"Filz beflügelt alle Sinne", so das Motto der Neualbenreutherin Anita Köstler, die das Kunsthandwerk Filzen seit 20 Jahren betreibt und längst in Perfektion beherrscht. Aber nicht nur Hüte und andere klassische Accessoires, die mit dieser Technik hergestellt werden kommen aus ihrer Werkstatt. Schon lange ist sie vom "rechten" Weg abgewichen und hat zu beiden Seiten davon Dinge gefunden, die diesem Genre nicht unbedingt zugeschrieben werden.
Eigene Interpretationen
Das ist Kunst, was da bei ihr zu Hause die Wände ziert und aus verschiedenen Fasern besteht. Filzbilder gerahmt, wie zum Beispiel das vom Tirschenreuther Weihergebiet, das dem Betrachter viel Raum für eigene Entdeckungen und Interpretationen lässt. Ihr neuestes ehrgeiziges Projekt ist ein 7,50 Meter langes und 2,80 Meter hohes Vlies, das die Leidensgeschichte Jesu Christi nachempfindet und während der Europassion 2020 den Raum vor dem Foyer im Kettelerhaus zieren wird. "Seit ich weiß, dass ich das mache, habe ich mir viele Gedanken über den Begriff Passion gemacht", sagt Anita Köstler. So stehe er im katholischen Glauben für Trauer, beziehungsweise Trauerentwicklung als Prozess. Andererseits verstehe man den Begriff aber auch als Synonym für Freude - eine Passion für etwas haben. Aus dem Grund bewege sich ihr Kunstwerk auch irgendwo dazwischen. Freude und Leid, seien quasi die Eckpunkte zwischen denen das Kunstwerk angesiedelt ist.
Symbolisierte Figuren
Das Kreuzwegleid entwickle sich Station für Station und ende mit der Kreuzigung des Sohnes Gottes. Und genau an diesem Punkt lägen Leid und die Freude sehr nahe beieinander. Auf der einen Seite der Tod, auf der anderen Auferstehung und Himmelfahrt. So betrachtet, würden von der Mystik her die Farben eine ganz entscheidende Rolle spielen, erklärt die Filzerin.
"Symbolisch werden dabei markante Figuren den Leidensweg Jesu begleiten, etwa die Gruppe von Frauen um Veronika, die dem Gequälten das Schweißtuch reicht oder die Hilfe, die ihm Simon von Cyrene zuteil werden lässt, wenn er ein Stück weit das schwere Kreuz trägt", erklärt Köstler. "Ich selbst bin eine sehr kritische Christin, habe mich immer wieder mit diesem Thema auseinandergesetzt und erkannt, dass dabei Werte eine große Rolle spielen." Es habe sich die Frage gestellt, "wie lässt sich das ausdrücken in Filz?" Da Werte stets Disziplin forderten, müsse bei Farben und Formen immer auch eine strenge Ordnung zum Ausdruck kommen. Etwa durch Räume die sich auftun, gestaltet alleine durch Farben die in die Tiefe gingen und Dreidimensionalität suggerierten.
Riesiges Farbspektrum
Um das zu erreichen sei eine recht aufwendige Technik erforderlich. Neben einem riesigen Farbspektrum von nahezu Schwarz bis fast Weiß kämen verschiedene Materialien, wie Wolle, Seide, Hanf, Torf und Holz sowie Lamberts Antik-Glasbrocken zum Einsatz. Auch Tuffsteine und Staub vom Neualbenreuther Eisenbühl seien denkbar. Die Idee zum Kunstwerk sei bei einem Theaterworkshop des Modernen Theaters Tirschenreuth entstanden. Dabei kam Anita Köstler mit dem damaligen Vorsitzenden, Florian Winklmüller ins Gespräch. "Wir sprachen über Kunst", sagt Köstler. "Hast du eigentlich schon mal über ein Kunstwerk zur Europassion nachgedacht?", habe Winklmüller sie gefragt. Sie habe intensiv nachgedacht und als Produktionsleiter Peter Geyer begeistert war von der Idee, fing sie im Juli mit der Arbeit an. Zuerst schaute sie den Raum an, nahm Maß und ordnete die Bilder, die in ihrem Kopf entstanden zu einem Vlies an. Viel gedachtes sei dabei auch wieder verworfen worden. Neben dem Vlies, das an der rechten Seite an der holzgetäfelten Wand angebracht wird, sollen auch einige wenige Stellobjekte entstehen, wahrscheinlich als Kreuzgruppe oder Kreuzformation von klein nach groß, wo ein Kreuz auch durchaus in Schräglage vorstellbar sei. "Mindestens 500 Arbeitsstunden werde ich geleistet haben, bis etwa Mitte oder Ende Februar das Werk vollendet ist", schätzt Köstler, die praktisch jeden Tag in ihrer Werkstatt daran arbeitet. Die Passion Christi transformiert Köstler auch auf ihr Alltagsleben. So sei sie in ihrer Arbeit mit Menschen oft mit großem Leid konfrontiert, erlebe sie schwer gezeichnete Menschen, die nur noch lethargisch im Bett lägen oder laut schrien. Käme dann die Erlösung durch den Tod, spüre man die Erleichterung für alle Beteiligten.
Ende auch Lichtblick
Das sei auf Golgatha nicht anders gewesen. Demzufolge sei das Ende auch immer ein absoluter Lichtblick. Es gehe natürlich um Tod und Auferstehung. Deshalb höre das Kunstwerk in ganz hellen Farben auf. Dieser Teil befindet sich dann an der gegenüberliegenden Wand und werde wohl von den meisten Besuchern erst beim Hinausgehen bemerkt. Ein Symbol dafür, dass die Leidenszeit vor Ostern mit der anschließenden Freude endet. Die Aufgabe die sich die Künstlerin selbst gestellt hat ist das Unbeschreibliche in Farbe und Form zu beschreiben. Video unter www.onetz.de/................
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