Neunburg vorm Wald
15.05.2023 - 17:27 Uhr

"Alte Canzley" eine Bereicherung für die Neunburger Altstadt

Die "Alte Canzley" ist ein Paradebeispiel: Das feine Gespür für die Sanierung eines alten, markanten Gebäudes und Mittel der Städtebauförderung greifen ineinander. Johannes Steidl öffnet das Projekt zur Besichtigung.

"Dass jemand als Privatperson so tief in die Stadtgeschichte einsteigt wie Johannes Steidl, das findet man selten", sagte Bürgermeister Martin Birner im Innenhof der "Alten Canzley", deren Sanierung im Rahmen des "Tags der Städtebauförderung" besichtigt werden konnte.

Der junge Bauherr habe nicht nur im Stadtarchiv in Amberg nach der Geschichte des alten Gebäudes geforscht, sondern auch ein Büchlein über den Werdegang des sich seit dem Jahr 1996 im Familienbesitz befindlichen Komplexes geschrieben. "Johannes Steidl ist ein Vorbild, er hat sich mit Ausdauer und Herzblut der Altstadtsanierung verschrieben und wird hier leben und als Architekt arbeiten", so Birner.

Nicht nur aufhübschen

Der Leitende Baudirektor für Städtebau an der Regierung, Hubert Schmid, betonte, dass Freistaat und Bund die Sanierung der alten Ortskerne unterstützen, aber: "Dabei geht es nicht darum, mit etwas Farbe die Innenstädte aufzuhübschen, sondern sich den Herausforderungen des gesellschaftlichen Strukturwandels zu stellen." Um der Flucht aus den alten, gewachsenen Ortskernen entgegenzutreten, setze die Städtebauförderung ein, denn: "Es geht darum, mit abgestimmten Konzepten neues Leben in die Innenstädte zu bringen." Wohnungen, Gastronomie, Ämter, Ärzte und auch attraktive Grünflächen müssten wieder in die Innenstädte gebracht werden, um sie lebenswert zu machen. "Seit 1974, als Neunburg der Städtebauförderung beitrat, sind 12,5 Millionen Euro an Zuschüssen in die Stadt geflossen, auch an Privatpersonen", stellte Schmid heraus.

In einem Rundgang durch den Gebäudekomplex konnten sich die Besucher ein Bild vom Sanierungsfortschritt machen. Dabei ließ der junge Bauherr zusammen mit seiner Gattin Sarah Fleischmann erkennen, dass er seit mehr als 20 Jahren "das Gebäude verstehen und erforschen" wolle.

Kuriose Besonderheiten

Mit interessanten Hintergrundinformationen, die einer Geschichtsstunde gleich kamen, zeigte das Paar besondere Merkmale des Gebäudes auf. Ein Metallring an der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Bohlenbalkendecke im Obergeschoss, das eine Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie beherbergen wird, diente dem Schreiber der früheren "Canzley" dazu, einen Kaffee von der Sekretärin anzufordern, indem er an der durch den Ring gezogenen Schnur zog. Eine schmale Luke in einer Wand erfüllte den Zweck, dass Zeugen bei Gerichtsverhandlungen vom Zeugenraum aus den Angeklagten durch die Öffnung erkennen und seine Schuld bestätigen konnten. In einem Vollziegel, der wie auch andere wiederverwertbare Materialien neu verbaut wurde, fand sich ein Handabdruck des Zieglers.

"Wir haben die alte grüne Tür von 1857 mit Rosetten wieder aufgerichtet und werden sie als Eingang zu unseren Büroräumen verwenden", nannte Steidl als Beispiel für die Nachhaltigkeit: "Keinen Ziegel, keinen Granitstein und keine alte Tür haben wir weggeworfen." Dabei wurde jedoch Wert darauf gelegt, Salzbildung durch aufsteigende Feuchtigkeit zu vermeiden, indem Sanierputz, Wandheizung und Sockeltemperierung zum Einsatz kamen, aber: "Wenn in der Decke ein Riss ist, dann haben wir selbstabgelöschten Kalk im Keller stehen."

Zeitkapsel im Turmboden

Angesichts der vielen wiederverwerteten Materialien und der geschichtsträchtigen Renovierung unter anderem durch ein Stück freigelegter Stadtmauer als "Schaufenster in die Vergangenheit" sprach Sanierungsbeauftragter Theo Männer großen Dank aus: "Ich habe selten so viel Gespür und Leidenschaft bei einem Bauherrn gesehen." Als Erinnerung an den Tag wurde eine Kiste mit dem Aufmaß des ursprünglichen Gebäudes, einer Silbermünze, einem ungeöffneten Brief von Bürgermeister Birner, dem Original der Nockherbergrede von Maxi Schafroth und dem Buch über 5o Jahre Städtebauförderung im Boden des Turms versenkt.

Abschließend bedankte sich Steidl bei den Fördergebern, der Stadt Neunburg, dem Landkreis Schwandorf, der Regierung der Oberpfalz, dem Bezirk und der Bayrischen Landesstiftung für die Unterstützung.

Hintergrund:

"Alte Canzley"

  • Die Burg Gürnitz stammt aus der Regierungszeit des Pfalzgrafen Ruprecht (um 1400)
  • Ende des 16. Jahrhunderts Verkauf an die Stadt Neunburg als baufälliges Gebäude
  • Umgestaltung als Amtsgebäude und Beamtenbehausung
  • 1857 Erwerb durch den Staat, Umbau zur Bezirksfronfeste, Errichtung des Zellentrakts
  • 1954 Gesundheitsamt
  • In den 70er Jahren Verwaltungsgemeinschaft
  • Seit 1996 im Besitz der Familie Steidl
  • Sanierung seit 2021
 
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