Wolf streift wieder durchs Fichtelgebirge

Marktredwitz
04.05.2023 - 15:51 Uhr
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Diesen Tag wird Vera Jandl-Wunderlich nie wieder vergessen. Eigentlich wollte sie in Seußen bei Marktredwitz am Montagmorgen nur einen Kuchen für das Maifest abholen, doch da begegnete ihr ein Wolf – und blickt sie direkt an.

Von Alexandra Hautmann

"Es war einfach faszinierend", erzählt Vera Jandl-Wunderlich noch Tage später begeistert von ihrer Begegnung mit dem Wolf. "Das ist ein so schönes und großes Tier", beschreibt sie den Beutegreifer, während sie genau erzählt, wann und wo sie den Wolf gesehen und fotografiert hat.

Und das war so: Die Schirndingerin war am 1. Mai schon kurz nach sieben Uhr aus dem Haus gegangen und mit ihrem Auto Richtung Lorenzreuth aufgebrochen. "Ich wollte dort einen Kuchen für das Maifest abholen". Auf der Höhe von Seußen, in der Nähe der Abzweigung nach Korbersdorf sieht sie in größerer Entfernung ein Tier am Rand der Straße und verlangsamt die Geschwindigkeit. "Im ersten Augenblick dachte ich, es ist ein Reh." Doch nur einen Moment später war der Frau schlagartig klar, was da unterwegs ist: "Kein Reh und definitiv auch kein Hund!" –, sondern ein Wolf.

Sicher: Kein Hund

"Ich habe sofort angehalten. Er ist dann vor meinem Auto über die Straße gegangen, ist kurz stehen geblieben, hat direkt zu mir hergesehen und ist dann weiter gelaufen." Nur rund 50 Meter sei sie entfernt von dem Raubtier gewesen. "Bis ich allerdings dann mein Handy griffbereit hatte, um den Wolf zu fotografieren, war das Raubtier schon über der Straße und lief auf der Wiese davon." Die Schirndingerin ist sich sicher, dass das kein Hund war. Auch ein Jäger aus ihrem Bekanntenkreis, dem sie alle Fotos gezeigt hat, bestätigte sie in ihrer Vermutung.

Einen richtigen Beweis gibt es in diesem Fall aber nicht. Allerdings kann es sehr gut sein, dass ein Wolf im Fichtelgebirge unterwegs ist. Und zwar nicht nur einer, sondern sogar mehrere. Dafür gibt es ganz eindeutige Nachweise. Am 20. Februar hatte ein Wolf bei Vordorf (Gemeinde Tröstau) ein Rotwild erlegt und zum Teil gefressen. Er wurde dabei auf frischer Tat von einem Jäger überrascht, der den Wolf sogar noch an der Beute gesehen hat. Ein DNA-Abgleich brachte die Gewissheit. Es war ein Wolf. Und man kennt sogar seinen Namen. Es war GW3177, ein Rüde aus Niedersachsen.

Ranger kommt zum Einsatz

Immer wenn so etwas passiert, und es den Verdacht auf einen Wolf gibt, kommt Ronald Ledermüller zum Einsatz. Der Naturpark-Ranger dokumentiert die Vorfälle, macht Fotos und einen Abstrich an der Beute, – wenn sie dafür noch frisch genug ist. Noch nie hat Ronald Ledermüller selbst einen Wolf in freier Wildbahn gesehen, doch er sagt: "Eine Begegnung mit einem Wolf, das kann einem jederzeit überall in Bayern passieren." Und im Fichtelgebirge seien in den letzten Jahren immer wieder Wölfe gewesen. Meist einzelne und immer wieder andere.

Grundsätzlich wird jede Probe an ein Institut geschickt und ausgewertet. Man könne sich das so ähnlich wie einen Coronatest an der Bissstelle des Beutetieres vorstellen, so Ledermüller. Alle Informationen laufen dann beim Landesamt für Umwelt zusammen. In einem Monitoring werden die Daten gesammelt und veröffentlicht. So kann jeder Bürger online sehen, wo die Wölfe unterwegs sind, und manchmal ist auch klar, welches Individuum sich wo aufhält. Wie bei dem Riss in Vordorf.

Weiterer Fall bei Weißenstadt

Doch Vordorf war heuer nicht der einzige Vorfall im Fichtelgebirge. Am 23. März fand ein Spaziergänger bei Weißenstadt ein frisch getötetes, halb aufgefressenes Reh. Und inzwischen steht per Genanalyse fest: Auch das war ein Wolf. Doch nicht GW3177, der Rüde aus Niedersachen. Der war das höchstwahrscheinlich nicht. "Von ihm gibt es zu diesem Zeitpunkt Nachweise aus Südbayern, nähe der österreichischen Grenze. Das ist zu weit", erklärt Ledermüller. Der Ranger hofft, dass die genaue Genanalyse bald abgeschlossen ist und er mehr Informationen über den jüngsten Wolfsriss bekommt.

Klar ist aber schon jetzt, mindestens zwei unterschiedliche, wenn nicht sogar drei sind in diesem Frühling durch das Fichtelgebirge unterwegs. Ein Verdachtsfall im März im Raum Tirschenreuth hat sich allerdings nicht bestätigt. Warum streifen die Wölfe so weite Strecken durch das Land? Im Alter von zehn bis 22 Monaten verlassen die Wölfe die Eltern und suchen nach einem Partner und einem eigenen Territorium. Könnte sich ein Wolf auch fest im Fichtelgebirge ansiedeln? Theoretisch ja, "wenn es ihm hier gefällt", meint Ledermüller. Von seiner Lieblingsbeute, Rot- und Rehwild gebe es auf jeden Fall genug. Aber für ein festes Revier und eine Familiengründung braucht es auch eine passende Partnerin und die ist deutlich schwieriger zu ergattern als ein Mittagessen.

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Neusorg24.03.2023
Hintergrund:

Der Wolf und was ihn kennzeichnet

  • Fell: Bräunlicher, gelblicher oder rötlicher Grundton mit Grauanteil. Der Rücken ist meist dunkler gefärbt als die Bauchseite. Die Unterseite der Schnauze und die Kehle sind hell, die Rückseiten der Ohren rötlich gefärbt. Hinter den Schulterblättern hat der Rücken häufig einen hellen Sattelfleck, der durch eine dunkle Sattellinie nach hinten begrenzt ist. Die Schwanzspitze ist meist schwarz.
  • Schwanz: Kürzer als bei einem Schäferhund, im Winterfell recht buschig behaart.
  • Ernährung: Der Wolf hat ein breites Nahrungsspektrum. Es reicht von Aas über Kleinsäuger bis zu großen Huftieren. Diese sind in Mitteleuropa bei Wildtieren vor allem Reh, Rotwild und Wildschwein. Ein Wolf nutzt die für ihn am leichtesten zugängliche Nahrung. Deshalb bevorzugt er, wenn möglich, weniger wehrhafte Beutetiere (kranke und schwache Tiere). Auch unzureichend geschützte Nutztiere können zur Beute werden.
  • Gewicht und Größe: Der Wolf ist 60 bis 90 Zentimeter groß. Sein Gewicht kann unterschiedlich sein. Rüden wiegen zwischen 25 und 47 Kilo, weibliche Tiere sind leichter mit 22 bis 36 Kilo.
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