Oberviechtach
05.03.2024 - 15:31 Uhr

Lebenslauf geglättet? Neue Erkenntnisse zur Eisenbarth-Biografie

Nach Reiner Reisinger muss die Eisenbarth-Biografie – bezogen auf die Jugendjahre – neu geschrieben werden. Jüngst entdeckte Einträge im Pfarrbuch von Aufhausen lassen Schlüsse auf einen vom Wanderarzt selbst „geglätteten Lebenslauf“ zu.

„Jetzt bin ich schon erleichtert. Er bleibt unser Eisenbarth“, meinte die Vorsitzende des Museumsvereins, Maria Ahlemeyer, als sie nach dem Vortrag von Reiner Reisinger dem Referenten und auch der Zuhörerschaft dankte. Reisingers Ausführungen waren für das an Heimatgeschichte interessierte Publikum durchaus spektakulär, da sie bisher als gesichert geltende Annahmen der Eisenbarth-Forschung in Frage stellen. Dies trifft für die ersten zehn Lebensjahre zu, die Johann Andreas Eisenbarth nach Reisingers Forschungsergebnissen nicht in Oberviechtach verbracht hat. Vielmehr spielt der Ort Aufhausen bei Regensburg eine besondere Rolle.

„Zwei erst kürzlich aufgefundene Einträge zu den Eltern des Johann Andreas Eisenbarth in einem alten Kirchenbuch dürften die Darstellung von Eisenbarths Kindheit in Oberviechtach bei Eike Pies mehr als relativieren“, so Reiner Reisinger in einem grundsätzlichen Statement. Der profilierte Eisenbarth-Forscher Pies vertritt in seinen wissenschaftlichen Monografien von 1977 und dann 2004 in einer erweiterten und verbesserten Auflage die Position von Eisenbarths Kindheit in Oberviechtach. Hierbei kritisiert aber Reiner Reisinger, dass es außer dem eigenen schriftlichen Zeugnis von Johann Andreas Eisenbarth keinerlei Beleg für diese These gibt.

Neue Sichtweise

Die neue Sichtweise zu Eisenbarths Eltern und seiner Kindheit hat Ministerialrat a.D. Josef Beck aus München bei genealogischen Forschungen zu seiner eigenen Familie ins Rollen gebracht, als er im Diözesanarchiv von Regensburg bei zwei Quellen der Pfarrei Aufhausen auf „Matthias Eisnpart Cirurgus“ gestoßen ist. Beck, der einst seinen Wehrdienst in Oberviechtach absolvierte, erinnerte sich an den berühmten Wanderarzt und leitete seine Erkenntnisse an die Stadt Oberviechtach weiter. Diese schaltete dann den Kreisarchivpfleger Reiner Reisinger für die weitere Erforschung des Sachverhalts ein.

Unbestritten bleibt die Geburt Eisenbarths in Oberviechtach. Die Familie sei aber hier nicht sesshaft gewesen, sondern nach der Taufe weitergezogen. Für den weiteren Verlauf entwirft Reisinger ein ganz anderes Bild, als es in den Standardwerken von Eike Pies und auch in nachfolgenden Publikationen vermittelt wird: „Im Herbst 1667 starb der Vater Matthias Eisenbarth, der jüngste Sohn ist da gerade einmal viereinhalb Jahre, auf einem der Wanderzüge in Aufhausen. Seine Familie hatte er bei sich und sie blieb wohl in Aufhausen. Ein gutes Jahr später, nach Ablauf des Trauerjahres, heiratete die Mutter ebendort Matthias Kreitl, wohl auch deshalb, um die beiden Kinder, den fünfjährigen Johann Andreas und den vier Jahre älteren Georg Rudolf, endlich versorgt zu wissen.“

Biografie „geschönt“

Reisinger untermauerte seine Theorie noch mit weiteren Belegen, auch bezüglich seiner neuen Erkenntnisse zu Eisenbarths Lehre beim Schwager Biller in Bamberg. Reisingers Erklärung zielte darauf, dass Johann Andreas Eisenbarth selbst seine Kindheitsbiographie „geschönt“ habe.

Dies erfolgte insbesondere in einem Brief Eisenbarths, als dieser „an der Schwelle zu seinem späteren Ruhm“ stand. In dem Schreiben vom 27. Juni 1686 bittet er Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg um ein Privileg für die Berufsausübung. Eisenbarth sei in dem Gesuch bestrebt gewesen, eine seriöse Herkunft mit einer bürgerlichen Existenz seines Vaters nachzuweisen, fern eines Lebens auf der Straße.

Dies habe auch seine Angaben zur eigenen Kindheit und zum Schulbesuch in Oberviechtach betroffen. Bei genauer Betrachtung verschiedener Quellen kommt Reisinger zu dem Schluss, „dass Eisenbarth seinen Geburtsort und seine Lage nur vom Hörensagen her kannte“.

Hintergrund:

Unbestrittene Positionen

  • Geburt Eisenbarths und Taufe am 27. März 1663 in Oberviechach mit renommierten Taufzeugen.
  • 17 Privilegien der höchsten Fürsten des Reiches für den berühmten barocken Wanderarzt
  • Verleihung zahlreicher Titel, hierbei herausragend „Preußischer Hofrat“
  • Hochgerechnet Ausführung Tausender erfolgreicher Operationen, Eisenbarth selbst nennt die Zahl 3000
  • Arbeit mit einer ausgeklügelten Werbestrategie: „Barockes Public-Relations-Genie“ nach Eike Pies
 
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