Neustadt an der Waldnaab
20.03.2020 - 17:48 Uhr

Besuch nur mit Balkonblick

"Wir haben Hygiene und Desinfektion auf ein Maximum hochgefahren", sagt Stefanie Schricker. Der Speisesaal im Caritas-Seniorenheim ist gesperrt, die Balkone dienen als Kommunikationsplattform mit den Angehörigen.

Um den Bewohnern im Caritas-Altenheim St. Martin ein Stück Normalität zu bieten, können sie in den Wohnbereichsküchen in kleinen Gruppen essen. Auch hier achten die Senioren selbst penibel auf den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand. Keiner möchte den anderen auch nur annähernd gefährden. Bild: exb/Stefanie Schricker
Um den Bewohnern im Caritas-Altenheim St. Martin ein Stück Normalität zu bieten, können sie in den Wohnbereichsküchen in kleinen Gruppen essen. Auch hier achten die Senioren selbst penibel auf den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand. Keiner möchte den anderen auch nur annähernd gefährden.

"Wir haben einige Bewohner mit grippeähnlichen Symptomen", sagt Heimleiterin Stefanie Schricker am Freitag. Das sei normal zu dieser Jahreszeit. "Die Mitarbeiter tun, was man bei einer Erkältung eben macht: Trinken, Fußbäder, Einreibungen..." Zur ärztlichen Versorgung telefonieren die Pflegekräfte mit den Hausarztpraxen und schildern die individuelle Situation des Bewohners. Der Arzt ordnet die entsprechenden Maßnahmen an. "Im akuten Notfall wird dann der Notarzt verständigt."

Die Senioren, die geistig noch fit sind, passen zu Corona-Zeiten untereinander gut auf, halten Sicherheitsabstand. Auch wenn sie zum Rauchen raus gehen. Besuche sind verboten. Die Tür ist nach innen verschlossen. Schricker hat schon beobachtet, wie ein Senior mit dem Rollator wartet, bis der andere draußen fertig mit der Zigarette ist. Dann macht er auf, lässt den anderen herein und zündet sich selber außen eine an.

Angehörige gehen, so oft es möglich ist, zum Seniorenheim St. Martin. Der Eingang ist für sie zum Schutz der Bewohner vor dem Coronavirus verschlossen. Aber über den Balkon können Oma und Kinder oder Enkel miteinander reden, sich sehen und sich trotz Distanz ein Stück weit nahe kommen. Bild: exb/Stefanie Schricker
Angehörige gehen, so oft es möglich ist, zum Seniorenheim St. Martin. Der Eingang ist für sie zum Schutz der Bewohner vor dem Coronavirus verschlossen. Aber über den Balkon können Oma und Kinder oder Enkel miteinander reden, sich sehen und sich trotz Distanz ein Stück weit nahe kommen.

Die Angehörigen tragen es gefasst, dass sie die Oma oder den Opa seit einer Woche nicht mehr besuchen können. Manche Bewohner sprechen vom Balkon aus mit Kindern und Enkeln. Anrufe sind jederzeit möglich. Wer kein eigenes Telefon hat, dem tragen die Pfleger den Apparat bei einem Anruf aufs Zimmer. Auch fast ausgestorbenen Kommunikationsmittel wie Briefe kommen wieder zu neuen Ehren.

"Wir haben keinen direkten Kontakt zur Oma", bestätigt Heinz Siebert. Anrufe würde seine Schwiegermutter Rita Kiermeier nicht mehr verstehen. Kleine Spaziergänge mit der 80-Jährigen wie vor der Krise sind derzeit tabu. "Aber ich bin froh, dass das zum Schutz der Senioren so ist", sagt der Neustädter. Der Kontakt mit dem Heim sei auch in der momentanen Lage gut. Die saubere Wäsche, die Ehefrau Anita für die Mutter mitbringt, wird am Eingang der Einrichtung gegen die dreckige getauscht.

Der Hauptspeisesaal des Caritas-Seniorenheimes, in dem üblicherweise die Gemeinschaftsveranstaltungen stattfinden, ist zur Sicherheit der Bewohner bis auf Weiteres für das Tagesgeschehen gesperrt. Bild: exb/Stefanie Schricker
Der Hauptspeisesaal des Caritas-Seniorenheimes, in dem üblicherweise die Gemeinschaftsveranstaltungen stattfinden, ist zur Sicherheit der Bewohner bis auf Weiteres für das Tagesgeschehen gesperrt.

Gesperrt sind die großen Gemeinschaftsräume wie der Essenssaal. "Wir versuchen so viel Alltag wie möglich zu erhalten", betont die Heimleiterin. Essen gibt es im Zimmer oder in den kleineren Wohnküchen. "Dort können wir weniger Leute mit Sicherheitsabstand gut entzerrt auseinandersetzen."

Da die Gottesdienste bis auf Weiteres ausfallen, kommen kleine Bewohnergruppen des Caritas Altenheims in der Hauskapelle zusammen, um gemeinsam mit Ruhestandsgeistlichem Pfarrer Richard Busch ins Gebet zu gehen. „Hl. Corona, bitte für uns“ spreche sie die frühchristliche Märtyrerin an, die auch Stephania genannt wir. Sie ist Patronin des Geldes, der Fleischer und Schatzgräber, aber auch gegen Unwetter und Seuchen zuständig. Bild: exb/Stefanie Schricker
Da die Gottesdienste bis auf Weiteres ausfallen, kommen kleine Bewohnergruppen des Caritas Altenheims in der Hauskapelle zusammen, um gemeinsam mit Ruhestandsgeistlichem Pfarrer Richard Busch ins Gebet zu gehen. „Hl. Corona, bitte für uns“ spreche sie die frühchristliche Märtyrerin an, die auch Stephania genannt wir. Sie ist Patronin des Geldes, der Fleischer und Schatzgräber, aber auch gegen Unwetter und Seuchen zuständig.

Das Beschäftigungsprogramm habe man entschleunigt und auf Dinge mit einem tieferen Sinn umgesiedelt, berichtet Schricker. "Wir gehen oft ins Gebet. Das sind die Menschen gewohnt, das gibt Routine." Großen Anteil hat Ruhestandspfarrer Richard Busch, der im Heim St. Martin lebt, beim Kreuzweg in der Kapelle da ist und beispielsweise Osterkerzen segnet.

Söder habe vom bayerischen Schutzschirm gesprochen, erinnerte Schricker. "Noch darüber steht unser göttlicher Schutzschirm. Darauf vertrauen wir auch."

"Die Mitarbeiter halten sich tapfer", lobt die Heimleiterin ihre Mannschaft. Es gibt keinen Anstieg der Krankheitsausfälle. "Das kann täglich anders sein." Um weiter genügend Personal für die Versorgung der momentan 75 Bewohner zu haben, braucht Schricker bei einem Corona-Verdacht einen schnellen Befund statt einer langen Quarantäne. Nur so könne sie das System im Pflegeheim aufrechterhalten.

Die Krise treffe die, die auch sonst am Limit arbeite. Stärke der Gesundheitsberufe sei, dass sie sich trotzdem engagierten, sagt die Chefin mit Hochachtung über ihr mit Schülern rund 80-köpfiges Team. "Ich brauche keinen Zwang und keine Urlaubssperre." Jeder habe signalisiert, zur Not zu kommen. Selbst eine junge alleinerziehende Mutter habe das angeboten: "Meine Kinder sind versorgt. Ich bin da."

Im Bereich der Pflege sei das schon immer so. Diese Berufsgruppe werde das auch diesmal wieder stemmen. "Jeder Küchenmitarbeiter - wir versorgen die Heime in Erbendorf und Weiden mit -, jeder Hauswirtschafter und jeder, der hier arbeitet, ist sich seiner sozialen Verantwortung bewusst."

Jeden Tag gibt Schricker eine schriftliche Info an die Mitarbeiter. Nachrichten stammen direkt von der Caritas und aus den Ministerien. Die Dokumentationspflicht habe nicht mehr Priorität eins, bezieht sich die Heimleiterin auf Aussagen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "Das Wesentliche, das, was nötig ist, schreiben die Mitarbeiter zur Gesunderhaltung der Bewohner auf, damit der Infofluss läuft."

Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel seien derzeit noch genügend im Altenheim vorhanden. Aber: Der normale Bestellweg funktioniere aktuell nicht. Noch unklar ist, wer dafür zuständig sei, Landratsamt oder Gesundheitsamt. "Die Heimaufsicht hat auf das Gesundheitsamt verwiesen." Mitarbeiter tragen Mundschutz und arbeiten im Schutzkittel. "Den Mundschutz den ganzen Tag zu tragen ist unangenehm, aber das macht jeder", hat Schricker beobachtet. Die Senioren bekommen diese Schutzmaßnahme nur im Ausnahmefall und während Pflegetätigkeiten. "Zweidrittel unserer Bewohner sind demenziell verändert und können nicht fassen, was los ist, warum sie Mundschutz tragen sollen."

Für den schlimmsten Fall gibt es einen Notfallplan, bestätigt Schricker. Außerdem habe man im Untergeschoss einen kleinen Isolationsbereich vorbereitet. "Ich persönlich habe keine Angst aber höchsten Respekt vor dieser Pandemie", sagte Schricker. Ausnahmefälle sei man seit dem Brand vor zwei Jahren gewohnt. "Wir hätten uns aber für diese Generation einen friedvollen Lebensabend gewünscht." Die Heimleiterin appelliert deshalb an die gesamte Gesellschaft, Verantwortung zu zeigen und sich an die getroffenen Einschränkungen und Maßnahmen zu halten. "Wir möchten keinen Bewohner deswegen verlieren."

Angehörige gehen, so oft es möglich ist, zum Seniorenheim St. Martin. Der Eingang ist für sie zum Schutz der Bewohner vor dem Coronavirus verschlossen. Aber über den Balkon können Oma und Kinder oder Enkel miteinander reden, sich sehen und sich trotz Distanz ein Stück weit nahe kommen. Bild: exb/Stefanie Schricker
Angehörige gehen, so oft es möglich ist, zum Seniorenheim St. Martin. Der Eingang ist für sie zum Schutz der Bewohner vor dem Coronavirus verschlossen. Aber über den Balkon können Oma und Kinder oder Enkel miteinander reden, sich sehen und sich trotz Distanz ein Stück weit nahe kommen.
 
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