Die gebürtige Neustädterin Renate Bhacca verbringt heuer ihr erstes Weihnachtsfest in Ghana - Mit der Oberpfalz eng verbunden
Renate Bhacca ist eine waschechte Oberpfälzerin, hat sich aber bald zu einer wahren Globetrotterin entwickelt. Neustadt an der Waldnaab - München - USA - Ghana lauten die wichtigsten Stationen in ihrem 75-jährigen Leben, die unterschiedlicher und damit spannender nicht sein könnten. Seit diesem Jahr lebt sie fest in Ghana, genauer gesagt in Accra, der Hauptstadt des Landes. Somit erlebt sie heuer auch ihr erstes Weihnachtsfest an der Atlantikküste Westafrikas, das natürlich nicht zu vergleichen ist mit den Feierlichkeiten in der westlichen Welt. Dennoch gibt es - abgesehen vom Klima - viele Gemeinsamkeiten zu den Traditionen in ihrer alten Heima
ONETZ: In den Supermärkten hierzulande stehen bereits im September die ersten Lebkuchen in den Regalen. Gefühlt befindet man sich nach dem Sommerurlaub schon auf der Zielgeraden hin zu Weihnachten. Wie halten es die Ghanaer mit der Vorfreude auf das „Fest der Liebe“?
Renate Bhacca:: Bei der Hitze und der kräftigen Brise vom Meer ist es schwierig, um diese Zeit an "Weihnachten" zu denken. Allerdings sehe ich seit ein paar Tagen künstliche, bunte Bäume und Girlanden im großen indischen Kaufmarkt. In Ghana gibt es erst seit kurzem einen soliden Mittelstand. Hier steht das Konsumdenken noch nicht so sehr im Vordergrund wie in der westlichen Welt.
Das Christentum - und damit Weihnachten - kam erst mit den Missionaren hier an. Die sehr reiche Oberschicht feiert Weihnachten mit Geschenken und gutem Essen und vielen Partys. Je nach Stamm haben sich auch viele traditionelle Gebräuche mit denen des Christentums vermischt. So richtig fangen die Feiertage und die Feste um den 20. Dezember herum an und dauern bis Anfang Januar.
ONETZ: Was macht deine Liebe zu Afrika und im Speziellen zu Ghana aus?
Renate Bhacca:: Afrika, vor allem Westafrika, hat mich schon von Kindheit auf fasziniert.
Ich habe ständig Bücher der Forscher und Abenteurer gelesen: Berichte von Isabella Bird, Mary Kingsley, David Livingstone, Henry Morton Stanley, Heinrich Barth usw. waren über Jahre meine faszinierende Lektüre.
In den 60er Jahren an der Universität in München habe ich die ersten Afrikaner kennengelernt. Einer meiner besten Freunde, King Ampaw aus Ghana, ist Filmemacher. Die Regisseure Werner Herzog und Reiner Werner Fassbinder sowie Schauspieler Klaus Kinski zählten zu seinen Mitarbeitern und Freunden.
Ich hatte King Ampaw einer Freundin in München vorgestellt. Nach ihrer Hochzeit zogen sie zusammen nach Ghana. Während dieser Jahre entstand in mir der Wunsch nach einem Afrika-Besuch. Erst 2011 sollte es aber zum ersten Mal dazu kommen.
Ich war sofort von der Kultur, den Traditionen, der Bevölkerung sehr angenehm beeindruckt.
ONETZ: Ist für dich Deutschland Heimat oder sind es die USA oder bereits Ghana? Und vermisst du Dinge aus den jeweils anderen Kulturen?
Renate Bhacca:: Das Gefühl "Heimat" ist sehr stark in mir mit Oberbayern, der Oberpfalz und dem Bayerischen Wald verbunden. Ich hatte den großen Vorteil, dass ich seit dem Tod meines zweiten Mannes und nach dem Verkauf meines Restaurants "Black Forest" sehr oft dort sein konnte und durfte. Meine Leidenschaft ist Trekking und Wandern, was ich in diesen Heimaturlauben sehr gerne mache.
In den USA fühlte ich mich sehr wohl in den herrlichen, weiten Landschaften.
Einige wenige verbliebene Freunde fehlen mir, jedoch war es mir möglich, hier in Ghana sehr schnell Anschluss zu finden.
ONETZ: Zurück zu Weihnachten. In Deutschland gehen immer weniger Menschen an Weihnachten in die Kirche. Wie ist das in Ghana?
Renate Bhacca:: Es gibt in Ghana circa 71 Prozent Christen - Katholiken, Protestanten und Anhänger der charismatischen Religion. An allen Ecken findet man eine " Kirche", das heißt Leute kommen zum Beten und Singen zusammen - Tag und Nacht, jeden Tag, jede Nacht.
An Weihnachten beten und singen die Menschen wochenlang, zudem ziehen Prozessionen durch die Straßen.
Im Dezember beginnt überdies die große Kakao-Ernte, ein Haupterwerbs-Zweig für Ghana, deshalb ist Weihnachten gleichzeitig eine Art von Erntedankfest.
ONETZ: Wie verhält es sich im Speziellen mit Bräuchen und Essensgewohnheiten rund um das Weihnachtsfest?
Renate Bhacca:: In Ghana spricht man über 66 verschiedene Sprachen, man hört dann Weihnachtslieder und Choräle in all diesen Sprachen bei den Umzügen und in den Kirchen, und die Gemeindemitglieder tragen ihre traditionellen Gewänder.
Weihnachtsbäume sind nicht üblich, denn das Geld wird eher für Essen ausgegeben.
Erst seit kurzem hat Ghana eine solide Mittelschicht, die Mehrheit der Bevölkerung ist noch sehr arm. Traditionelles Weihnachtsessen ist Ziegenfleisch, Lamm und Tilapia mit Fufu, ein gestampfter, kohlehydratreicher Brei aus Cassava, vermischt mit getrockneten grünen Plantanen.
Die Kinder bekommen Schokolade und Plätzchen. Geschenke gibt es nur in der gehobenen Bevölkerungsschicht. Die Schulkinder fertigen gerne Krippen, meist aus
Palmenästen und Palmenzweigen. Der Nikolaus heißt hier "Papa Bronya" und wurde von den Missionaren aus dem Westen eingeführt.
Im Dezember beginnt auch die Hauptreisezeit für die Ghanaer innerhalb des eigenen Landes und für diejenigen Ghanaer, die im Ausland wohnen. Sie kommen aus allen Ecken der Erde und bringen Geld und Geschenke für ihre - oft armen - Familien mit.
Dieses Jahr dürfte ein Rekordjahr werden, denn hier gibt es derzeit nur wenige Covid-Fälle, und es haben sich bereits enorm viele Besucher aus den USA angesagt, vor allem Afroamerikaner.
ONETZ: Wie verbringst du die Feiertage und den Heiligen Abend?
Renate Bhacca:: Ich werde wohl in Accra bleiben. Es kommen viele Besucher aus USA und Großbritannien. Im "One Corner Garden", dem Restaurant meines Sohnes Ezra, haben sich bereits viele Gäste angesagt. Hier werden täglich Partys gefeiert, die oft die Nächte durchgehen. Das geht so bis Mitte Ende Januar.
ONETZ: Vermisst du nicht das viel besungene „White Christmas“? Oder gar knackige Minusgrade à la Oberpfalz sowie Punsch und Plätzchen in der warmen Stube?
Renate Bhacca:: Ja, weiße Weihnachten habe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt. Ich muss sagen, dass es mich sehr wehmütig stimmt, denn viele gute Erinnerungen hängen damit zusammen und eine Sehnsucht danach bleibt immer! Vielleicht klappt es ja doch noch einmal... nach Covid!
Ghana
Ghana liegt in Westafrika am Golf von Guinea und grenzt an die Elfenbeinküste, Burkina Faso, Togo sowie an den Golf von Guinea. Hier leben auf einer Fläche von rund 240000 Quadratkilometern mehr als 30 Millionen Menschen. Die Geschichte des Staates ist mit dem Vereinigten Königreich Großbritannien seit der Kolonialzeit eng verbunden. Die Hauptstadt Ghanas, in der Renate Bhacca seit Januar lebt, ist die Millionen-Metropole Accra.
In Ghana sind die Mehrheit der Bevölkerung Anhänger eines christlichen Glaubens. Zum Vergleich: In Deutschland gehören rund 50 Prozent der Bevölkerung einer der beiden großen Konfessionen an.
"Das Globetrottern steckt mir im Blut"
Von "Neistadl" in die weite Welt: Renate Bhacca lebt nach den Stationen Deutschland und USA jetzt in Ghana
Renate Bhacca, gebürtige Grünberger, ist viel herumgekommen in der Welt. Nach Kindheit in Neustadt an der Waldnaab und Studium in München siedelte sie nach USA über und betrieb in Baton Rouge (US-Bundesstaat Louisiana) jahrelang erfolgreich ihr Restaurant "Black Forest". 2020 folgte sie ihrem Sohn Ezra nach Ghana, wo sie nun in der Hauptstadt Accra lebt. "Das Globetrottern steckt mir im Blut", sagt die 75-jährige.
1945 in Neustadt an der Waldnaab geboren, baute Renate nach Schulstationen in Weiden und in der Salesianerinnen-Klosterschule Pielenhofen bei Regensburg schließlich ihr Abitur im Gymnasium bei den Armen Schulschwestern am Anger in München.
Praktikum beim "Neuen Tag"
Das Fernweh war schon immer in ihr verankert, was die Oberpfälzerin erstmals als Jugendliche ausleben konnte, und zwar sechs Monate lang als Au-pair bei einer persischen Familie im französischen Lausanne. Nach dem Abi ging's weiter nach München, wo Renate Zeitungswissenschaft und Soziologie mit Schwerpunkt Rassismus sowie amerikanische Literatur und Geschichte (Americanistic) studierte. Im Rahmen ihres Studiums absolvierte sie Ende der 1960er Jahre unter anderem auch ein halbjähriges Praktikum in der Redaktion von "Der neue Tag". "Ich war damals das einzige weibliche Wesen und die Herren machten mir das Leben schwer", erinnert sie sich an eine vornehmlich von Männern dominierte Berufssparte.
Während des Studiums in München besucht Renate Grünberger auch erstmals die USA - Michigan, Philadelphia, Florida und später Louisiana. Nach ihrem Amerikanistik-Studium ging die damals 27-Jährige nach Louisiana, eigentlich nur aus Neugier und um das Studium zu vertiefen - unter anderem das Thema Rassismus.
"Black Forest" in Baton Rouge
Hier lernte sie auch ihren ersten Ehemann kennen - und 1975 kam ihr Sohn Ezra zur Welt. Nach Abschnitten in den USA und in München zog Renate schließlich 1977 fest nach Louisiana und arbeitete unter anderem in der dortigen Universitäts-Bibliothek. 1987 bot sich ihr die Gelegenheit, das einzige deutsche Restaurant in Baton Rouge zu eröffnen. Das "Black Forest" (zu deutsch: Schwarzwald), mitten im Geschäftsviertel der Hauptstadt des US-Bundesstaats Louisiana gelegen, führte sie rund 22 Jahre mit großem Erfolg.
Ghana besuchte die Globetrotterin zum ersten Mal im Jahr 2011, damals noch als Touristin. Da sich Renates Sohn Ezra in der langjährigen Wahlheimat seines Vaters aber schnell heimisch fühlte, dorthin übersiedelte und in der Hauptstadt Accra mit dem "One Corner Garden" ebenfalls ein eigenes Restaurant eröffnete, zog es auch die Oberpfälzerin regelmäßig nach Westafrika.
Im vergangenen Jahr dann entschied sie sich ebenfalls, fest in Ghana zu bleiben, verkaufte ihr Haus in den USA und genießt seither ihr Leben in der Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole an der Atlantikküste. (puh)
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