Neunburg vorm Wald
21.04.2020 - 14:50 Uhr

Das Massaker vor 75 Jahren

Es sind Verbrechen der schlimmsten und unvorstellbarsten Art. Ende April 1945 kommt es in Neunburg vorm Wald zu einem Massaker an zahlreichen KZ-Häftlingen. Für die Gräueltaten der Nazis muss später die Stadtbevölkerung büßen.

Vor den Gräueltaten der Nazis durften die Neunburger nicht die Augen verschließen: Männer, Frauen und Kinder
mussten im Friedhof an den Opfern der Todesmärsche vorbeiziehen. Archivbild: Schwarzachtaler Heimatmuseum
Vor den Gräueltaten der Nazis durften die Neunburger nicht die Augen verschließen: Männer, Frauen und Kinder mussten im Friedhof an den Opfern der Todesmärsche vorbeiziehen.

Die Einwohner von Neunburg vorm Wald hatten mit den von damaligen SS-Wachmannschaften begangenen Bluttaten absolut nichts zu tun. Im 62 Kilometer entfernten KZ Flossenbürg war zu dieser Zeit offenkundig geworden, dass die Amerikaner nahten. Wenige Tage, bevor die Befreier kamen, trieben Hitlers Schergen zahlreiche Häftlinge des Konzentrationslagers auf lange Fußmärsche in Richtung Süden. Bis heute werden sie Todesmärsche genannt.

Am 21./22. April 1945 wurden Häftlinge durch Neunburg geführt. Gepeinigt, ausgemergelt, kraftlos, verzweifelt. Wer nicht weiter konnte, starb durch Schüsse. In einem Beitrag für das 2005 im Buch- und Kunstverlag Oberpfalz erschienene Buch "Sie kommen" berichtete die Zeitzeugin Rosa Hastreiter: "Die ganze Nacht über waren Schreie zu hören. Alle paar Meter lag ein Toter". Hitlers Handlanger kannten keine Gnade. Später stellte sich heraus: Manche der Häftlinge waren auch mit Gewehrkolben erschlagen worden.

Die blutige Spur zog sich bis zum Zeitlarner Hölzl und hinauf zum Plattenberg. Mehrere Hundert der auf den Todesmarsch getriebenen KZ-Insassen büßten ihr Leben ein. An Ort und Stelle wurden viele von ihnen notdürftig verscharrt. Am 23. April 1945 erreichten US-Truppen Flossenbürg. Wenige Tage später erfuhren sie von den Massengräbern und befahlen in Neunburg eine ordnungsgemäße Bestattung der Toten.

Was danach geschah, ist ebenfalls ein Stück Zeitgeschichte. Angehörige der NSDAP mussten Särge zimmern und die Leichen ausgraben. Neunburger Bürger trugen diese Särge dann durch die Stadt hinaus zum Friedhof mussten sie abstellen und an ihnen vorbeiziehen. Sie waren dazu von den Amerikanern angehalten worden. Das Massaker an den KZ-Häftlingen und die Exhumierungsaktion von Neunburg vorm Wald gingen nach Kriegsende als Nachricht um die Welt.

Dabei wurde keinesfalls deutlich, dass die Einwohnerschaft der Stadt mit den Verbrechen nichts zu tun hatte. In dem Buch "Sie kommen!" schreibt der aus Neunburger stammende Redakteur Philipp Mardanow: "Die Bürger mussten noch Jahre dagegen ankämpfen, dass man sie nicht mit den Urhebern identifizierte."

Neunburger Bürger mussten die Särge mit den von SS-Wachmannschaften ermordeten KZ-Häftlingen zum Friedhof tragen. Sie taten das auf Weisung amerikanischer Soldaten. Die Männer und Frauen hatten allerdings mit den Verbrechen der Hitler-Schergen nichts zu tun. Bild: exb
Neunburger Bürger mussten die Särge mit den von SS-Wachmannschaften ermordeten KZ-Häftlingen zum Friedhof tragen. Sie taten das auf Weisung amerikanischer Soldaten. Die Männer und Frauen hatten allerdings mit den Verbrechen der Hitler-Schergen nichts zu tun.
Gedenken an die Opfer:

Zum 75. Jahrestag des Massakers und der Beisetzung der Opfer hält die Stadt Neunburg am 29. April ein stilles Gedenken auf dem KZ-Friedhof am Plattenberg. Laut Bürgermeister Martin Birner wird in Zeiten der Corona-Pandemie der Kreis an Teilnehmern bewusst klein gehalten. Lediglich die Sprecher der Stadtratsfraktionen, Geistliche beider Konfessionen und Heimatpfleger Theo Männer werden dabei sein, wenn die Bürgermeister einen Kranz zum Gedenken niederlegen.

Ursprünglich war an diesem Tag ein großer Gedenkakt vorgesehen gewesen, geplant durch die Stadt und gestaltet durch Schüler der Gregor-von-Scherr-Realschule. Die Gedenkansprache hätte Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Vizepräsident des bayerischen Landtags, halten sollen. Dieser hatte seine Teilnahme bereits fest zugesagt. Doch dann verhinderte die Pandemie das Vorhaben. (mp)

 
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