(ui) "Wir sind durch ein Tal gegangen. Die Schlüsselindustrien Glas und Porzellan sind weggebrochen", beschreibt Lothar Höher die Situation des Wandels, aus dem neues Selbstbewusstsein gewachsen ist. "Denn dann haben wir angepackt. Das zeichnet die Oberpfalz aus", so der stellvertretende Bezirkspräsident. 2,6 Prozent Arbeitslosigkeit seien Zeichen einer sensationellen Gemeinschaftsleistung.
Als Blaupause, wie man den Strukturwandel bewältigen könne, bezeichnete Landtagsabgeordnete Annette Karl die Stadt. Mit Erwin Huber habe sie sich im Wirtschaftsausschuss geeinigt, dass die Nordoberpfalz die größte Aufsteigerregion in Bayern sei.
Tirschenreuth, Neustadt und Weiden seien eine gemeinsame Region, die anfange zu blühen, ergänzte Weidens Oberbürgermeister Kurt Seggewiß. "Wenn wir hören, dass wir die dynamischste Region in Bayern sind, dann bin ich stolz." Eine Absage an eine Großkommune seiner Gemeinde mit Neustadt trotz guter kommunaler Zusammenarbeit gab Altenstadts Bürgermeister Ernst Schicketanz. Ohne Alten-Stadt gebe es Neu-Stadt gar nicht. "Bis 1927 hatte Neustadt nicht einmal eine eigene Pfarrei", blickte er schmunzelnd in die Geschichte zurück.
Das Museum beherberge eine Glasschale, die sonst nur noch der jordanische König und Franz-Josef Strauß bekommen hatten, wies der Vorsitzende des Museumsvereins Bernhard Knauer auf weiteres ungewöhnliches Stück der Schau neben dem Handschuh von Kaiser Karl IV. hin. Aus der damit besiegelten Schenkungen an Wäldern halfen die Neustädter "in christlichem Mitleid" mit zwei bis drei Bäumen vom Biberberg für jeden "Abbrändler" 1714 nach einem großen Brand in Waldthurn, erinnerte der Vorsitzende der Corporationswaldung, Hermann Schmid. "Danke im Nachhinein für die Aufbauhilfe Ost in Erinnerung an die Brandleider", schmunzelte Bürgermeister Josef Beimler aus der Lobkowitz-Gemeinde Waldthurn zwei Diskussionsrunden später.
Zuvor erinnert der 1939 geborene Feuerwehrmann, Bademeister, Rentner, Brotbäcker und vielfaches Vereinsmitglied Hans "Strutz" Völkl an die Geschehnisse der jüngeren Geschichte vom Einmarsch der Alliierten über die Wohnungsnot bis zu den Glasmachern, mit deren stadtprägendem Wirken.
Aus der Maschine
Nicht ganz glücklich mit dem Festgeschenk war der ehemalige Gloserer Karl Schmidberger aufgrund des weitgehenden Niedergangs dieser Handwerkskunst. "Beim Kerzenhalter geht mir das Herz eigentlich nicht auf, weil er aus der Maschine kommt." Wiederbelebt worden sei die Zoiglkultur von "Waldhauser" und "Brucksaler" zu Beginn des Jahrtausends, sagte Wirt Michael Lang.
Er habe nie ein böses Wort von einem Neustädter gehört, wie es andernorts geschehe, freute sich Günther Langhammer über die Reaktionen nach seiner Aufarbeitung der Nazizeit in der Stadt. Er berichtete, dass in nur einem Jahr in dieser konservativen Stadt die Stimmung gekippt sei und dann die NSDAP das Sagen gehabt und das durchgezogen habe, was sie überall tat.
Um Schulen - "in der Mittelschule fehlt noch ein kleines Eckchen, dann sind die Schulen am Kulturhügel topp saniert" (zweiter Bürgermeister und Schulreferent Heinrich Meier) - samt Musikschule (Stadtkapellmeister Karl Wildenauer), Feuerwehr (Kommandant Michael Spranger) und DJK (Vorsitzender Wolfgang Schwarz) sowie Kunst (Ernst Umann) ging es in der Runde Kultur/Vereine. "Aus der alten Schießstätte ist eine Kunststätte geworden mit Menschen, die dort wilde Dinge in Form von Andersartigkeit tun", beschrieb Erlangens Stadtbaumeister Josef Weber den künstlerischen Ansatz des lange Zeit Gerüchte umwobenen Vereins Hausfluss, dem er vorsteht.
Rote Socken
Moderator Jürgen Meyer führte Jaroslav Fürst von Lobkowitz als Tausendsassa ein. Der Nachkomme des Geschlechts, das Neustadt fast 250 Jahre regiert hatte, lebte lange in München, ist mit einer Französin verheiratet und Chef einer Sauerkrautfabrik in Krimice zwischen Waidhaus und Pilsen. 1986 sei er erstmals in die damals am Eisernen Vorhang gelegene Stadt gekommen. "Jetzt liegt sie mitten in Europa. Das ist für alle ein riesen Vorteil." 15 Jahre saß der Fürst im tschechischen Parlament, zum Festkommers kam er mit roter Krawatte und roten Socken. "Das hat nichts mit meiner politischen Gesinnung zu tun", antwortete er auf Meyers Frage. "Ich kenne jemanden, der heißt Schwarz und ist ein Roter."
Den auch für sie selbst überraschenden musikalischen Schlusspunkt des offiziellen Programms setzte Petra Bieber. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Neustadt in Europa nahm Meyers Wink auf und sang aus dem Stehgreif die Europahymne. Zuvor hatte sie den Verzicht von Bürgermeister Rupert Troppmann auf das diesjährige Neustadt-Treffen zugunsten von Nowe Miasto nad Pilica als weitsichtige Entscheidung gelobt. "Das hat uns die Tür nach Polen und Europa aufgemacht."
Als Schirmherr wolle er für gutes Wetter während der Festwoche sorgen, hatte Landrat Andreas Meier angekündigt. Für bewusst fast unmerkliche und dadurch gelungene musikalische Untermalung beim Festkommers zeichnete Nico Dick mit dem dreiköpfigen Ensemble "Newtown Lounge" verantwortlich.
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