Es herrscht Aufbruchsstimmung bei den Grünen: Annalena Baerbock ist Kanzlerkandidatin der Partei, und aktuelle Umfragewerte zeigen, dass ihre Chancen gar nicht schlecht stehen, die Nachfolge von Angela Merkel anzutreten. In Baden-Württemberg regiert mit Winfried Kretschmar seit 2011 ein grüner Ministerpräsident. In zehn weiteren Bundesländern stellen die Grünen einen stellvertretenden Regierungschef. Mit 38 Abgeordneten ist Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag die zweitgrößte Fraktion. Doch sind die Erfolge auf Bundes- und Landesebene eigentlich in der Region und in den Kommunen zu spüren?
„So langsam wird allen klar, dass mit den Grünen auf Bundesebene zu rechnen ist“, sagt Laura Weber, Sprecherin vom Kreisverband Weiden. Die Auswirkungen auf die kommunale Politik seien eher ein längerer Prozess. „Natürlich hilft es uns auf kommunaler Ebene, wenn etwa im Landtag eine starke Fraktion der Grünen sitzt. Das haben wir zuletzt bei der Diskussion um das geplante Gewerbegebiet Weiden West IV deutlich gesehen“, meint die Weidener Stadträtin.
Spürbarer Zuspruch
Auch der Kreisverband Neustadt/WN sieht sich im Aufwind: „Die bevorstehenden Wahlen zeigen uns, dass der Zuspruch zu grüner Politik stark gewachsen ist. Das spüren und hören wir auch hier im Landkreis sehr deutlich. Unsere Mitgliederzahlen entwickelten sich schon in den letzten Jahren kontinuierlich nach oben. So war der Landkreis Neustadt/WN 2020 einer der Kreisverbände mit den höchsten Zuwachsraten in Bayern“, erklärt Sprecher Martin Völkl.
Großes Wachstum bei den Mitgliedern kann der Kreisverband Weiden bisher nicht verzeichnen. Etwa zu Beginn der Corona-Pandemie hatte der Kreisverband Weiden noch 40 Mitglieder. „Dann kam ein kleiner Einbruch, zwei Stadträtinnen (Sonja Schuhmacher und Gisela Helgath, Anm. d. Red.) sind ausgetreten, der ein oder andere ist weggezogen“, erklärt Weber. Von 32 ist die Mitgliederzahl inzwischen wieder auf 35 gewachsen.
Im Kreisverband Neustadt entwickeln sich die Mitgliederzahlen konstant nach oben, teilt Sprecher Martin Völkl mit. „Aktuell haben wir im Wahlkreis 235 (Tirschenreuth, Neustadt/WN und Weiden, Anm. d. Red.), der ja für die kommende Bundestagswahl interessant ist, etwa 150 Mitglieder. Allein der Kreisverband Neustadt konnte seine Mitgliederzahl innerhalb eines Jahres um knapp 30 Prozent steigern“, erklärt er. Der Kreisverband hat derzeit 44 Mitglieder, zwei weitere Personen haben einen Antrag auf Aufnahme gestellt.
Den beiden bestehenden Ortsverbänden Windischeschenbach und Parkstein sowie der Ortsgruppe Speinshart bescheinigt er seit deren Gründung ein tolles Wachstum. 18 Mitglieder sind darin organisiert. „Wir müssen bedenken, dass beispielsweise der Ortsverband Parkstein erst Ende 2019 mit vier Personen gegründet wurde“, heißt es vonseiten des Kreisverbands. Die Entwicklung sei sehr gut, und die Kommunalwahl habe gezeigt, dass die Ortsverbände in ihren Kommunen sehr aktiv sind. Ob es Planungen für weitere Ortsverbände gibt, wird nicht verraten. „Wir haben einiges in Vorbereitung, aber darüber werden wir zu gegebener Zeit informieren“, erklärt Völkl.
Bald eine „Grüne Jugend“?
„Vor allem junge Menschen haben derzeit Interesse bei uns mitzumachen. Das muss sich noch nicht mal in einem Parteibeitritt äußern. Ein leichter positiver Trend ist da, und wir hoffen, dass das auch so weitergeht“, gibt sie sich optimistisch. Passend dazu gibt es schon Gespräche über die Organisation einer „Grünen Jugend“. „Es gab im Kreisverband Weiden schon einen Umbruch, zum Teil war der auch erzwungen. Wir haben uns im Vorstand deshalb auch breit aufgestellt und uns auch verjüngt“, erklärt die 37-jährige Stadträtin.
Klimaschutz ist ein großes Thema für die Grünen, auch in der Region. „Auch die Gesundheitsversorgung in der Fläche sowie der ÖPNV und die Radinfrastruktur im Landkreis sind beispielsweise zentrale Themen. Der ländliche Raum braucht einen ÖPNV, der auch Menschen ohne Auto Mobilität ermöglicht“, sagt Völkl. Weber nennt für Weiden neben einem Mobilitätskonzept auch Themen wie die Digitalisierung der Schulen oder sozialen Wohnungsbau als zentrale Punkte. „Wie wollen die sozialen und ökologischen Themen angehen und stehen mit unserer Stadtratsfraktion Grün-Bunt-Weiden (zusammen mit der Linken, Anm. d. Red.) für anti-diskriminierende und anti-faschistische Politik“, erklärt die Stadträtin.
Kritik: Inzwischen zu angepasst
Gisela Helgath war 30 Jahre lang bei den Grünen in Weiden, saß für die Partei im Stadtrat und war Landtagskandidatin. Im Juni 2020 trat sie aus der Partei aus. Sie konnte sich nicht mehr mit ihr identifizieren. „Die Grünen sind inzwischen sehr angepasst an das, was die Regierung vorgibt. Sie sind keine echte Opposition mehr, hinterfragen Entscheidungen nicht genug und fordern zu wenig ein. Die Grünen haben als Opposition versagt“, meint sie. Ein Vorwurf, den sie auch den Kommunalverbänden macht.
Zwar stünden die Grünen noch immer für Klimapolitik, aber gerade wenn es um die Corona-Politik geht, zeigt sich Helgath auch auf kommunaler Ebene enttäuscht. Den Kreisverbänden traut sie dennoch eine positive Entwicklung zu: „Ich glaube schon, dass die Grünen bei uns langfristig vom Hoch im Bund profitieren werden.“ Sie könnte sich auch vorstellen, dass „der ein oder andere Posten abfällt“, wenn es für die Grünen gut läuft. Für Klimapolitik und grüne Inhalte mache sie sich im Stadtrat weiterhin stark, betont sie, nur mit der Partei identifiziere sie sich nicht mehr.
Starke Frauen für die Grünen
Die Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin gibt den Grünen auf lokaler Ebene Aufwind. Es herrscht Aufbruchsstimmung in Weiden und im Kreis. „Alleine die Nominierung von Annalena Baerbock hat uns ein Mitgliederwachstum um fünf Prozent beschert. Mit Anne Droste haben wir eine starke Frau als Direktkandidatin für den Bundestag und leben dadurch auch hier die Gleichberechtigung“, teilt Völkl mit. Für Laura Weber wurde mit Baerbock eine geeignete Kandidatin gefunden: „Beide wären gut gewesen. Ich finde es klasse, dass es eine Frau ist. Ich halte sie für unglaublich kompetent. Vielleicht ist nach der Amtszeit von Angela Merkel noch kein Ende der Ära mit einer Bundeskanzlerin an der Spitze in Sicht.“
- Kreisverband Weiden: 35 Mitglieder, zwei Sitze im Stadtrat
- Kreisverband Neustadt/WN: 44 Mitglieder, vier Sitze im Kreistag
- Ortsverband Windischeschenbach: 8 Mitglieder, zwei Sitze im Stadtrat
- Ortsverband Parkstein: 7 Mitglieder, zwei Sitze im Marktgemeinderat
- Ortsgruppe Speinshart: 3 Mitglieder, ein Sitz im Gemeinderat
So langsam wird allen klar, dass mit den Grünen auf Bundesebene zu rechnen ist
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