Jedes Jahr das Gleiche: Wenn die Märzsonne die ersten Krokusse und Schneeglöckchen aus dem Boden lockt, und in den Einkaufsmärkten bunte Primeln und Salatpflanzen ins Auge stechen, sind die Gartenbesitzer nicht mehr zu bremsen. Anzuchterde und Körbe voller Saatgut werden nach Hause geschleppt. Dass dies auch anders geht, darauf will am 12. März das „Saatgut-Festival Oberviechtach“ hinweisen. Denn hier stehen samenfestes Saatgut und Pflanzen aus selbst vermehrten Saatgutsorten für den Nutz- und Ziergarten im Fokus.
„Eigentlich dachten wir zunächst an eine von uns privat organisierte Pflanzenbörse“, berichtet Edeltraud Völkl im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. „Nachdem aber diese Aktion gut zur Biodiversitäts-Strategie von Oberviechtach passen würde, fragten wir im Rathaus nach“, ergänzt Gatte Egbert, Stadtrat und Zweiter Bürgermeister. Hier kam die Idee gut an: Die Stadt und der Verein „Goldmacher“ sind als Veranstalter im Boot; die Co-Organisation läuft über die Familie Völkl. Diese hatte schon im Sommer 2022 einen Infotag mit Führung durch ihren Gemüsegarten angeboten. „Wir waren damals sehr erstaunt über das riesige Interesse. Auch deshalb wollen wir unsere Erfahrungen weiter mit anderen teilen.“
Grüne Experimente
Garteln ist seit über 25 Jahren das Hobby Nummer eins von Edeltraud und Egbert Völkl im Oberviechtacher Ortsteil Pirk. Das Ehepaar hat hier ein 1200 Quadratmeter großes Grundstück mit vielen naturnahen Elementen als blühende Oase angelegt. Seit 2018 wird ein neuer Bereich als Permakultur bewirtschaftet. Das Motto des nachhaltigen Konzepts: Natürliche Ökosysteme und Kreisläufe in der Natur beobachten und nachahmen. Auf rund 200 Quadratmetern gibt es jetzt mehr pflanzliche Vielfalt und auch mehr Insekten, die sich gerne anlocken lassen.
Als es ums erste Bestellen der neu angelegten Hügelbeete ging, verwendete sie nur samenfestes Saatgut, welches sich selber vermehren kann. „Ich wollte hier gleich von Beginn an auf alte Sorten setzen“, berichtet die ambitionierte Gartlerin. Anstatt weiter jedes Jahr die bunten Samentütchen zu kaufen, entschied sie sich dafür, Saatgutsorten selber heranzuziehen. Für die erste „Grundausstattung“ war Annegret Hottner aus Schwandorf, die sich der Erhaltung und der Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt verschrieben hat, eine gute Adresse. Die Völkls besorgten sich bei ihr Samen von Petersilie, Rote Bete, Bohnen, Erbsen, Gelben Rüben, Mangold, Lauch und Tomaten.
Damit sich der Kreislauf schließt, werden seither jedes Jahr einige Gemüsepflanzen bis zur Blüte und Selbstaussaat stehen gelassen. Der Vorteil: „Pflanzen, die sich selber aussähen und zu treiben beginnen, sind sehr robust und fest. Die Sorten gewöhnen sich immer mehr an das vorhandene Klima.“ Edeltraud Völkl nimmt aber auch Samen von gut gewachsenen Exemplaren ab und bewahrt sie trocken auf. Diese verwendet sie dann auch zum Tauschen. Beispielsweise mit Cora aus dem Landkreis Neumarkt, die eine interessante Zucchini-Sorte anbaut. „Man muss darauf achten, dass die Pflanzen sortenrein bleiben und sich nicht durch Fremdbestäubung kreuzen“, bekräftigt die Oberviechtacherin, die ihre Beete schon mal mit Vlies abdeckt. Ihr Gemüsegarten besticht mittlerweile mit Raritäten wie Ringel-Rote-Bete, Palmkohl, Forellensalat oder einer wieder entdeckten Kletterbohne.
Tipp für Anfänger
Beim Saatgut-Festival Oberviechtach wird sie – ebenso wie weitere Hobbygärtner – verschiedene Gemüsesamen (wie Kopfsalat, Mangold, Rote Bete), aber auch Blumensamen (wie Tagetes, Mutterkraut), Pflänzchen (Chili, Paprika) und Johannisbeer-Stecklinge dabei haben. „Wir wollen neugierig machen, und dazu motivieren, es selbst auszuprobieren“, sagt Edeltraud Völkl. Ihr Tipp für Anfänger: „Bohnen und Erbsen gehen immer.“ Egbert Völkl freut sich, dass für das Festival etliche Mitstreiter gefunden werden konnten, die etwas anbieten oder informieren. Insgesamt sind es 15 Anbieter/Präsentationen. So können beispielsweise selbst Obstbaum-Reiser veredelt und mit nach Hause genommen werden.
Der große Unterschied
In zwei Vorträgen können die Besucher Wissenswertes rund um samenfestes Saatgut erfahren. Übrigens: Dies kann man beim Kauf einfach erkennen, da laut Gesetz alle Hybridsorten den Zusatz „F1“ im Sortennamen tragen müssen. Alle Sorten ohne den Zusatz sind samenfest. Das bedeutet, dass aus ihrem Saatgut wieder eine gleiche Pflanze mit den selben Eigenschaften wie die „Mutter“ (Farbe, Größe, Geschmack) nachwächst. Alte Gemüsesorten und das meiste Bio-Saatgut sind samenfest. „Wenn viele reine Sorten erhalten bleiben, ist dies ein großer Genpool für die Diversität“, weiß Egbert Völkl. Die Bezeichnung „sortenrein“ auf einer Tüte bedeutet, dass nur Samen einer bestimmten Sorte enthalten sind.
Den kommerziellen Markt dominieren die F1-Hybriden als sogenanntes „Hochleistungs-Saatgut“. Das sind Züchtungen, bei denen sich die positiven Eigenschaften beider Elternlinien vereinen. Der Vorteil: Hohe Erträge. Der Nachteil: Instabiles Erbgut, das sich nicht für die Saatgutvermehrung eignet.
Saatgut-Festival Oberviechtach
- Termin: Sonntag, 12. März, von 10 bis 17 Uhr, im Emil-Kemmer-Haus in Oberviechtach (Schönseer Straße 47) - barrierefrei
- Wozu: Hobbygärtner bieten samenfestes Saatgut/Pflanzen aus selbst vermehrten Saatgutsorten für den Nutz- und Ziergarten an
- Aktionen: Vereine/Organisationen informieren über biologische Artenvielfalt (Heinz-Sielmann-Stiftung, Landimpuls, Kreisgartenamt); Tisch für Samentausch (beschriftete Tütchen mitbringen); LBV-Kreisgruppe bietet Kinderaktion mit Nistkästen; die Stadt präsentiert "Goldstück"-Projekte; Obstbaum-Reiser können veredelt und mitgenommen werden
- Vorträge: Um 10.15 Uhr "Mit Saat und Tat" von Annegret Hottner aus Schwandorf; um 14 Uhr "Saatgutgewinnung im eigenen Garten" von Christian Dotzler aus Amberg. Um 11.15 Uhr informiert Kerstin Hellmuth aus Bindlach im Außenbereich über die Herstellung von Pflanzenkohle
- Verpflegung: Restaurant im Haus; Nachmittags Kaffee und Kuchen des örtlichen Gartenbauvereins
- Veranstalter: Stadt Oberviechtach und Verein "Goldmacher".
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