Neustadt an der Waldnaab
11.03.2020 - 12:20 Uhr

Blick zurück ohne Zorn, aber mit Kritik: Kreisräte aus Neustadt/WN erinnern sich

Zehn amtierende Kreisräte wissen, dass sie dem neuen Kreistag nicht mehr angehören werden. Ganz einfach, weil sie nicht mehr antreten. Im Zorn geht keiner, manch einer gibt aber zu, dass er sich einiges anders vorgestellt hat.

Hans Roßmann hat in 42 Jahren Kreistag Erfahrungen mit Egoisten gemacht. Archivbild: gi
Hans Roßmann hat in 42 Jahren Kreistag Erfahrungen mit Egoisten gemacht.

Etliche haben sie schon vergessen, aber seit 2014 gehören Petra Dettenhöfer (CSU) aus Thurndorf und der Flossenbürger Hans Kick (SPD) dem Kreistag an. Kick hat bald schon nach der Wahl krankheitsbedingt keine Sitzung mehr besucht, Petra Dettenhöfer war pflichtbewusst in 14 von 21 Sitzungen, auch wenn sie teilweise gesundheitlich schwer angeschlagen war. Ihren Parteien dürften beide am Sonntag auch aus anderen Gründen fehlen: Beide waren Stimmenbringer.

Dasselbe gilt im besonderen Maß für einige andere Kaliber, die das Kreisparlament teils über Jahrzehnte mitgeprägt haben. Hans Roßmann (CSU) zum Beispiel. Der frühere Moosbacher Bürgermeister war 42 Jahre dabei und hat vier Landräte (Christian Kreuzer, Anton Binner, Simon Wittmann und Andreas Meier) miterlebt. "Ich will keinen herausheben, ich kam mit jedem zurecht", zieht er eine durch und durch diplomatische Bilanz.

Kirchturmdenken bleibt

Die fällt dennoch nicht ganz ohne Kritik aus. "Bei 60 Leuten und vier bis fünf Parteien gibt es mit Einigen kaum ein Miteinander", sagt der 76-Jährige. "In der Politik ist es wie überall. Es gibt Egoisten, und es gibt Leute, die in die Breite denken", fasst Roßmann seine Erfahrungen zusammen. Er selbst habe auch einiges für sein Moosbach herausgeholt, etwa als es um das Ozon-Hallenbad ging. "Ich glaube schon, dass der Landkreis zusammengewachsen ist, auch wenn im Hintergrund immer der örtliche Lokalpatriotismus vorhanden ist."

Das bestätigt zum Teil Rupert Troppmann (CSU). Der Neustädter Bürgermeister war seit 2008 Kreisrat. Er hat als Chef des Bayerischen Gemeindetags auf Kreisebene erlebt, dass Zusammenhänge und Abhängigkeiten nicht immer erkannt werden, meint aber auch: "Als Kreisrat sollte man sich die Freiheit nehmen, eigene Ideen einzubringen und durchzusetzen. Es darf bei 60 Leuten nicht alles in der breiten Masse untergehen. Die eigene Meinung ist und bleibt wichtig."

Mut zum Standpunkt bringt Stimmen, wobei wieder Hans Roßmann ins Spiel kommt. Er war nie ein Vielredner, dafür einer, der Klartext sprach. Unvergessen ist eine Klausurtagung der CSU-Kreisräte 2004 im "Kastanienhof" bei Georgenberg. Da las Roßmann dem damaligen Chef der CSU-Landtagsfraktion, Joachim Herrmann, deutlich die Leviten und sagte, was er vom Sparkurs von Ministerpräsident Edmund Stoiber hielt: herzlich wenig.

Dem Kreisverband seiner Partei hat das nicht geschadet. Im Gegenteil. "2014 wollte ich schon aufhören, aber Georg Stahl und Andreas Meier haben mich doch überredet." Roßmann kandidierte ganz hinten auf der Liste und wurde prompt von Platz 60 auf 25 vorgewählt.

"Silberrücken" wirkt nach

Seine eigene Haltung hat auch Rupert Troppmann nie unter den Tisch gekehrt. Unvergessen ist seine Kritik an der Wirtschaftsförderung des Landkreises vor zwei Jahren im Kreisausschuss. Das brachte ihm eine brachiale Retourkutsche von Landrat Andreas Meier ein, der Troppmann einen "Silberrücken" nannte, dessen Zeit zum Abdanken gekommen sei. Meier hat sich mittlerweile dafür entschuldigt, bei einigen Kreisräten ist der Silberrücken aber noch präsent. Den zitierte etwa Rudolf Götz (CSU). Der Kohlberger Bürgermeister gab verärgert den Verzicht auf eine erneute Kreistagskandidatur bekannt, weil er mit dem angedachten Listenplatz nicht einverstanden war.

Beruf kommt in die Quere

Die Kritik an Troppmann via Facebook stößt auch Thomas Schopf (Freie Wähler) in der Rückschau sauer auf. Er machte sechs Jahre mit und hört aus beruflichen Gründen auf. "Ich leite das Geschäftszimmer der Polizeiinspektion Kemnath. Im Schichtdienst konnte ich leichter weg zu Sitzungen", erklärt der Grafenwöhrer.

Ähnliche Gründe für den Verzicht auf eine weitere Periode führt Johannes Püttner (CSU) an. Der Schlammersdorfer will sich ganz auf seinen Betrieb konzentrieren. Zu dem gehört neben einer Brauerei auch ein Hotel und der Gasthof. Alles in allem ein Unternehmen mit 50 Beschäftigten. Die Brauerei wächst. Sie stößt mittlerweile pro Jahr über 8000 Hektoliter Bier aus, dazu kommen Limonaden. Püttner freut, dass er 18 Jahre mitwirken konnte, das Radwege- und Straßennetz im Landkreis auszubauen. "Auch beim Tourismus haben wir einen Sprung nach vorne gemacht." Schopf war vor allem im Ausschuss für Wirtschaft und Ost-West-Angelegenheiten aktiv. Ihm bleibt die harmonische Arbeit in der Fraktion im Gedächtnis. An den neuen Kreistag hat er einen Wunsch: "Die Krankenhausversorgung in der Region muss so erhalten bleiben."

Dazu könnte Helmuth Wächter (SPD) ein Lied singen. Der ehemalige Grafenwöhrer Rathauschef saß seit 1984 im Kreistag. "Die Sache mit den Kreiskrankenhäusern lief von Anfang an nicht zufriedenstellend. Ich hoffe, dass mal alles bekannt wird, was vorgefallen ist." Was genau? "Näheres will ich nicht sagen." Dennoch geht Wächter nicht im Zorn. "Es waren 36 schöne Jahre, die ich nicht missen möchte." Der Zusammenhalt sei gut gewesen, er sei mit den Landräten Binner, Wittmann und Meier gut ausgekommen. Eine Kandidatur für diesen Posten habe ihn nie gereizt. "Mein Grafenwöhr war mir immer das Wichtigste." Bei einer Kampfabstimmung um den Posten als stellvertretender Landrat unterlag Wächter allerdings nach dem Tod von Willi Neuser gegen Andreas Meier. Als Höhepunkt bleibt ihm der Beschluss zum Gründerzentrum Grafenwöhr in Erinnerung.

Bürger immer kritischer

Auch Wächter verkneift sich eine Prise Lokalpatriotismus nicht. "Ich habe dem Simon Wittmann immer gesagt: Der Landkreis-Westen macht alles selber. Du musst nur noch zur Einweihung kommen", flachst er. Der Sozialdemokrat schätzt, dass der neue Kreistag es einerseits leichter haben wird als die Kommunalpolitiker kurz um die Jahrhundertwende. "Es ist einfach wieder mehr Geld vorhanden." Andererseits seien da die Wähler. "Der Bürger ist heute viel kritischer."

Weitere ausscheidende Kreisräte sind Max Müllhofer (CSU, Pleystein) und Josef Hierold (CSU, Moosbach).

Helmuth Wächter bedauert manche Entscheidung zu den Kreiskrankenhäusern. Archivbild: exb
Helmuth Wächter bedauert manche Entscheidung zu den Kreiskrankenhäusern.
Rupert Troppmann vermisst manchmal eine Portion Mut zum eigenen Standpunkt. Bild: Petra Hartl
Rupert Troppmann vermisst manchmal eine Portion Mut zum eigenen Standpunkt.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.