Das Video dauert 77 Sekunden und wird derzeit in den sozialen Medien und auf Whatsapp geteilt. Zu sehen ist ein Wolf, der ein Reh gerissen hat und das noch lebende Tier über einen Waldweg zerrt. Gefilmt wurde das Video in der Nacht aus einem Auto heraus. Vom Scheinwerferlicht ist der Wolf nur wenig beeindruckt. Er zieht das Reh weiter in den Wald hinein. Behauptet wird nun, dass dieses Video in einem Waldstück in der Gemeinde Neusorg aufgenommen wurde. Aber stimmt das?
Erste Anlaufstelle beim Thema Wolf ist das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg. Dort werden regelmäßig Bilder, Videos oder Berichte über Wölfe auf ihre Echtheit geprüft. So auch das vermeintliche Video aus Neusorg. Die Antwort des LfU auf die Anfrage von Oberpfalz-Medien lässt nicht lange auf sich warten. Das Video ist dort bekannt.
Zwei Nachweise im Landkreis
Gepostet wurde das Video nach Angaben des LfU bereits im Februar auf dem Facebook-Profil eines Mannes aus Genua. Dort ist das Video mit „italienischem Originalton“ abrufbar. Auf seinem Facebook-Profil teilt der Mann häufiger Videos von Wölfen, meist bei der Jagd. Aufgrund des italienischen Originaltons und der Tatsache, dass dieses Video bereits seit längerer Zeit dem LfU bekannt ist, kann davon ausgegangen werden, dass dieses Video nicht in der nördlichen Oberpfalz aufgenommen wurde.
Hinweise auf Wölfe bewertet das Landesamt für Umwelt nach bestimmten Kriterien. Unterschieden wird in drei verschiedenen Kategorien. C3-Nachweise sind nicht bestätigt und können in der Regel nicht überprüft werden. Etwa eine Sichtung ohne Bild oder Rufe. In der Kategorie C2 landen Hinweise von erfahrenen Personen, die Risse oder Spuren bestätigen können. Wolfsnachweise vom Typ C1 ergeben sich meist durch eine genetische Analyse der Speichel- oder Losungsproben oder durch Bildmaterial.
C1-Nachweise aus dem aktuellen Monitoringjahr (1. Mai 2022 bis 30. April 2023) veröffentlicht das LfU auf seiner Internetseite. In diesem Zeitraum gab es im Landkreis Tirschenreuth zwei bestätigte Nachweise. Im September wurde eine Losung, im Oktober ein Rissabstrich eines Nutztieres untersucht. Dieser Wolf war dem LfU sogar bekannt. Es ist ein männliches Tier aus der Zentraleuropäischen Population. Im Nachbarlandkreis Neustadt/WN gab es im gleichen Zeitraum acht Nachweise. Zuletzt am 10. März durch ein Video aus Hütten bei Grafenwöhr.
Keine Wolfsaktivität im Steinwald
„Aktuell ist es im Steinwald recht ruhig, was das Thema Wolf angeht“, sagt Naturpark-Ranger Jonas Ständer auf Nachfrage. In den vergangenen Wochen habe er mehrere Wildkameras, die für das Luchs-Monitoring angebracht wurden, kontrolliert. In die Fotofalle seien Luchse, Wildschweine oder Füchse getappt, Wölfe oder wolfsähnliche Tiere allerdings nicht.
Von „keinen brauchbaren Nachweisen“ spricht auch Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg. Er ist Vorsitzender im Arbeitskreis Luchs Nordbayern, gehört zum Präsidium des Bayerischen Jagdverbands und ist im Netzwerk Große Beutegreifer aktiv. Das Video habe er nicht gesehen, auch bei der Tagung des Arbeitskreises sei es nicht zur Sprache gekommen. Mehr Wolfsaktivitäten gebe es nach seinen Informationen derzeit an der tschechischen Grenze und im Fichtelgebirge.
"Nicht weglaufen"
Aber auch, wenn das Video nicht aus Neusorg stammt – Wölfe ziehen auch durch den westlichen Landkreis Tirschenreuth. „Wolfsichtungen zwischen Kulmain und Marktredwitz kommen immer mal wieder vor“, sagt Wolfgang Schödel, Revierförster in Pullenreuth. Erst vor Kurzem habe er selbst vermutlich einen Wolf auf einem Feld entdeckt.
Wie sollten Spaziergänger reagieren, wenn sie auf einen Wolf treffen? „Die Nerven behalten und ein Foto machen“, sagt Gemmingen-Hornberg. Dadurch, dass der Wolf in Mitteleuropa nicht gejagt werde, sehe er den Menschen nicht automatisch als Todfeind. Generell sei der Wolf von Natur aus vorsichtig und weiche dem Menschen aus.
Wichtigste Regel: nicht weglaufen. „Auf sich aufmerksam machen, klatschen, laut rufen und selbstbewusst auftreten“, empfiehlt Gemmingen-Hornberg. Wer mehr Abstand möchte, sollte sich langsam zurückziehen. Hunde sollten aber in jedem Fall an die Leine. Für die Zukunft sieht Gemmingen-Hornberg nur eine Lösung: „Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben und irgendwann den Bestand durch Bejagung reduzieren.“
Wolfssichtung: Was ist zu tun?
- Zur eigenen Sicherheit: Möglichst groß machen, nicht in Panik verfallen, nicht weglaufen (weckt den Jagdinstinkt), Hunde anleinen, Kinder an der Hand nehmen oder auf die Schultern setzen
- Sichtung melden: Meldeformular auf der Homepage www.lfu.bayern.de, E-Mail: fachstelle-gb[at]lfu.bayern[dot]de
- Meldung Nutztierriss: Beim Landesamt für Umwelt, Telefon 09281/1800 4640 (10 bis 16 Uhr) oder bei der örtlichen Polizeidienststelle
Quellen: Netzwerk Große Beutegreifer, Landesamt für Umwelt (LfU)
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.