Nabburg
07.08.2019 - 16:16 Uhr

Spürnase für Geschichte

Scherben – was haben sie noch für einen Wert? Wer in die Welt des Hobby-Archäologen Toni Rauen eintaucht, bekommt eine andere Perspektive: Seine Funde erschließen vergangene Zeiten und historische Wurzeln.

Die Grabungsstelle am Oberen Horster in Zangenstein: Gut sichtbar die Reste des breiten Steinkreises, der ein hallstattzeitliches Hügelgrab einsäumte. Links am Bildrand ist Toni Rauen zu sehen. Bild: exb/Engelhardt
Die Grabungsstelle am Oberen Horster in Zangenstein: Gut sichtbar die Reste des breiten Steinkreises, der ein hallstattzeitliches Hügelgrab einsäumte. Links am Bildrand ist Toni Rauen zu sehen.

Toni Rauen aus Untersteinbach (Stadt Pfreimd) kann ein Jubiläum feiern: "Seit rund 50 Jahren ist er ehrenamtlicher Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD)" erzählt der Kreisheimatpfleger für Archäologie, Kurt Engelhardt - sozusagen ein Seelenverwandter.

„Mein Interesse“, so schildert ihm Toni Rauen, „erwachte bereits in jungen Jahren, die ich in Künzing in Niederbayern zubrachte. Auf dem Speicher des von meinen Eltern gekauften Hofes entdeckte ich eine Kiste mit metallenen Funden aus der Römerzeit, die wir als Buben aus Unwissenheit als Altmetall verkauften.“ Erst später sei ihm bewusst geworden, dass es sich – was in der Umgebung von Künzing, einem alten römischen Legionslager, nicht weiter erstaunt – eben um Funde aus dieser Zeit, unter anderem um Fibeln gehandelt habe. Von da an habe ich solche Hinterlassenschaften mit ganz anderen Augen gesehen.“

Diese archäologische Neugier hat sich bei Toni Rauen bis heute erhalten und war der Grund für eine ganze Reihe von Entdeckungen. Sie sind für die Geschichte im Raum Pfreimd, wo er seit 1971 als Soldat stationiert war, von großer Bedeutung. „Dort bekam ich“, so Rauen, Kontakt zu Ernst Thomann, dem späteren Kreisheimatpfleger für Archäologie, freundete mich mit ihm an und betrachtete mich als seinen Spürhund. Das heißt, ich beobachtete ganz bewusst Erdbewegungen in Bereichen, die ich für archäologisch bedeutungsvoll hielt." So gelang Rauen im September 2000 auch die erste große Entdeckung, als er auf einer Baustelle im Untersteinbacher Johannisweg im abgeschobenen Oberboden große Keramikscherben ausmachte. Die Fundstelle entpuppte sich als Teil einer Siedlung der Urnenfelderzeit (1200 bis 800 v. Chr.) und der sich anschließenden Hallstattzeit (bis 450 v. Chr.).

„ Schon im darauf folgenden Jahr“, so Toni Rauen, „suchte ich im Süden von Iffelsdorf, dem Kapellenfeld, einen Acker nach Funden ab. Von Ernst Thomann wusste ich, dass dort mit Silexmaterial und Scherben aus der Vorgeschichte zu rechnen war. Auch da hatte ich Erfolg und stieß auf einige ausgeackerte Scherben". Das BLfD schätzte den Bereich später als Siedlung aus der Frühlatenezeit (450 bis 200 v. Chr.) ein.

Damit nicht genug: 2003 bemerkte der längst zum ehrenamtlichen Mitarbeiter des BLfD avancierte Anton Rauen beim Bau eines Wasserrückhaltebeckens nahe des Autobahnkreuzes Oberpfälzer Wald, dass beim Abschieben vorgeschichtliche Keramikscherben zum Vorschein kamen. „Ernst Thomann, Norbert Wilhelm und ich konnten dann in einer Notbergung eine ganze Reihe von Funden, vor allem Gefäßreste, aber auch Holzkohle und kalzinierte Knochen sicherstellen,“ erzählt der Hobbyarchäologe. Die Denkmalbehörde stufte die Fundstelle später als Brandgrab aus der Übergangsphase der Urnenfelder- zur Hallstattzeit (also um 800 v. Chr.) ein.

Mit Recht stolz ist Toni Rauen auch auf seine Mithilfe bei den vom BLfD initiierten und von Ernst Thomann vor Ort geleiteten jeweils mehrwöchigen Grabungen im Bereich vorgeschichtlicher Grabhügel am „Willhofer Berg“ (Luigendorf) und in Zangenstein in den Jahren 2002/2003 beziehungsweise 2008/2009, wo er und Kurt Engelhardt sich kennenlernten.

Nicht vergessen werden darf bei all den bedeutsamen Grabungen, dass Toni Rauen rund 50 Jahre lang regelmäßig Äcker nach archäologisch bedeutsamen Funden absuchte. Er beging dabei immer wieder den Bereich zwischen dem Perschener Wolfsbühl und dem Areal nördlich des Autobahnkreuzes Oberpfälzer Wald. Dort, nahe der „Wenzelleite“, wurde er sogar auf Maulwurfshügeln fündig, weil sich der „Scherer“ als Gehilfe der Archäologen betätigt und Fundmaterial an die Oberfläche befördert hatte. Eine Vielzahl von Funden machte er auch in Untersteinbach, wo er wohnt, nahe Oberpfreimd und in Iffelsdorf. So kam eine beachtliche Sammlung zustande, die Toni Rauen der Stadt Pfreimd für ihr neues Museum übergeben wird.

Trotz seiner jetzt 81 Jahre ist Toni Rauen ein „Spürhund“ geblieben. Wenn er mit seinem Hund unterwegs ist, beobachtet er aufmerksam Äcker und Wiesen. Nicht selten unternimmt er auch mit dem Auto Expeditionen rund um Pfreimd und wirft einen Blick auf Baumaßnahmen natürlich durch die archäologische Brille.

Der Untersteinbacher Toni Rauen. Bild: exb/Engelhardt
Der Untersteinbacher Toni Rauen.
Ein Teil der Funde, die im Randbereich des Wasserrückhaltebeckens im Norden von Iffelsdorf am Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald geborgen werden konnten: Fünf Tutuli und Randscherben von dünnwandigen Schalen. Bild: exb:Engelhardt
Ein Teil der Funde, die im Randbereich des Wasserrückhaltebeckens im Norden von Iffelsdorf am Autobahnkreuz Oberpfälzer Wald geborgen werden konnten: Fünf Tutuli und Randscherben von dünnwandigen Schalen.
Zwei bronzenen Knotenarmringe vom Grabhügel am „Willhofer Berg“. Typisch für die beginnende Frühlatenezeit wurden sie paarweise von Frauen als Unterarmschmuck getragen. Bild: exb/Engelhardt
Zwei bronzenen Knotenarmringe vom Grabhügel am „Willhofer Berg“. Typisch für die beginnende Frühlatenezeit wurden sie paarweise von Frauen als Unterarmschmuck getragen.
Eine Scherbe von der Wand eines kleinen Gefäßes mit für die Frühlatenezeit typischen Verzierungen in Form von Kreisstempeln und sich überschneidenden Bogenfriesen. Bild: exb/Engelhardt
Eine Scherbe von der Wand eines kleinen Gefäßes mit für die Frühlatenezeit typischen Verzierungen in Form von Kreisstempeln und sich überschneidenden Bogenfriesen.
Eine der großen Randscherben mit Fingertupfenleiste aus der Urnenfelderzeit, aufgenommen im Bürgerhaus der Stadt Pfreimd: Sie stammt von der Fundstelle in Untersteinbach. Bild: exb/Engelhardt
Eine der großen Randscherben mit Fingertupfenleiste aus der Urnenfelderzeit, aufgenommen im Bürgerhaus der Stadt Pfreimd: Sie stammt von der Fundstelle in Untersteinbach.
Diese Silices fand Toni Rauen im Süden von Iffelsdorf. Es handelt sich um Werkzeuge und Abschläge aus Jurahornstein. Sie belegen, dass in dem Bereich schon in der Steinzeit ab etwa 12.000 v. Chr. gejagt wurde. Bild: exb/Engelhardt
Diese Silices fand Toni Rauen im Süden von Iffelsdorf. Es handelt sich um Werkzeuge und Abschläge aus Jurahornstein. Sie belegen, dass in dem Bereich schon in der Steinzeit ab etwa 12.000 v. Chr. gejagt wurde.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.