und auch wenn Sepp der Meinung ist, dass die Oberpfälzer Wälder auch schön rauschen, ist Ineke sich sicher: "das ist doch was ganz anderes.“

Ihre zweite Leidenschaft sind Heimatromane aus der Oberpfalz und Bayern – und die Stadt München: "München ist meine Lieblingsstadt. Da kann man so schön einkaufen gehen." In der Oberpfalz gehen die beiden gerne zum Zoigl, auch wenn Ineke kein Bier trinkt. Denn zur Oberpfälzerin ist Ineke nach 46 Jahren jedoch nicht geworden, auch wenn sie hier gerne lebt und viele Freunde hat: „Im Herzen bin ich doch noch was anders geblieben.“

Ineke Reger zusammen mit ihrem Mann Sepp. 1966 hatten sie sich in Inekes Heimatort in den Niederlanden kennengelernt. Wenige Jahre später sind sie in seine Heimat, die Oberpfalz gezogen. Bild: pml
Ineke Reger zusammen mit ihrem Mann Sepp. 1966 hatten sie sich in Inekes Heimatort in den Niederlanden kennengelernt. Wenige Jahre später sind sie in seine Heimat, die Oberpfalz gezogen.
 
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