Kaserne in Oberviechtach profitiert von „Zeitenwende-Milliarden“

Oberviechtach
05.12.2022 - 18:36 Uhr
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Vom 100-Milliarden-Sondervermögen fließen etliche Euros in die Region. Das Panzergrenadierbataillon 122 in Oberviechtach rüstet bis 2025 auf. Das wird auch die Bevölkerung mitkriegen.

„Was kommt von den 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr am Standort Oberviechtach an?“ Diese und andere Fragen beantwortete der Kommandeur der Grenzlandkaserne, Oberstleutnant i.G. Ralf Georgi, beim Garnisonsdialog im Emil-Kemmer-Haus. Wegen dem WM-Spiel der deutschen Fußballnationalelf blieben viele Plätze leer, was dem kurzweiligen Dialog, der schließlich mit doppelter Zeit in die Verlängerung ging, aber nicht schadete. „Wird die Kaserne aufgebaut?“, fragte Bürgermeister Rudolf Teplitzky eingangs nach, was der Bataillonskommandeur bejahte: „In der Kaserne wird umgebaut, angebaut und aufgebaut.“ Er stellte aber auch gleich klar: „Von den 100 Milliarden ist noch kein einziger Euro geflossen.“

Geduld ist auch beim Austausch der Schützenpanzer gefragt: Die 44 mit modernster Technik ausgestatteten neuen „Puma“ werden nicht 2023, sondern erst in 2024 in Oberviechtach ankommen. Georgi nahm Bezug auf die „Zeitenwende-Rede“ des Bundeskanzlers vom 27. Februar 2022, nur wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: „Es ist ein Paradigmenwechsel.“ Nach den Auslandseinsätzen der Vergangenheit „ist jetzt wieder entdeckt worden, dass die Bundeswehr für die Landes- und Bündnisverteidigung da ist“. Für die 10. Panzerdivision Veitshöchheim – und damit auch für die Soldaten am Standort Oberviechtach – gibt es damit einen neuen Auftrag. Das Besondere: Die Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ ist die erste deutsche Heeresbrigade, die auf die Verteidigung ausgerichtet wird.

Antwort auf Ukraine-Krieg

„Das bedeutet, bis 2025 voll einsatzfähig, voll kriegstauglich und siegfähig zu sein“, stellte der Oberviechtacher Bataillonskommandeur fest. Dies sei aber kein Selbstzweck, „wir sehen wer uns mit Gewalt, Brutalität und Einsatz der Mittel dazu zwingen kann“. Die Antwort laute Ausbildung, Training, Rekrutierung („in Oberviechtach fehlen 80 Soldaten“) und Selbstbewusstsein. Um das Ausbildungsziel zu erreichen, ist das Panzergrenadierbataillon drei bis vier Jahre von jeglichen Einsatzverpflichtungen befreit. Stattdessen geht es von Februar bis Juni 2023 jede dritte Woche auf einen anderen Übungsplatz – von Munster, über Grafenwöhr nach Bergen. „Wir müssen nicht Einzelschützen, sondern das System trainieren“, so Georgi, „das haben wir die letzten 20 Jahre in Friedenszeiten nicht mehr gemacht.“

Künftig wird auch die Bevölkerung des Altlandkreises mehr mitbekommen. „Als Panzergrenadiere müssen wir weiträumig manövrieren, es wird mehr freilaufende Übungen geben“, informierte der Kommandeur, „wir werden mit Großgeräten unterwegs sein, Straßen verdrecken und nachts Lärm machen.“ Eine Herausforderung sei dabei der sorgsame Umgang mit Material, „wenn es kaputt ist, fehlt es“. Wie Ralf Georgi anmerkte, würden die Milliarden aus dem Sondervermögen derzeit nur für Planungssicherheit sorgen, „die Industrie kann damit nicht schneller liefern“. Zur öffentlichen Diskussion um fehlende Munition merkte er an, dass die Logistikstruktur in Deutschland zehn Jahre lang abgebaut worden ist, „es wurde keine Artilleriemunition verbraucht und benötigt“. Aktuell sei rund ein Fünftel aus dem Sondervermögen für Munition vorgesehen.

Laut Georgi werden die Bundesmittel für eine bessere Ausrüstung, für modernes Einsatzgerät und für mehr Personal erst in 2023 zugewiesen und auf vier Jahre gestreckt. Dies hänge mit der Erfüllung von Nato-Anforderungen zusammen. Das Panzergrenadierbataillon 122 wird direkt profitieren. So werden laut dem Kasernen-Chef neue Hallen für den hochmodernen Puma, Simulatoren und ein Übungsturm benötigt. Angebaut werden neue Unterkünfte, Sporthalle, Stabsgebäude, Munitionshälter, Hallen für die Instandsetzung und ein neues Lehrsaal-Gebäude. Dazu wird die Standortschießanlage modernisiert. „Wir platzen aus allen Nähten“, stellte der Kommandeur fest und meint damit das gestiegene Raumangebot für die persönliche Ausrüstung der Soldaten, wozu nicht nur die Uniform, sondern auch Unterhosen, Stiefel, Schutzweste und Handwaffen gehören. Übrigens: Das erste, was von den 100 Milliarden Euro in Oberviechtach ankommt, ist eine neue Ausstattung für 400 Soldaten. „Wir werden noch sehr lange Zeit hier sein, die Kaserne wird nicht geschlossen“, stellte der Oberstleutnant schmunzelnd fest, der im Mai 2022 das Kommando übernommen hat.

Gesellschaft in der Pflicht

Auch der frühere Oberviechtacher Bürgermeister Heinz Weigl beteiligte sich an der Diskussionsrunde, die immer mal wieder um den Material-Notstand bei der Bundeswehr kreiste. Daran trage laut Ralf Georgi auch die Gesellschaft eine Mitschuld, diese sei nicht bereit gewesen, mehr Geld für Streitkräfte einzusetzen. Und er stellte fest: „Die jetzt zugesagten 100 Milliarden Euro gehen nicht in Pflege, Rente, in Kindergärten oder neue Straßen.“ Diese Aussage machte auch Bürgermeister Rudolf Teplitzky nachdenklich: „Wir alle müssen uns fragen, welchen Preis sind wir bereit zu zahlen, also was sind wir bereit, nicht mehr zu haben?“ Eine bessere Ausstattung der Armee für die Landes- und Bündnisverteidigung führe unweigerlich zu Kürzungen.

Zu Beginn des Dialogs hatte sich der Bataillonskommandeur näher vorgestellt: Er ist 42 Jahre alt, stammt aus einer Offiziersfamilie in Sachsen-Anhalt und pendelt von der längerfristig angelegten Familienwohnung in Erfurt zu seiner Wohnung in Oberviechtach. „Ich fühle mich hier in Uniform sehr wohl und bin froh in Bayern zu sein“, verriet Ralf Georgi, der in seiner Laufbahn bereits in allen Bundesländern eingesetzt war.

Info:

Panzerbrigade 12 "Oberpfalz“ als Teil der 10. Panzerdivision

  • Die 10. Panzerdivision Veitshöchheim soll 2025 die erste Stufe der Einsatzfähigkeit (schnelle Verlegung zur Verteidigung an Nato-Ostgrenze) erreicht haben.
  • Die Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ (Teil der 10. Panzerdivision) ist die erste deutsche Heeresbrigade, die auf Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet wird.
  • Neue Struktur im Aufbau: Künftig gehören acht aktive Bataillone zur Panzerbrigade 12 „Oberpfalz“ (bisher sechs): Panzergrenadierbataillon 122 (Oberviechtach), Panzerbataillon 104 (Pfreimd), Panzergrenadierbataillon 112 (Regen), Versorgungsbataillon 5 (Roding), Aufklärungsbataillon 8 (Freyung), Artilleriebataillon 131 (Weiden), Panzerbataillon 363 (Hardheim), Gebirgspionierbataillon 8 (Ingolstadt) und Brigadeführung in Cham.
 
 

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