Eigentlich war Renate Kollers Lebensweg schon vorbestimmt. Geboren und aufgewachsen in den 1970er Jahren, Kindheit, Schule, Ausbildung, Ehe, eigene Kinder, Haus. Ein normales, typisches Leben. So hat sie es selbst für sich erwartet. Doch dann kam vieles ganz anders.
Schuld war eine Arbeitskollegin. Die ersten Jahre ihres Lebens verliefen ganz wie erwartet. Nach der Schule machte sie eine Büro-Ausbildung in einem Betrieb. Schloss diese erfolgreich ab und wollte anschließend dort weiterarbeiten. Doch der Firma ging es wirtschaftlich nicht so gut: "Ich war das schwächste Glied. Da war ich die Erste, die ausgestellt wurde. Ich war dann erst mal so richtig planlos." Aber Renate Koller hatte einen Traumberuf: Flugbegleiterin.
Alles erreichen können
Ein Beruf, der für sie jedoch absolut unerreichbar schien. "Ich hatte einfach nicht den Gedankenhorizont, dass ich mir klar gewesen wäre, dass ich selbst dafür zuständig bin, dass ich alles werden kann. Dass ich alles erreichen kann, wenn ich es nur will." Das änderte sich in dem Moment, in dem ihr eine Arbeitskollegin eine einfache Frage stellte: "Ja warum solltest du das denn nicht werden können?" Durch diesen Satz sei ein Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden.
Seitdem hat sie ihr Leben selbst in die Hand genommen und die Chancen ergriffen, die sich ihr geboten haben. "Man muss nicht immer das machen, was die anderen von einem verlangen. Man muss auch ausbrechen und das machen, was einem Spaß macht. Man muss aber auch mal einen schwierigen Weg gehen, wenn man sein Ziel erreichen will." Um ihr Ziel, Flugbegleiterin zu werden, zu erreichen, musste sie einige Hürden überwinden. "Man musste mindestens zwei Fremdsprachen fließend sprechen und Auslandserfahrung haben." Aus der Schule konnte sie zwar etwas Englisch, aber das reichte nicht. "Dann hab ich zufällig eine Anzeige in der Zeitung gelesen, dass jemand ein Au Pair in Boston suchen würde." Dahinter steckte eine ehemalige Ambergerin, die in den USA bereits als Flugbegleiterin arbeitete. "Also bin ich für ein Jahr da rüber."
In die USA und nach Irland
Beinahe wäre Koller dann gleich in den USA geblieben und dort Flugbegleiterin geworden. "Mir hat es dort schon sehr gut gefallen." Aber der Aufwand, eine Green-Card zu bekommen, war in dem Moment dann doch zu hoch. Also ging es nach dem Jahr in Boston zurück in die Heimat. Dort lief es dann auch erst mal nicht wie geplant weiter. Denn statt eine Lösung für die zweite Fremdsprache zu finden, wartete hier ein Arbeitsangebot vom Arbeitsamt auf sie. Ihre Englischkenntnisse und die Auslandserfahrung waren hier gleich der entscheidende Grund für das Angebot: Der Hauptsitz und die Geschäftsleitung des neuen Arbeitgebers waren in Irland.
Auch wenn ihr die neue Arbeit sehr gut gefallen hat, der Traumberuf war noch nicht aufgegeben. Spanisch sollte die zweite Fremdsprache werden. Also kündigte sie die sichere Arbeitsstelle und ging für drei Monate auf eine Sprachenschule in Spanien. "Dort wurde nur Spanisch gesprochen. Das war schon hart, aber so musste man sich wirklich mit der Sprache beschäftigen." Anschließend ging es an die Bewerbung als Flugbegleiterin.
"Einfach neu probieren"
Koller musste einen mehrtägigen Einstellungstest bestehen. Und am Ende stand die erhoffte Anstellung bei einer großen Fluglinie. Das Ziel war erreicht und sie konnte als Flugbegleiterin durch die Welt fliegen. Auf die Frage, was sie gemacht hätte, wenn sie ihr Ziel nicht erreicht hätte, hat sie eine klare Antwort: "Es ist doch auch nix kaputt, wenn mal etwas nicht klappt. Dann einfach zurück und nochmal neu probieren. Oder was anderes machen."
Die nächsten Jahre jettete sie als Flugbegleiterin durch die Welt. Die damals noch deutlich längeren Zwischenaufenthalte nutzte sie, um Länder zu entdecken. "Für meinen ersten Langstreckenflug durfte ich mir ein Ziel wünschen." Es ging nach Rio de Janeiro. In den folgenden Jahren ging es in viele Länder. Helikopterflüge über Rio, Schlittenhunde-Fahrten in Anchorage, die Kontraste zwischen Arm und Reich in Indien sind ihr besonders im Gedächtnis geblieben.
Dritter großer Neustart im Leben
"Etwas anderes machen" kam dann früher als erhofft. "Aus gesundheitlichen Gründen musste ich sehr schweren Herzens nach fünf Jahren aufhören." Der dritte große Neustart im Leben der damals nicht einmal Dreißigjährigen stand an. Es ging zurück in die Heimat als Geschäftsleitungssekretärin. Dann folgten ein paar Jahre "normales Leben", Ehe und Kinder. Den Job erst in Teilzeit und dann ganz beendet: "Mit den Kindern war mir das dann doch irgendwann zu viel."
Aktuell lebt sie mit ihrem Mann und einem ihrer Kinder in einem Haus in der Nähe von Nittenau (Landkreis Schwandorf). Davor steht der Bulli, daneben traben die vier Pferde der Familie auf der eigenen Weide. Hauptberuflich ist Renate Koller inzwischen bei einer lokalen Gemeindeverwaltung angestellt. Arbeitet dort in Teilzeit – eine Woche Arbeit, eine Woche frei. Nebenberuflich hat sich Renate Koller einen Namen als Pferde- und Hundefotografin gemacht, fotografiert auf Reit-Turnieren und macht arrangierte Fotoshootings. Ihr eigener Bildstil kommt gut an. "Ich habe immer alle Bilder gekauft, die von meiner Tochter auf Reit-Turnieren gemacht wurden. Aber das ging irgendwann ziemlich ins Geld. Also hab ich mir gedacht, das kann ich auch selbst." Sowohl die Bearbeitung, als auch das Fotografieren hat sie sich weitestgehend selbst beigebracht.
Auch wenn sie etwas ruhiger geworden ist, besonders weil ihre Familie ihre Abenteuerlust nicht teilt, ist Renate Kollers Freude am Reisen geblieben. "Aber ich war halt schon immer ein kleiner Globetrotter." Also ist sie alleine losgezogen. War in Australien, hat Araberpferde in Ägypten fotografiert und Islandpferde auf Island. "So ein- bis zweimal im Jahr fahre ich alleine los." Wenn sie die Reiselust packt, auch mal ganz spontan von einem Tag auf den anderen.
Mit dem Bulli unterwegs
Vor wenigen Jahren hat sie sich dann noch einen anderen Lebenstraum erfüllt: Sie war mehrere Monate alleine mit dem Bulli unterwegs. "Ich wollte mich schon immer mal ins Auto setzen und dorthin fahren, wo es schön ist. Einfach frei sein." So ist sie fast drei Monaten lang durch Südeuropa gefahren. Über Österreich, Italien und Frankreich nach Spanien. Zwischendrin kam ihr Mann für eine Woche dazu. Aber die meiste Zeit war sie allein unterwegs. "Aber ich hab' nicht wirklich meine Ruhe gefunden. Ich wollte zu viel sehen."
Für das kommende Jahr sind auch schon die ersten Reisen geplant. "Im Mai wird es wahrscheinlich wieder nach Polen gehen. In die Hohe Tatra. Ich liebe die Landschaft dort." Und im Frühsommer soll es mit anderen Fotografen nach Island gehen – Pferde und die Lupinenblüte fotografieren.
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