Deutschland und die Welt
29.10.2019 - 18:24 Uhr

Merz und Merkel: Eine alte Feindschaft stellt die CDU auf die Probe

Das Ergebnis der CDU bei der Thüringen-Wahl hat Merz die Gelegenheit geboten, sich als Kanzlerkandidat zu präsentieren. Dabei geht er ein hohes Risiko ein, kommentiert Wolfgang Würth.

Kommentar von Wolfgang Würth
Friedrich Merz bringt sich als Kanzlerkandidat der CDU ins Spiel. Bild:  Christoph Schmidt/dpa
Friedrich Merz bringt sich als Kanzlerkandidat der CDU ins Spiel.

Ob sich Friedrich Merz über die Landtagswahl in Thüringen wirklich geärgert hat? Viel wahrscheinlich ist, dass er nur auf diese Gelegenheit gewartet hat, die "alte" Feindin Angela Merkel endlich angreifen und sich als Kanzlerkandidat ins Spiel bringen zu können. Aber auch wenn Merkel es Merz leicht macht, er geht ein hohes Risiko ein.

Mit der Analyse hat Merz zunächst nicht unrecht. Angela Merkel hat mit dem Amt der CDU-Vorsitzenden auch jedes Interesse an der Partei abgegeben. Es ist bezeichnend, dass sie nach dem Thüringen-Desaster einfach schweigt. Dass die CDU ihre Stammwähler nicht mehr erreicht, belegt auch die Tatsache, dass diese scharenweise zur AfD und auch zum eher bürgerlich-linken Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow überlaufen.

Merz ist aber bei weitem nicht der erste, der auf diese Probleme hinweist. Seit Jahren murrt die Basis über den vermeintlichen Links-Ruck der CDU, die Anbiederung an die Grünen oder ganz allgemein die inhaltliche Beliebigkeit, die unter Merkel in der Partei Einzug gehalten hat.

Als die Delegierten aber im vergangenen Jahr die Chance hatten, haben sie sich gegen Merz und für den Merkel-Schützling Kramp-Karrenbauer entschieden. Es mag an der konservativen Seele der Partei liegen, dass sie sich im entscheidenden Moment gegen Bruch und Revolte entscheidet. Es wäre deshalb keine Überraschung, wenn Merz wieder viel Zustimmung erhält, im entscheidenden Moment aber wieder keine Mehrheit.

 
Kommentare

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A. Schmigoner

Friedrich Merz lehnte 2018 eine Erhöhung der Renten ab, er wünscht sich lieber ein neues Rentenmodell, dass Menschen ermöglicht, auch mit „Aktien oder anderen Sparmöglichkeiten“ privat vorzusorgen. In den USA haben zig-tausende Rentner auf diese Weise (Aktienabsturz) ihre Altersvorsorge verloren.
Das ist Merz, wie man Ihn kennt: Gewinne privatisieren und Kosten der Daseinsvorsorge solidarisieren. Merz möchte vergessen machen, dass seine Politik der Privatisierung dafür ursächlich war, dass die "digitale Infrastruktur in Europa und insbesondere in Deutschland einfach völlig inakzeptabel“ ist. Der privatisierte Markt hat schlicht kein Interesse an einer flächendeckenden digitalen Versorgung der Bürger außerhalb der Ballungsgebiete. Merz steht wie kein Anderer für eine Steuer- und Wirtschaftspolitik der Deregulierungen und Privatisierung, die Forscher verantwortlich machen für die Situation, die wir jetzt weltweit beklagen. Gewinne privatisieren und Kosten der Daseinsvorsorge solidarisieren. Was aus einem gesunden Staatswesen innerhalb weniger Jahre wird, wenn der Raubtierkapitalismus losgelassen wird, kann man derzeit an Chile sehr gut studieren: Eine kleine Clique sprupelloser Investoren und Glücksritter plündern das Staatsvermögen, während die Unter- und Mittelschicht das Geld für die täglichen Grundbedürfnisse inzwischen fehlt.
Weltweit haben in den letzten Monaten die angesehensten Universitäten und Forscher den Rechtspopulismus, den zunehmenden Extremismus und deren Ursachen erforscht. Angefangen von Trump, Brexit, Orban, Le Pen, AfD, Lega Nord, PIS, Freiheitliche usw. Als Ursache für deren Wahlerfolge ermittelten die Forscher jeweils identische Ergebnisse: Die Regierenden begünstigen mit ihrer Steuer- und Wirtschaftspolitik die Globalisierung und die Finanzmärkte, und damit in erster Linie die Konzerne und die Superreichen, kümmern sich zu wenig um den Otto-Normal-Bürger und die immer mehr unter Druck geratene Mittelschicht. Die Antworten gleichen sich, egal ob sie von ehemaligen Werftarbeiter, Nordseefischern, frustrierten Bauern, Stahlarbeitern oder entlassenen Autobauern aus Detroit stammen. Viele jetzt noch gutsituierte Bürger teilen diverse Abstiegsängste, vor allem hinsichtlich der zu erwartenden Rentenhöhe und wenden sich ebenfalls von den traditionellen Parteien ab. Dass einige der neuen Parteien die Situation wohl nur noch „verschlimm-bessern“ würden, nehmen nur wenige der Wutbürger noch wahr.
Weite Teile der westlichen Bevölkerung können nicht mehr am wirtschaftlichen Aufschwung teilnehmen, während eine kleine Oberschicht extrem hohe Gewinne einstreichen kann, und zusätzlich die Staatskasse mit kriminellen Steuertricks (Cum-Ex) um Milliarden Euro prellen. Merz war an diesen schmutzigen Geschäften beteiligt, zum Schaden unseres Staatswesens, und jetzt soll dieser Mann Kanzler werden? Bleibt zu hoffen, dass er auch künftig keine Mehrheiten erhalten wird. In Deutschland gibt es eine ständig wachsende finanzielle Oberschicht, die in den vergangenen Jahren stark von der Hochkonjunktur profitiert hat, eine steuerlich hoch belastete Mittelschicht und eine frustrierte Unterschicht, die von der jahrelangen Hochkonjunktur vergessen wurde. Mit den alten Rezepten von Friedrich Merz würde erst Recht der Bock zum Gärtner gemacht werden.

30.10.2019
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