Neustadt an der Waldnaab
01.03.2019 - 16:52 Uhr

Hohe Verantwortung für die Meldeämter

Wo werden nach dem Wegfall der Grenzkontrollen die Pässe überprüft? Die Verantwortung liegt jetzt bei den Meldebehörden, mahnt die Grenzpolizei die 38 Bürgermeister im Landkreis zu größter Aufmerksamkeit.

Hauptkommissar Manfred Maier von der Grenzpolizei Waidhaus demonstriert den Bürgermeistern das Dokumentenprüfgerät. Es zeigt innerhalb weniger Sekunden an, ob ein Ausweis in Ordnung oder gefälscht ist. Laut Maier wäre es sinnvoll, dass jede Kommune oder Verwaltunsgemeinschaft über ein derartiges Gerät verfügt. Es kostet rund 1400 Euro. Der Deutsche Städtetag hat die Länder schon vor einem Jahr aufgefordert, alle Kommunen so schnell wie möglich mit den Prüfgeräten zur Feststellung gefälschter Identitäten auszustatten. Bild: ms
Hauptkommissar Manfred Maier von der Grenzpolizei Waidhaus demonstriert den Bürgermeistern das Dokumentenprüfgerät. Es zeigt innerhalb weniger Sekunden an, ob ein Ausweis in Ordnung oder gefälscht ist. Laut Maier wäre es sinnvoll, dass jede Kommune oder Verwaltunsgemeinschaft über ein derartiges Gerät verfügt. Es kostet rund 1400 Euro. Der Deutsche Städtetag hat die Länder schon vor einem Jahr aufgefordert, alle Kommunen so schnell wie möglich mit den Prüfgeräten zur Feststellung gefälschter Identitäten auszustatten.

"Dokumenten-Prüfung bei den Meldebehörden" - hinter dem bürokratisch klingenden Tagesordnungspunkt in der Bürgermeisterversammlung am Mittwoch in der Stadthalle versteckte sich ein brisantes, spannendes Thema. Hauptkommissar Manfred Maier von der Grenzpolizeiinspektion Waidhaus - sie ist auch für den Landkreis Schwandorf zuständig - erinnerte zunächst an die Erweiterung des Schengenraumes zum 21. Dezember 2007. An allen Straßenübergängen zu Deutschland seien die Grenzkontrollen weggefallen.

Seitdem finde in einem grenzenlosen Europa die Passkontrolle bei den Meldebehörden in den Rathäusern statt, machte der Grenzpolizist deutlich. Oft sei den Verantwortlichen in den Kommunen nicht bewusst, welche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und auch welcher Schaden damit verbunden sei. "Die Meldestellen sind die Schlüsselstelle, um aus der Illegalität in die Legalität zu kommen." Beim Meldeamt bekomme der EU-Bürger die Meldebescheinigung und dadurch ein von Amts wegen offiziell ausgestelltes Dokument, das den Schluss zulasse, dass die dort vorgelegten Papiere echt seien oder waren. Werde ein gefälschtes Dokument vorgelegt, entstehe eine neue Identität.

Problematisch sei, dass viele Daten gespeichert würden, aber bei EU-Bürgern kein Lichtbild. Dagegen sei zur Feststellung der Echtheit und Identitätsfeststellung aller deutschen Staatsangehörigen ein Foto hinterlegt.

Wie handeln visumsfreie Drittstaatler, die in Deutschland illegal arbeiten oder leben wollen? Albaner, Serben, Ukrainer, Georgier oder Moldawier zum Beispiel könnten das Kurzaufenthaltsrecht in Anspruch nehmen, verriet der Hauptkommissar. Das bedeute visumsfreie Einreise und Aufenthalt bis zu 90 Tage innerhalb 180 Tagen. Vorteile für Straftäter: Sie können mit Originaldokumenten einreisen, melden sich aber mit gefälschten, europäischen Dokumenten bei den Behörden an. Die elementäre Ausweisprüfung gehe zum Teil ins Leere, bedauerte Maier. Der Einreisende spreche die Nationalität des Dokuments, ein Moldauer beherrsche rumänisch, ein Serbe kroatisch.

Anhand mehrerer Beispiele zeigte der Referent auf, wozu eine falsche Identität dient: Identitätswechsel wegen eines bestehenden Haftbefehls, unberechtigte Inanspruchnahme von Freizügigkeit in der EU, einschließlich der Aufnahme einer Tätigkeit, Beantragung von Sozialleistungen unter falschen oder Mehrfachidentitäten sowie die Nutzung einer Falschidentität, um gezielt Straftaten begehen zu können, zum Beispiel Kfz-Verschiebung, Betrug bis hin zu Terrorismus. "Alle Terroristen, die zum Beispiel in Paris oder Brüssel zugeschlagen haben, hatten eine falsche Identität", mahnte der Polizist zu Vorsicht. Für 200 Euro erhalte man einen rumänischen Pass. "Mit dem geht man zur Gemeinde und wird angemeldet als Europäer."

Wie gehen diese Leute vor? Sie zeigen ge- oder verfälschte Dokumente her

Flüchtlinge geben zum Beispiel bei der Registrierung abweichende Personalien an, ohne ordnungsgemäße Dokumente vorzulegen

Nutzung gestohlener ober überlassener Personal- und Reisedokumente nach dem Ähnlichkeitsprinzip (Ausweismissbrauch) zur Erlangung von Echtdokumenten

Vorlage abweichender Lichtbilder im Antragsprozess für Personal- und Reisedokumente.

Die Polizei bleibe nicht untätig, kam Maier auf die Initiative Behördenfahndung zu sprechen. Diese sei in ihrer Art in Deutschland einmalig und umfasse Kontaktaufbau und -pflege zu Melde- und Ausländerämtern sowie Führerschein- und Zulassungsstellen, Schulungsmaßnahmen, aber auch Beratung, Sensibilisierung und Unterstützung. Das habe sich in Neustadt sehr gut eingespielt. Von November 2017 bis Dezember 2018 seien 263 Dokumente überprüft worden, Dabei seien 10 Fälschungen festgestellt worden. Die Personalien stimmten nicht mit den Personen überein. Zurzeit seien im Landkreis Neustadt 2098 nichtdeutsche EU-Bürger gemeldet.

Die ausländischen Straftäter sind für einen immensen wirtschaftlichen Schaden verantwortlich. Er betrage pro Dokument zwischen 20 000 und 55 000 Euro, rechnete Fachmann Maier vor. Allein in Bayern sei der Schaden 2017 auf bis zu einer knappen halben Milliarde Euro geschätzt worden.

Um den Sozialbetrug zu bekämpfen und zu verhindern, dass sogenannte Gefährder unerkannt bleiben, schlägt die Polizei ein ganzes Maßnahmenbündel vor:

persönliches Erscheinen der Neubürger bei der Meldebehörde

Unterstützung der Mitarbeiter beim Erkennen von ge- und verfälschten Ausweispapieren durch Aus-und Fortbildung

sicheren Datenaustausch zwischen Meldebehörde und Polizei, zum Beispiel mittels Cloud

Beschaffung von Dokumentenlese- und Prüfgeräten

Nutzung des Dokumenten-Informations-Systems

in jedem Bereich Ausbildung von Dokumentenspezialisten.

Fallbeispiele:

Eine Streife der Verkehrspolizei Regensburg kontrollierte am Rastplatz Pentling einen tschechischen Skoda. Der Fahrer wies sich mit einem echten rumänischen Personalausweis aus. Die Beamten entdeckten im Geldbeutel acht totalgefälschte rumänische Identitätskarten. Sie waren jeweils mit dem gleichen Lichtbild, aber mit unterschiedlichen Personalien versehen. Darüber hinaus hatte der Mann fünf italienische Kreditkarten dabei. Bei mindestens sieben italienischen Gemeinden hatte er eine Steuernummer beantragt, um Bankgeschäfte vornehmen zu können.

Die Polizeiinspektion Fahndung (PIF) Waidhaus hält einen mit zwei Rumänen besetzten Pkw an. Der Fahrer zeigt einen gefälschten Führerschein vor, die Beifahrerin einen totalgefälschten Personalausweis. Sie ist moldawische Staatsbürgerin. Mit dem Ausweis ist eine Person in Düsseldorf gemeldet. Da es sich aber um eine Rumänin handelt, sind beim dortigen Einwohnermeldeamt im Gegensatz zu deutschen Staatsangehörigen keine Lichtbilder vorhanden. Eine Verifizierung ist, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand möglich.

Bei der Gemeinde Weiherhammer melden sich drei Kroaten an. Die Verwaltungsangestellte überprüft die kroatischen Ausweise, alle sind total gefälscht. Tatsächlich waren die Männer Serben, die in Deutschland illegal im Baugewerbe arbeiteten.

Ein angeblicher Bulgare ließ sich bei der Marktgemeinde Waidhaus registrieren. Laut Melderegister hatte er zuvor seit 1995 in Bottrop gewohnt. Der Angestellten kam es merkwürdig vor, dass der Bulgare kein Wort deutsch sprach und die Stadt Bottrop nicht kannte. Deshalb schaltete sie die PIF ein. Die Experten erkannten: Der Ausweis war sehr gut gefälscht.

Schon vor sechs Jahren quartierte sich eine Familie aus Aserbaidschan mit drei Kindern im Landkreis Cham ein. Die Fremden waren legal mit Visum eingereist. Auf anraten ihres Schleusers meldeten sie sich mit falschen Personalien an und beantragten Asyl. Erst als der Vater beim Fahren ohne Führerschein erwischt wurde, flog der Schwindel auf. Die Familie erschlich sich Sozialleistungen von 100 000 Euro. Die richtigen Dokumente lagen im Eisschrank.

 
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