Als der Landrat Ausscheider war und der Bürgermeister ein Kellerkind

Kümmersbruck
31.05.2022 - 16:27 Uhr
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Welche "dunkle Seite" hatte die Bundeswehr-Zeit von Landrat Richard Reisinger? Und warum verbrachte Kümmersbrucks Bürgermeister Roland Strehl damals viel Zeit im Keller?

Anekdoten aus ihrer Wehrdienst-Zeit, die Richard Reisinger und Roland Strehl in einer Sanitätsgruppe in der Schweppermannkaserne leisteten, steuerten Landrat und Bürgermeister zu den Exponaten in den dortigen, neu eingerichteten Traditionsräumen bei. In der Schweppermannkaserne gab es sie bisher schon, sie dokumentierten die militärische Entwicklung des Standorts. Aber Name, Umfang und Präsentation bedurften einer Aktualisierung und Modernisierung. Drei Reservisten, Stabsfeldwebel d. R. Jürgen Bischoff, Hauptmann d. R. Jürgen Hoffmann und Oberstleutnant d. R. Wolfgang Krettner, übernahmen dies im Zuge von Reservedienstleistungen (Wehrübungen) mit viel Ideenreichtum.

Das Militär und seine Einrichtungen haben im Landkreis Amberg-Sulzbach eine jahrzehntelange, in Amberg eine darüber weit hinausgehende Geschichte. Der einzig heute noch verbliebene Bundeswehr-Standort in der Region Amberg-Sulzbach ist die Schweppermannkaserne im Kümmersbrucker Ortsteil Gärmersdorf. Oberstleutnant Sebastian Erbe, Kommandeur des dort stationierten Logistikbataillons 472 und gleichzeitig Standortältester, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte dieser Garnison nicht nur Soldaten, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Korpsdepot und Flugabwehr

Mit der Schließung der Leopoldkaserne endete 2018 eine Ära, Amberg ist seither keine Garnisonsstadt mehr. Im Landkreis sind wohl nur der älteren Generation das aufgelöste Korpsdepot der Bundeswehr in Adertshausen bei Hohenburg und die ehemalige Flugabwehrraketenstellung der amerikanischen Armee in Freihöls noch in Erinnerung.

Den Abschluss der Umgestaltung der Traditionsräume der Schweppermannkaserne nahm Oberstleutnant Erbe jetzt zum Anlass, Garnisonsbürgermeister Roland Strehl, Landrat Richard Reisinger und Dienststellenleitern aus der Bundeswehr das Ergebnis zu präsentieren. „Es ist keine Neueröffnung, sondern eine Wiedereröffnung, in die die drei Kameraden sehr viel Mühe und Fleiß gesteckt haben“, sagte Erbe. Die Ausstellung trägt den Namen „Schweppermannkaserne 1960 bis heute“. Sie zeigt auf etwa 120 Quadratmetern in mehreren Räumen die Entwicklung der ehemaligen Panzerkaserne Gärmersdorf mit den Panzerbataillonen 123 und 124.

Edelweiß an der Mütze

Heute prägen Logistiktruppen das Bild am Standort. Mehrere Heeresstrukturreformen und Änderungen in der militärpolitischen Lage haben zu zahlreichen Auflösungen und Neuaufstellungen von Verbänden geführt. Der Fortbestand der Schweppermannkaserne war dabei nicht immer sicher.

Den Besucher erwarten in der Ausstellung viele zeitgenössische Bilder, Urkunden und ein Überblick über alle derzeit aktiven Dienststellen. Man erfährt, warum fernab vom Gebirge Soldaten mit dem Edelweiß an der Mütze und mit Keilhosen zu sehen waren. Oder warum Passanten noch heute Soldaten in Matrosen- oder Luftwaffenuniform begegnen.

Jedes Jahr ein Schwein

Natürlich lebt eine solche Ausstellung von den vielen kleinen und großen Geschichten aus der Vergangenheit. Ein Beispiel: Die Panzerpionierkompanie 120 lieferte jährlich kurz vor Weihnachten ein lebendes Schwein beim Amberger Bürgerspital ab und sorgte so bei den Bewohnern für einen schmackhaften Festtagsbraten.

Für Bürgermeister Strehl und Landrat Reisinger war der Besuch in der Kaserne eine willkommene Gelegenheit, alte Erinnerungen wach werden zu lassen. Beide hatten von 1983 bis 1984 ihren Grundwehrdienst in der Sanitätsgruppe der 1. Kompanie des Panzerbataillons 123 geleistet.

Reisingers Formblätter

Reisinger hatte unmittelbar nach Ende seiner Dienstzeit geschworen, die Kaserne nie wieder betreten zu wollen – doch das Leben spielte anders. Als Sanitätsobergefreiter entdeckte er bereits früh seine besondere Veranlagung für verwaltungstechnische Arbeiten und entwarf in Eigenregie Formblätter, die bei seinem damaligen Dienstherrn noch lange Zeit Verwendung fanden.

Aber seine Aufgaben hatten auch ihre dunklen Seiten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er musste auch Küchentauglichkeits-Überprüfungen beim Personal mittels sehr spezieller Proben durchführen und die Ergebnisse auswerten. „Weitere Details zu dieser Tätigkeit möchte ich Ihnen gerne ersparen“, sagte er schmunzelnd.

Roland Strehl mit leerem Tank

Unter großem Beifall übergab er der Sammlung seinen eigenen, noch gut erhaltenen Reservistenpulli mit zahlreichen Unterschriften seiner Kameraden. Ehemalige Wehrpflichtige kennen noch gut diese Insignien: Pulli und Strohhut, ein mit Federn dekoriertes „Kunstwerk“ mit Szenen aus dem militärischen Alltag. Eingeweihte konnten daran die Anzahl der Disziplinarbußen (im Militärjargon: Diszis) ablesen. Sogenannte „Ausscheider“ verließen am letzten Tag ihrer Dienstzeit bunt gekleidet unter Gesang und Musik die Kaserne. Ein Vorgang, der heute aus verschiedenen Gründen nicht mehr vorstellbar wäre.

Auch Strehl hatte eine Anekdote parat. Als frischgebackener Führerscheininhaber für große Lastwagen musste er bei seiner ersten Fahrt einen fabrikneuen Lkw vom Amberger Güterbahnhof abholen. Kurz nach Eintreffen in der Kaserne ging ihm vor dem Fahrschulgebäude der Diesel aus. Neufahrzeuge, die aus dem Werk kommen, sind halt nicht vollgetankt: Eine für ihn wichtige Erfahrung.

Der "Sani" im Keller

Die hämisch grinsenden Gesichter der Fahrschüler und Fahrlehrer sind ihm noch gut in Erinnerung. Erst nach Auftanken, Hochhieven der schweren Motorhaube und umständlicher Entlüftung des Motors konnte er seine letzten Meter zurücklegen. Bei seinen weiteren Tätigkeiten als Sanitäter fristete Strehl eher ein Schattendasein. Als Materialverantwortlicher hielt er sich oft tagelang im Keller des Sanitätsbereiches auf. Dort lagerten kühl und dunkel alle einsatzwichtigen Verbrauchsartikel, deren Vollzähligkeit und Vollständigkeit er akribisch kontrollieren musste.

Wer an einer Führung durch die Ausstellung interessiert ist, erhält unter der Telefonnummer 09621/8912001 weitere Auskünfte.

 
 

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