Oberpfalz
29.06.2018 - 17:19 Uhr

Konfessionen vereint in der (Platz-)Not

Nicht immer war das Zusammenleben von katholischen und evangelischen Christen friedlich. Im Simultaneum teilen sie die Kirchen – mancherorts auch heute noch.

Die Kirche von Altenstadt bei Vohenstrauß ist eine von nur zwei verbliebenen Simultankirchen im Landkreis NEW. Harald Mohr
Die Kirche von Altenstadt bei Vohenstrauß ist eine von nur zwei verbliebenen Simultankirchen im Landkreis NEW.

Als im Jahr 1729 die Simultankirche St. Johannes Baptist in Altenstadt bei Vohenstrauß frisch geweißelt wurde, ließ der katholische Pfarrer den Spruch „Heiliger Johannes, unter deinen Schutz fliehen wir“ mit aufmalen. Ein Affront gegenüber dem evangelischen Pfarrer, denn die evangelischen Christen kennen keine Heiligenverehrung. Und so ließ der Mit-Hausherr den Spruch alsbald wieder überpinseln. Heute eine witzige Anekdote, zumal die Verhältnisse in Altenstadt für die damalige Zeit geradezu hochmodern waren.

Denn immer noch galt allgemein der Grundsatz „cuius regio, eius religio“, oder, frei übersetzt: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Ganz anders sah das Pfalzgraf Christian August, der von Sulzbach aus „Pfalz-Sulzbach“ regierte. Überall repräsentierten Landrichter, Pfleger und Landschreiber die „landesherrliche Obrigkeit“ der Sulzbacher. Neben dem Amt Sulzbach waren dies auch die Ämter Parkstein-Weiden, Floß, Vohenstrauß und Pleystein, mithin große Teile des heutigen Landkreises Neustadt/WN sowie die Stadt Weiden. Durch die Einführung des Simultaneums nach dem Dreißigjährigen Krieg im Jahr 1652 gelang Christian August erstmals ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Konfessionen. Doch jetzt reichte der Platz nicht mehr, und die beiden christlichen Konfessionen mussten sich vielerorts Kirche und Pfarrhaus teilen.

Die Toleranzpolitik des Pfalzgrafen umfasste übrigens nicht nur die christlichen Konfessionen, sondern auch den jüdischen Glauben. Deshalb findet man in unserer Gegend auch einige Judenfriedhöfe, so in Sulzbach-Rosenberg, in Floß oder in Weiden.

1791 wurde Pfalz-Sulzbach zusammen mit dem Stammland Pfalz-Neuburg mit der „Oberen Pfalz“ zusammengelegt. Der Regierungssitz war fortan Amberg, wo schon vorher die Regierung der Oberen Pfalz war. Im 19. Jahrhundert drangen Katholiken in die Region ein. In den Simultankirchen, etwa der Michaelskirche in Weiden, wurde es eng, was dazu führte, dass die Katholiken den Bau eigener Kirchen forderten.

So geschehen etwa in Weiden und Vohenstrauß. Im Jahr 1900 wurde die Weidener Josefskirche eingeweiht. Im Jahr 1929 mit kriegsbedingter Verzögerung die ebenfalls neu erbaute Stadtpfarrkirche in Vohenstrauß.

Bei der Kirche in Altenstadt hat man schließlich, wenn auch reichlich spät, einen Kompromiss gefunden. Als man bei der Renovierung im Jahr 1994 die übermalte Schrift fand, einigte man sich auf die Formulierung: „Heiliger Gott, unter Deinen Schutz fliehen wir“ und restaurierte die Schrift eben leicht abgewandelt.

Info:

Der Simultankirchen-Radweg

65 Simultankirchen in Deutschland dienen den Gläubigen beider christlicher Konfessionen gleichzeitig. Die meisten (29) liegen in Rheinland-Pfalz, 19 in Bayern, und davon 9 in der Oberpfalz. Rund um Sulzbach-Rosenberg findet man die meisten: Fürnried, Frankenhof, Götzendorf, Illschwang, Kürmreuth, Niederärndt bei Edelsfeld und Eschenfelden. Aber es gibt auch jeweils eine in Altenstadt bei Vohenstrauß (Landkreis Neustadt/WN) und Wildenreuth bei Erbendorf (Landkreis Tirschenreuth). Dabei sind das nur die, welche aktuell noch als Simultankirchen in Betrieb sind.

Zehn Rund-Radwege in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Neustadt/WN und Tirschenreuth verbinden mindestens drei aktive oder ehemalige Simultankirchen miteinander und laden auf diese Wiese zu deren Besuch sowie inniger Auseinandersetzung mit dem Glauben ein. Insgesamt verbinden alle Radwege zusammen 49 Kirchen und historische Orte. Die Rundwege haben eine Streckenlänge von 23 bis 47 Kilometern.

Zu jeder Route gibt es ein „Roadbook“, das im Internet unter www.simultankirchenradweg.de abgerufen werden kann. Darin steht neben einem Kartenausschnitt, welche Objekte entlang der Route zu sehen sind, ein Höhenprofil und eine ausführliche Beschreibung der Route. (moh)

Für Gläubige beider christlicher Konfessionen werden in Illschwang Gebetsbücher bereitgehalten. Harald Mohr
Für Gläubige beider christlicher Konfessionen werden in Illschwang Gebetsbücher bereitgehalten.
In Illschwang weist dieses Schild auf die Simultankirche hin. Harald Mohr
In Illschwang weist dieses Schild auf die Simultankirche hin.
Info:

Stationen des Simultankirchenradweges: St. Jakobus in Wildenreuth

Zehn Rund-Radwege in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Neustadt/WN und Tirschenreuth verbinden mindestens drei aktive oder ehemalige Simultankirchen miteinander und laden zum Besuch sowie Auseinandersetzung mit dem Glauben ein. Insgesamt verbinden alle Radwege zusammen 49 Kirchen und historische Orte. Die OWZ stellt in den nächsten Wochen in loser Reihenfolge die Simultankirchen des Radwegs vor.

Die Kirche (Wildenreuth K 5) ist dem Heiligen Jakobus geweiht. Der Bau basiert auf einer Schlosskirche, die vermutlich 1632 zusammen mit dem ganzen Dorf abgebrannt ist. Die jetzige Kirche wurde 1808 bis 1810 nach einem erneuten Brand aufgebaut, aber wegen Geldmangels erst 1832 vollendet. Der „gebrauchte“ barocke Altar stammt aus einer aufgelösten Klosterkirche in Amberg und wurde 1812 gekauft. Das Simultaneum wurde 1663 eingeführt und besteht heute noch.

Besonderheit: An der Südseite des Chorraumes ist ein Grabstein eingemauert mit der Aufschrift „Hanß Ernst v. Pudewels uff wildtreith (1638 – 1669)“. Die Nachfahren, die „von Podewils“, leben heute noch auf Schloss Wildenreuth.

Auskunft erteilt das Evangelische Pfarramt Wildenreuth unter Telefon 09682/2101. Informationen zu den Routen des Simultankirchenradwegs gibt es im Internet auf www.simultankirchenradweg.de. (moh)

Die jetzige Kirche wurde 1808 bis 1810 nach einem erneuten Brand aufgebaut, aber wegen Geldmangels erst 1832 vollendet. Harald Mohr
Die jetzige Kirche wurde 1808 bis 1810 nach einem erneuten Brand aufgebaut, aber wegen Geldmangels erst 1832 vollendet.
Info:

Stationen des Simultankirchenradweges: St. Ägidius
in Thumsenreuth

Zehn Rund-Radwege in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Neustadt/WN und Tirschenreuth verbinden mindestens drei aktive oder ehemalige Simultankirchen miteinander und laden zum Besuch sowie Auseinandersetzung mit dem Glauben ein. Insgesamt verbinden alle Radwege zusammen 49 Kirchen und historische Orte. Die OWZ stellt in den nächsten Wochen in loser Reihenfolge die Simultankirchen des Radwegs vor.

Wie bei vielen anderen Simultankirchen wurde das Simultaneum auch in der Sankt Ägidius-Kirche in Thumsenreuth wieder aufgelöst, nachdem die Katholiken ihre eigene Kirche bauten. In diesem Fall war das im Jahr 1935. Seither ist St. Ägidius eine evangelische Kirche. Sie wurde dem Heiligen Sankt Ägidius geweiht, der im katholischen Glauben als Einsiedler, Klostergründer und einer der vierzehn Nothelfer verehrt wird. Die ursprüngliche Kirche wurde zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert erbaut. Anfang des 18. Jahrhunderts entstand in mehreren Etappen die heutige Kirche.

Besonderheit: Bemerkenswert ist die Kassettendecke, die mit Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament bebildert ist, sowie ein Gemälde an der Emporenbrüstung, das den „Triumphzug der Bundeslade“ darstellt. Informationen zu den Routen des Simultankirchenradwegs gibt es im Internet auf www.simultankirchenradweg.de. (moh)

Die ursprüngliche Kirche wurde zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert erbaut. Seit 1935 ist St. Ägidius eine evangelische Kirche. Bild: exb/Gruber
Die ursprüngliche Kirche wurde zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert erbaut. Seit 1935 ist St. Ägidius eine evangelische Kirche.
 
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