Oberviechtach
21.02.2019 - 17:31 Uhr

Fünf Minuten, die Leben retten

Vor neun Jahren ließen sich in Oberviechtach 1346 Personen typisieren, um einer Gymnasiastin aus Teunz zu helfen. Am 26. Februar ist die Bevölkerung abermals dazu aufgerufen. Der Sohn eines Soldaten ist an Leukämie erkrankt.

Bei der Typisierung am 26. Februar in der Grenzland-Kaserne wird mittels eines Wattestäbchens ein Abstrich der Wangenschleimhaut genommen. Symbolbild: Petra Hartl
Bei der Typisierung am 26. Februar in der Grenzland-Kaserne wird mittels eines Wattestäbchens ein Abstrich der Wangenschleimhaut genommen.

Die Typisierungsaktion in der Eisenbarth-Stadt findet im Unterrichtssaal der Grenzland-Kaserne statt. Der neun Jahre alte Sohn eines ehemaligen Soldaten der 2. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 122 ist an Leukämie erkrankt und benötigt dringend einen Stammzellspender. Die Familie wohnt im Raum Dresden (Sachsen). Allerdings war der Vater zwölf Jahre lang in Oberviechtach stationiert und wurde hier erst Ende 2018 vom Kommandeur verabschiedet. Die Betroffenheit bei den Kameraden ist deshalb sehr groß.

Kommandeur ist typisiert

Kommandeur Oberstleutnant Christoph Huber, der sich diese Woche am Truppenübungsplatz Grafenwöhr befindet, ist schon seit Jahren typisiert. Er betont auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien: "Dieses schwere Schicksal nahm unsere 2. Kompanie, als Patenkompanie der Stadt Oberviechtach, zum Anlass, die Typisierungsaktion zu starten." Und er ergänzt: "Natürlich unterstützen wir die Aktion als gesamtes Bataillon und hoffen, dass sich die Bevölkerung ebenfalls stark beteiligt. Denn jede Typisierung kann ein Menschenleben retten." Deshalb sind auch nicht nur die Soldaten aufgerufen, sich am Dienstag, 26. Februar, in der Zeit von 13 bis 16 Uhr, testen zu lassen. Unterstützung erhält der Kommandeur von Bürgermeister Heinz Weigl. Dieser hat in der jüngsten Stadtratssitzung einen Appell an die Bürger der Garnisonsstadt gerichtet und auch die städtischen Mitarbeiter in einem Anschreiben darum gebeten.

Organisiert wird die Aktion über die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Für viele Leukämiepatienten ist die Übertragung von gesunden Stammzellen eines passenden Spenders die einzige Heilungsmöglichkeit. Grundsätzlich kann jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren in der Spenderdatei (siehe Kasten) registriert werden. Diesmal ist bei der Typisierung keine Blutabnahme notwendig. Mittels Wattestäbchen wird nur ein Wangenabstrich genommen. Damit die Gewebemerkmale korrekt bestimmt werden können, sind allerdings genügend Zellen der Schleimhaut notwendig. Speichel alleine reicht nicht aus. Das Stäbchen muss deshalb mit genügend Druck mindestens 30 Sekunden lang die Wangeninnenseite abstreifen und dabei hoch und runter bewegt und auch hin und her gedreht werden.

"Der Aufwand ist denkbar gering. Und man muss sich auch zu nichts verpflichten", sagt Oberleutnant Bussemer von der 2. Kompanie. Er organisiert die Typisierungsaktion und hofft darauf, dass zahlreiche Männer, Frauen und Jugendliche vorbeikommen. Teilnehmer müssten nur ihren Ausweis mitbringen und sich am Kasernentor melden. "Dort werden sie von Soldaten abgeholt und anschließend auch wieder zurückbegleitet", betont Bussemer. Die Registrierungsaktion findet im Unterrichtssaal statt. Dort werden 15 Tische für den Arbeitsbereich aufgebaut. Nach einer kurzen Info über den Ablauf muss ein Organisationsbogen unterschrieben werden, danach werden die Wattestäbchen überreicht. "Das Ganze benötigt nur rund fünf Minuten Zeit", erklärt der Oberleutnant. Erst vor vier Wochen habe die Kompanie vom schweren Familienschicksal des ehemaligen Kameraden erfahren. Dieser sei seit seiner Ausbildung am Standort beschäftigt gewesen. Ebenso wie zu anderen Ehemaligen bestehe nach wie vor ein enger Kontakt.

Franz-Jobst-Hilfe dabei

"Wir haben uns sofort Gedanken gemacht, wie wir unterstützen können", führt Bussemer aus. Von der Franz-Jobst-Hilfe wurde eine finanzielle Unterstützung gewährt, und schnell sei man dann auf die DKMS gekommen. "Unsere Soldaten haben nicht gezögert", freut sich der Organisator. 280 seien bisher in der Datei noch nicht registriert und hätten sich gleich als Teilnehmer gemeldet. "Mit jedem Einzelnen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dem kranken Jungen geholfen werden kann", lautet sein Appell an die Bevölkerung.

Noch vielen im Gedächtnis ist die Typisierungsaktion vom 28. Juli 2010 in der Dreifachturnhalle des Ortenburg-Gymnasiums. Damals haben sich 1346 Personen Blut abnehmen lassen. Darunter waren auch viele Soldaten der Grenzland-Kaserne, die vom Dienst freigestellt worden waren. Sie alle wollten Anna-Lena aus Teunz helfen, die seit Geburt an einer Störung des Immunsystems leidet. Es konnte zwar für das Mädchen kein passender Spender gefunden werden, dafür aber innerhalb eines Jahres für vier andere Personen. Durch eine Stammzellübertragung bekamen diese die Chance auf ein neues Leben. Übrigens: Anna-Lena kommt derzeit recht gut mit ihrer Krankheit klar und absolviert eine Ausbildung zur Erzieherin.

Natürlich unterstützen wir die Aktion als gesamtes Bataillon und hoffen, dass sich die Bevölkerung ebenfalls stark beteiligt. Denn jede Typisierung kann ein Menschenleben retten.

Kommandeur Christoph Huber

Knochenmark-Spenderdatei:

Den Blutkrebs besiegen

DKMS steht für Deutsche Knochenmark-Spenderdatei. Die Vision lautet: „Wir besiegen Blutkrebs.“ Grundsätzlich kann jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren als potenzieller Stammzellspender registriert werden. Für eine erfolgreiche Transplantation (aus der Blutbahn oder mittels Operation) müssen die Gewebemerkmale nahezu vollständig übereinstimmen. Nur ein Drittel der Patienten findet innerhalb der Familie einen geeigneten Spender. Die DKMS ist die weltweit größte Spenderdatei und enthält über 8,3 Millionen Personen, davon über 5,7 Millionen in Deutschland. Insgesamt wurden bis August 2018 weltweit über 71 000 Knochenmark- bzw. Stammzellspenden von der DKMS vermittelt, davon rund 62 000 von DKMS Deutschland. Dem gegenüber stehen circa 11 000 Leukämie-Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr. Täglich werden weltweit etwa 20 Stammzelltransplantate von registrierten Spendern vermittelt. (ptr)

 
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