Der Mitterteicher Standort ist das zweitgrößte Werk der auf die Spezialglas-Herstellung spezialisierten Schott AG mit Stammsitz in Mainz. Die Spezialität der 1200 Mitarbeiter in der Oberpfalz ist "Tubing": Rohrglas, wie es der Kunde wünscht. Das kann dünn sein, wie jüngst für eine Bestellung von 270 000 gläsernen Trinkhalmen aus der Gastro-Branche. Technisch wären selbst 0,9 Millimeter Durchmesser möglich. Es darf aber auch fast ein halber Meter sein, etwa für Architektur und Kunst, wie der säulenartige Brunnen im Gesundheitsministerium oder Glasstelen in der Shoppingmall "The Village" in Dubai.
"Unglaubliches" Wachstum
Das Gros (80 Prozent) machen aber nach wie vor klassische Pharmaverpackungen aus, wie Ampullen, Fläschchen und Spritzen. "Jede Sekunde erhalten weltweit 1200 Menschen eine Injektion aus einem Glasbehälter - 400 davon aus einer Verpackungslösung von Schott", sagt Marketing-Direktorin Marion Pyschik. Eben dieser Pharma-Markt boomt, vor allem in China und Indien, wo der Staat zur Verbesserung der Patientensicherheit zunehmend höhere Qualitätsanforderungen stellt.
Der Mitterteicher Standortleiter Stefan Rosner spricht von einem "fast unglaublichen Wachstum" in Asien. Dem trägt Schott Rechnung. "Wir sind dabei, einen zusätzlichen Standort in China aufzubauen." Vor wenigen Wochen wurde in Jinyun County (Provinz Zhejiang) der Ansiedelungsvertrag unterschrieben. Das Investment in China werde zusätzliche Arbeitsplätze in Mitterteich schaffen, weil der gesamte Support für das Projekt und später die Steuerung von hier aus erfolgen sollen. Auch am bereits bestehenden Standort in Indien wird eine weitere Wanne gebaut. Außerhalb Deutschlands zählt Schott Tubing nur noch ein weiteres Werk: in Brasilien, zugleich ältestes Schott-Auslandswerk seit 1954.
Intelligente Wannen
Eben darin, in jahrzehntelanger Erfahrung, liegt nach Ansicht der Verantwortlichen in Mitterteich das Geheimnis, die Magie, wenn man so will. Grundsätzlich könne jeder Rohrglas herstellen. Aber: "Es ist ein harter Weg, und es gibt viele, die wieder aufgegeben haben", weiß Rosner. In Mitterteich produziert man seit 1883 Glas, zunächst Spiegelglas. Dann stieg Otto Schott ein, der mit Carl Zeiss ein Glaswerk in Jena betrieb. Schott entwickelte schon 1911 die Marke "Fiolax", ein Borosilikat-Glasrohr. Es eignet sich dank der besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften besonders gut für Fläschchen, Ampullen und Spritzen. "Fiolax" ist bis heute eines der wichtigsten Schott-Produkte.
Ab 1970 wurden große Pharma-Wannen gebaut. Heute ist Schott Mitterteich laut Rosner eines "der größten Röhrenwerke auf der Welt". Man brenne dafür, im wahrsten Sinne: In den Hallen mit den Schmelzwannen wird es gut warm. Um das letzte Körnchen Quarzsand aufzulösen sind 1500 bis 1800 Grad Celsius nötig, teils mehr. "Das ist unsere Spezialität. Das können nur wenige", sagt Marketing-Direktorin Pyschik.
Die Wannen laufen 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr. Jeden Tag liefern rund 100 Lkw die Rohstoffe, der Sand stammt großteils aus Hirschau. Für die Mischung mit Soda, Borax und Tonerde braucht es "das erste große Wissen", sagt Matthias Kick, Teilbereichsleiter Rohrproduktion. Viel Erfahrung ist nötig, später auch für die Läuterung (Entfernung von Blasen aus der Schmelze), schließlich für das Tempo der fahrenden Ziehmaschine. Kurzum: "Das hier ist eine Kunst", sagt Kick. Diese Kunst wird künftig verstärkt durch Künstliche Intelligenz. Der Schott-Konzern hat in das Schweizer KI-Startup "Nnaisense" investiert. In den Mitterteicher Schmelzwannen sammeln während der komplexen Glasherstellung Tausende von Kameras und Sensoren Terabytes von Daten. Die selbstlernende KI von "Nnaisense" kann Millionen von Berechnungen durchführen. Schott verspricht sich Erkenntnisse von der Analyse der riesigen Datenmengen.
Seit vier Jahren ist ein Ermittlungsverfahren gegen zwei ehemalige leitende Angestellte des Schott-Werks Mitterteich anhängig (wir berichteten). Dem Vernehmen nach ist ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens zumindest 2019 absehbar. Das Unternehmen hatte 2014 Anzeige erstattet. Die Ingenieure hatten im Ruhestand ein Beraterbüro gegründet und standen in Kontakt mit der Konkurrenz in China. Schott schaltete Privatdetektive, IT-Forensiker und Rechtsanwälte ein. Das Ergebnis war eine 55-seitige Strafanzeige, die im November 2014 gestellt wurde. Sechs Wochen später durchsuchte die Kriminalpolizei die Privathäuser.
Das daraus resultierende Ermittlungsverfahren lautet auf „besonders schweren Fall des Verrats von Betriebsgeheimnissen“. Darauf steht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe. Ein Problem scheint die Bewertung der sichergestellten Daten zu sein. Die Staatsanwaltschaft forderte beim Gutachter Nacharbeit ein.
In Landshut ist ein ähnliches Verfahren anhängig, dort ist bereits das Hauptverfahren eröffnet, wie Staatsanwalt Thomas Rauscher bestätigt. Die Anklage richtet sich gegen einen Ex-Mitarbeiter des Landshuter Standorts von Schott, dem gewerbsmäßiger Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in 35 Fällen zur Last gelegt wird. Verhandlungstermine sind noch nicht bestimmt.













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