Oberbibrach bei Vorbach
30.09.2019 - 12:30 Uhr

Auf Stationen-Weg durch 900 Jahre Ortsgeschichte

Ein rauschendes Fest zum 900. Geburtstag? Fehlanzeige. Die Oberbibracher feiern ihr Ortsjubiläum bescheiden und dennoch geschichtsbewusst - und mit vielen Gästen.

Rund um das Bodendenkmal des ehemaligen Burggrabens mit der Dorfkirche als Ausgangspunkt verläuft der geschichtsträchtige Stationen-Weg, den die Oberbibracher aufgebaut haben. Bild: do
Rund um das Bodendenkmal des ehemaligen Burggrabens mit der Dorfkirche als Ausgangspunkt verläuft der geschichtsträchtige Stationen-Weg, den die Oberbibracher aufgebaut haben.
Empfangen werden die Gäste von der Verwandtschaft des Ortsgründers: Konrad von Dachau (Andreas Pieleck) und Adelheit von Wartpech (Susanne Williams) begrüßen die Besucher bei der Zeitreise in das 12. Jahrhundert. Als "Reiseleiter des 21. Jahrhunderts" fungiert Sigurd Burucker. Der versierte Heimatpfleger wird von einer Brandschützerin in historischer Feurwehruniform begleitet. Bild: do
Empfangen werden die Gäste von der Verwandtschaft des Ortsgründers: Konrad von Dachau (Andreas Pieleck) und Adelheit von Wartpech (Susanne Williams) begrüßen die Besucher bei der Zeitreise in das 12. Jahrhundert. Als "Reiseleiter des 21. Jahrhunderts" fungiert Sigurd Burucker. Der versierte Heimatpfleger wird von einer Brandschützerin in historischer Feurwehruniform begleitet.
Das Besucherinteresse beim Rundgang ist riesengroß. Bild: do
Das Besucherinteresse beim Rundgang ist riesengroß.
Im Dorfmuseum stellt Heinrich Schatz (links) die alten Schätze Oberbibrachs vor. Bild: do
Im Dorfmuseum stellt Heinrich Schatz (links) die alten Schätze Oberbibrachs vor.
Auf großes Interesse stoßen die Ausstellungsstücke der Feuerwehr. Bild: do
Auf großes Interesse stoßen die Ausstellungsstücke der Feuerwehr.
Bei Kaffee und Kuchen können sich die "Jubiläumsgäste" im Frauenbund-Raum im alten Schulhaus entspannen. Bild: do
Bei Kaffee und Kuchen können sich die "Jubiläumsgäste" im Frauenbund-Raum im alten Schulhaus entspannen.

Eigentlich hatten die „Biwricher“ allen Grund, es richtig krachen zu lassen. Eine "Veste Bibra" findet schon im Jahr 1119 in der Gründungsurkunde des Klosters Michelfeld Erwähnung, ein „Rupertus de Bibra“ ist mit seiner Burg Bollwerk gegen räuberische Überfälle aus dem Land der Franken. Erst einige Jahrzehnte später ist die Klostergründung Speinsharts nachweisbar, und auch die Stadt Eschenbach muss bei dieser stolzen Geschichte mit ihren Gründungsdaten hintanstehen.

Der Hobby-Historiker Sigurd Burucker machte die Geschichte von Oberbibrach zum 900. Geburtstag des Ortes zum großen Thema. Ein Stationen-Weg rund um das Bodendenkmal des ehemaligen Burggrabens informierte mit Bildern, Textbeiträgen und ergänzenden Erläuterungen des Heimatpflegers über das Wohl und Wehe der Herren von Bibrach. Burucker war bei dieser Tour nicht alleine: Zahlreiche Geschichtsinteressierte begleiteten den belesenen Oberbibrach-Experten - so viele, dass eine zweite Gruppe mit Evy Schmid als Begleiterin gebildet wurde.

„Liebe Leut, so lasst Euch sagen, was sich hier hat zugetragen“, begrüßte Sigurd Burucker die circa 100 Gäste. Schon zu Beginn der Geschichtswanderung erwartete die Besucher eine besondere Überraschung: Quasi eine Zeitmaschine versetzte die Kulturbeflissenen zurück in das zwölfte Jahrhundert - sie wurden von den Erben des Ortsgründers begrüßt. Konrad von Dachau (Andreas Pieleck) und Adelheit von Wartpech (Susanne Williams) freuten sich über die Gäste aus dem 21. Jahrhundert.

Im wahrsten Sinn des Wortes erkundeten die Besucher dann Schritt für Schritt den Burggraben, erlebten Ortsgeschichte und erfuhren von den Höhen und Tiefen der "Biwricher" Adeligen. Der Rundgang endete mit Hinweisen zum Abbruch der Burg im Jahr 1685 und zum Spatenstich für die spätmittelalterliche Saalkirche im Jahr 1761.

Seine Fortsetzung fand der historische Stationen-Weg rund um das alte Schulhaus: Im Dorfmuseum waren die gesammelten Schätze der Ortschaft zu bewundern. Stellvertretend für weitere Helfer stand Heinrich Schatz Rede und Antwort. Im Treppenhaus luden Originalutensilien von anno dazumal, Dokumente und plakative Informationen dazu ein, ein Stück Geschichte Oberbibrachs zurückzuverfolgen.

Draußen im schattigen ehemaligen Schulhof loderte das Feuer im Dorfbackofen: Die ersten Besucher warteten schon auf „mittelalterliche“ Leckereien. Auch das Dreibein-Kochen mit offener Feuerstelle muss gelernt sein. Der Verein „Selwa gmacht“ demonstrierte mit Helfern des Schützenvereins und der Feuerwehr das Ausbuttern. Viele Besucher durften sich über ein "Pakerl" frischer Bauernbutter freuen - zum knusprigen Bauernbrot eine Delikatesse. Der Katholischen Frauenbund beglückte die Gästescharen mit Kaffee, Torten und Kirwakuchen.

Stets umlagert waren die Attraktionen der Feuerwehr: Die Brandschützer zeigen den Festbesuchern unter anderem eine historische Handdruckpumpe der Wehr von 1886. Zu den außergewöhnlichen Ausstellungsstücken gehöret auch eine Feuerwehrleiter, Baujahr 1904. Auf großes Interesse stieß auch der Fendt-Schlepper F 18, Baujahr 1937, von Andreas Bauer.

Zum Rahmenprogramm gehörte am späten Nachmittag ein Cello-Konzert in der Expositurkirche St. Johannes Evangelist und am Abend eine Kirchenführung mit Pater Benedikt Schuster.

Im Blickpunkt:

Ein Artilleriebeschuss und seine Folgen

Die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erlebte Oberbibrach in aller Dramatik noch wenige Tage vor Kriegsende. Auch die Geschichte der Beschießung des Dorfes war bei der 900-Jahr-Feier nachzulesen: „Als am 19. April 1945 die amerikanischen Truppen auf Vorbach und Oberbibrach zu rückten, schossen ortsfremde, junge preußische Fahnenjunker in beiden Orten auf amerikanische Aufklärungsflugzeuge, die ganz langsam über den beiden Ortschaften kreisten. In Oberbibrach hatte der Fleischbeschauer Georg Schneider, als er auf seinem Motorrad zu einer Fleischbeschau nach Vorbach unterwegs war, auf Höhe der Bierkeller in der Martergasse diese jungen Soldaten noch händeringend davor gewarnt, auf die Flugzeuge zu feuern, 'sonst würde doch der ganz Ort vernichtet'. Diese antworteten ihm: 'Ach, was schert uns euer Kaff, bei uns zuhause hat man auch unsere schönen Villen zerschossen.'

Kaum hatten die aggressiven SSler ein paar Schüsse auf die Flieger abgefeuert, begann auch schon die Beschießung Oberbibrachs und Vorbachs. Durch Panzer- und Artilleriefeuer gingen die Dörfer in Flammen auf. Ortsfremde deutsche SS-Soldaten verhinderten bereits zuvor das Ausbringen der weißen Fahne auf dem Kirchturm.“ Das Fazit des Beschusses war blutig und fatal: Fünf unschuldige Oberbibracher kamen wegen verblendeter junger deutscher Soldaten ums Leben. Auch Ortspfarrer Pater Augustin Johann Hilburger wurde Opfer der Tragödie.

 
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