Aktionskünstler, Extremkünstler oder "Superlativist": Mit diesem Anspruch hat sich Michael Werner in der Kunstwelt einen Namen gemacht. Dabei ist die Domäne von Farbe und Form eigentlich nur sein Hobby. Hauptberuflich unterrichtet der 57-Jährige an der Förderschule in Leonberg. In der Freizeit packt er riesige Platten oder gewaltige Papierrollen ins Auto und fährt damit auf Festivals. Vor Ort wird dann produziert, und zwar nicht im Kleinformat.
"Als Superlativist versuche ich, andere zu übertreffen", erklärt Werner, der heuer auch für den Zukunftspreis des Landkreises nominiert war. "Gleichzeitig übernehme ich damit einen Mechanismus unserer Gesellschaft in den Kunstbetrieb." Ein Mechanismus, der viel mit Leistung zu tun hat und mit Produktivität. Denn der Pädagoge hat schon früh begriffen, dass in der Kunst "eigentlich alles schon da ist" und die Malerei deshalb ausgedient hat - es sei denn, die Motive kommen gleich in enormer Masse daher. "Das hat sich im Lauf der Jahre als tragend herausgestellt", meint der Künstler, der nun Jahr für Jahr eine neue Herausforderung sucht.
Längst füllen die Zeitungsberichte von teils international renommierten Medien über die Aktionen von Werner zwei dicke Aktenordner. Er strahlt bei der Erinnerung an diese intensiven Zeiten, die sich in sein Gedächtnis eingegraben haben. Unvergessen ist der Reifen-Druck à la Robert Rauschenberg, den er im Jahr 2000 in der Regensburger Maximilianstraße veranstaltet hat, Reifenprofil auf Folie.
In Tübingen hat er Stierköpfe nach Picasso-Art in einem Tunnel hinterlassen, in München 28 Stunden lang am mit 16 Metern "längsten Bild der Welt" gepinselt. Mit 60 riesigen blauen Elchen auf ein mal zwei Meter großen Platten war Michael Werner beim Festival "Mitte Europas" in der Oberpfalz und Tschechien vertreten, 2004 wurden auf seine Anregung hin 10.000 Schirme für Europa aufgespannt. Auch Maxhütte hat von seinen Ideen profitiert, als mit seiner Hilfe eine betongraue Wand an der Skaterbahn dem Maskottchen "Maxi-Maus" wich.
Er selbst stand allerdings in diesem Jahr ganz schön im Regen, als er sich in Berlin mit zäher Fingerfarbe an eine Bananen-Produktion machte. 1000 Stück in 48 Stunden hatte er sich für die Dauer des Festivals vorgenommen und stieß damit an seine körperlichen Grenzen.
Durchhalteparolen
"Es muss ein Ritt auf der Rasierklinge sein, sonst verliert das Ganze an Wirkung", lautet die Devise des Extremkünstlers, der bei all der Schinderei das enorme Feedback nicht missen will. Mal gab es eine Durchhalteparole, mal zur Stärkung eine echte Banane. Ob er die 1000. Frucht schaffen würde, war lange offen, "offener als ich es mir gewünscht habe". Aber er war auch stolz, dass ausgerechnet über ihn ein Beitrag auf den Monitoren in der Berliner U-Bahn lief, immerhin war er dort nur einer von 1200 beteiligten Künstlern.
Von den Kontakten und Erlebnissen zehrt er das ganze Jahr. "Ich mache das auch nicht um Geld zu verdienen, dadurch bin ich total frei", berichtet er. In der Kunst taucht er ein in eine zweite Welt und lässt den Schulstress hinter sich. Gut, wenn es dann trotzdem mal nach einer erfolgreichen Bewerbung für ein Festival ein wenig Gage gibt.
"Wie am Fließband"
"Als Beruf wäre das zu riskant", räumt der 57-Jährige ein, der bei seiner "Fließbandarbeit" immer auch ein wenig das Scheitern im Hinterkopf hat. Ob diese Fließbandarbeit als Kulturkritik gedacht ist oder als stolzer Rekord, das überlässt er dem Betrachter.
Sein nächster Plan spuckt ihm bereits im Kopf herum. "Ein Thema begleitet mich oft über längere Zeit, wie so ein Tinnitus", hat der Künstler festgestellt, "aber wenn ich das jetzt sage, bin ich unter Druck". Und große Aktionen wollen gut geplant sein. Zweimal hat Michael Werner hinterher den Arzt aufsuchen müssen, einmal wegen tauber Finger, ein anderes Mal wegen lädierter Knie. "Malen bis der Arzt kommt", titelt da die Presse im Boulevard-Stil.
Es muss ein Ritt auf der Rasierklinge sein, sonst verliert das Ganze an Wirkung.
















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