Neunburg vorm Wald
04.02.2024 - 08:28 Uhr

Pelzig unterhält sich mit seinen Fans über den "wunden Punkt"

Nach Corona ist die Menschheit mehr gekränkt denn je. Dennoch verlieren Frank-Markus Barwasser und sein Alter Ego Erwin Pelzig nicht die Zuversicht. Warum, das erfahren die Zuhörer bei einem Kabarettabend in der vollen Schwarzachtalhalle.

Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig: Nach der Pandemie ist er mit einem nachdenklich aber trotzdem auch heiter wirkenden Programm zurück auf der Bühne. Bild: Dita Vollmond/exb
Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig: Nach der Pandemie ist er mit einem nachdenklich aber trotzdem auch heiter wirkenden Programm zurück auf der Bühne.

"Der wunde Punkt" heißt das aktuelle Programm, mit dem Frank-Markus Barwasser am Freitagabend in Neunburg vorm Wald gastierte. Seit rund 30 Jahren verkörpert er inzwischen die von ihm ins Leben gerufene Kunstfigur Erwin Pelzig mit Cord-Hut und Herrenhandtasche, der er jetzt aus der "veränderungserschöpften" Welt erzählen lässt, in der Jeder seit der Pandemie auf seine Art irgendwie merkwürdig geworden sei. Politisch wie selten zuvor beschreibt Pelzig, dass in Wirklichkeit nach Corona nichts besser geworden ist. Denn die sogenannte Normalität mit Kriegen, Krisen und Katastrophen hätte man eigentlich gar nicht zurück haben wollen. Aber sie ist da, schlimmer als zuvor, und das mache den Menschen zurecht Angst.

Pelzig begibt sich zwischendurch auch in einen gespielten Perspektivwechsel. Er nimmt den Hut ab und schlüpft in die Rolle des Coronavirus, das im Endeffekt nichts anders macht als die Menschen selber: Es vernichtet sein Umfeld. Die Menschen zerstören ihre Welt, das Virus zerstört die Zerstörer. Und es kennt dabei kein Erbarmen, obwohl der behördliche "Meldeverzug" nach Wochenenden und Feiertagen einen anderen Eindruck erweckt. Kriege toben auch an Feiertagen.

Pelzig unterhält sich in fiktiven Konversationen mit seinem Nachbarn, dem Lutz, und mit seinen altbekannten Weggefährten Hartmut und Dr. Göbel. Dabei zeigt sich, dass sich die Menschheit angesichts der vielen Kränkungen in der Welt selbst nicht mehr richtig versteht. Es ist zum Verrücktwerden!

Nahe am Publikum

Pelzig läuft da zur Hochform auf. Er sucht immer wieder den direkten Draht zu seinem Publikum und baut mehrfach eine Stimme aus dem Hintergrund ein, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Die Schenkelklopfer bleiben zwangsläufig aus, aber heiter-komisch geht es dennoch zu. Pelzig ist schließlich geblieben wie ihn seine Fans aus der Zeit vor Corona kannten. Zumindest also eine Normalität, über die man sich wieder freut.

Mit seinem fränkischen Dialekt kommt er auch bei den Oberpfälzern an, auch wenn sie ihn mal nicht gleich verstehen sollten. Zum Beispiel, wenn er von einem Buch spricht, das es nicht mehr zu "käffen" gibt. Käffen? "Na kaufen", präzisiert er auf Nachfrage aus den vorderen Reihen und fügt selber lachend an: "Ihr Oberpfälzer sprecht doch auch nicht immer schlüsselfertig."

Klar im Kopf bleiben

Präzise und scharfsinnig wird er dann wieder in einem weiteren Rollentausch, wenn er verstehen möchte, warum junge Menschen hierzulande die Demokratie nicht mehr unbedingt als das höchste Gut ansehen. Dass sie ihre Meinung frei äußern dürfen, sei ja gut und schön. Aber klar, dadurch können sie letztlich auch nicht die gewünschte und bezahlbare Wohnung in München finden. Die Diktatur als Alternative? Keinesfalls! Wer sich darauf einlassen möchte, solle sich erst mal die Frauen vor Augen halten, die im Alltag im Iran erniedrigt werden und deshalb couragiert gegen das Mullah-Regime angehen möchten. Da werde schnell klar, was eine Demokratie - und sei sie noch so defizitär - zu bieten hat.

Pelzig gibt sich als klar denkender Stoiker, auch wenn er mal in Rage gerät und bei einem Temperamentsausbruch das Mineralwasser auf der Bühne verschüttet. Er will nicht den Besserwisser spielen, stattdessen in einer gekränkten Welt nur versöhnen, niemals spalten. Er fragt sich: Was kann der Homo Sapiens überhaupt noch tun, um sich gegen fortschreitende Kränkungen zu stemmen? Ein kleiner Lösungsansatz: Freundlichkeit bringt Barwasser über Pelzig ins Spiel. Wobei darunter nicht das oberflächliche Nett-Sein zu verstehen sei, sondern ein festes inneres Wohlwollen gegenüber der Außenwelt. Daran lasse sich zumindest persönliche Zuversicht aufbauen. Barwasser lässt Madonna zitieren: "Wer nicht sagt, was er will, bekommt auch nicht, was er möchte."

Nach gut zwei Stunden ist Pelzig mit seinen philosophisch durchsetzten Botschaften an die Menschheit fertig. Ob die Überwindung des wunden Punktes realisierbar ist oder nicht: Die kabarettistische Präsentation zeigt jedenfalls Wirkung. Sie löst nach einer "Ergänzung" - eine Zugabe gibt es bei Pelzig grundsätzlich nicht - lange anhaltenden Applaus in der Halle aus.

Hintergrund:

Frank-Markus Barwasser

  • Alter und Herkunft: 63, stammt aus Würzburg
  • Beruf: Journalist, Kabarettist und Autor
  • Erfinder der seit 1993 in seinen Bühnenprogrammen existierenden Kunstfigur Erwin Pelzig
  • Auszeichnungen: Deutscher Kabarettpreis, Salzburger Stier, Bayerischer Kabarettpreis, Bayerischer Fernsehpreis, Kulturpreis Bayern, Dieter-Hildebrandt-Preis u.a.
 
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