Oberviechtach
23.12.2018 - 12:35 Uhr

Kutja und viele bunte Kugeln

Statt Plätzchen gibt es am Heiligen Abend in der Ukraine süße Kutja. Beim Weihnachtsfest im Hause Spießl steht beides auf dem Tisch.

Iuliia Spießl (31) hat die vierte Kerze am Adventkranz angezündet. Die Babuschka aus der Ukraine sind nur fürs Foto platziert. Bild: Portner
Iuliia Spießl (31) hat die vierte Kerze am Adventkranz angezündet. Die Babuschka aus der Ukraine sind nur fürs Foto platziert.

In der Ukraine wird das orthodoxe Weihnachtsfest mehrheitlich am 7. Januar gefeiert, da sich fast 70 Prozent der rund 45 Millionen Menschen zum orthodoxen Christentum bekennt. In der Westukraine gibt es allerdings auch viele Katholiken und Protestanten. Erst 2017 erklärte das ukrainische Parlament den 25. Dezember zum gesetzlichen Feiertag. Damit haben jetzt auch die Eltern von Iuliia offiziell an Weihnachten frei. Statt Plätzchen und Stollen gibt es bei ihnen die süße Nachspeise Kutja. Dieses ukrainische Traditionsgericht wird die junge Frau auch am Heiligen Abend in ihrer neuen Heimat zubereiten: Gekochter Reis wird mit Honig-Sirup übergossen sowie mit Rosinen und gerösteten Walnüssen vermischt. "Wer mag, kann mit Zimt abschmecken oder kleingeschnittene Feigen dazugeben." Die Süßspeise wird in einer großen Schüssel serviert. Aus ihrer Kinderzeit kennt Iuliia noch den Brauch, dass nach dem gemeinsamen Essen eine Schüssel mit Kutja auf den Tisch gestellt wird, mit einer passenden Anzahl von Löffeln für die Seelen der Verstorbenen. Familie spielt in der Ukraine eine große Rolle, auch wenn sie als Einzelkind aufwuchs. "Mehrere Kinder können sich viele Leute nicht leisten", erklärt die junge Frau. Ihr Mann hat dagegen acht Geschwister und so ist das Weihnachtsfest hier mit viel Besuch verbunden.

Ihre Eltern kommen nur etwa einmal im Jahr in die Oberpfalz und so wird sie auch zum Fest - wie ansonsten jede Woche - mit ihnen skypen. "Telefonieren ist viel zu teuer", meint die examinierte Altenpflegerin, die im Sommer 2018 die dreijährige Ausbildung bei der Caritas-Sozialstation Oberviechtach mit der Note 1,1 abgeschlossen hat. Ihr BWL-Hochschulstudium (mit Einser-Abschluss) wurde zwar in Deutschland anerkannt, nicht aber der Beruf als Betriebswirtschaftlerin und die Tätigkeit im Finanzcontrolling eines großen Industrieunternehmens.

Traditionen öffnen Türen

Beten statt singen

"Das war für mich am Anfang schon schwierig zu akzeptieren, als ich nichts in diesem Bereich gefunden habe", erinnert sich Iuliia. Nachdem sie jedoch gehört habe, dass Pflegekräfte gesucht sind, habe sie ein Praktikum absolviert. "Und es hat mir gefallen", erklärt sie und ihre Augen leuchten im Schein der Kerzen am Adventskranz. Ihr sei es wichtig, dass sie einen sicheren Beruf habe und Anerkennung durch ihre Arbeit erfahre. Auch im Kreise der Kolleginnen in der Sozialstation fühle sie sich sehr wohl. "Wenn man Sprache und Traditionen versteht und Kontakte zu Menschen hat, dann integriert man sich sehr schnell", betont die junge Frau. Heimweh nach der von Industrie geprägten Großstadt im Süden der Ukraine verspüre sie nicht mehr.

Sie schätzt das idyllische Leben am Dorf und lange Spaziergänge an der frischen Luft. "Die schöne Natur fasziniert mich", schwärmt die frischgebackene Altenpflegerin. Über die Feiertage wird dafür nicht so viel Zeit sein. Denn für den Heiligen Abend möchte sie Rouladen und Semmelknödel zubereiten und am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es Gans oder Ente mit Kartoffelknödel. Das Knödelkochen musste sie erst lernen, nachdem in der Ukraine überwiegend Bratkartoffeln als Beilage serviert werden.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag ist Iuliia Spießl zum Frühdienst eingeteilt. Wenn viele noch schlafen, wird sie schon bei den ersten Patienten sein und sich nebenbei von deren aktuellen oder früheren Erlebnissen rund um den Heiligen Abend erzählen lassen.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.