Erich Kästner war nicht nur mit der Gabe eines scharfen Beobachters ausgestattet, er hatte auch die Fähigkeit, diese Wahrnehmungen satirisch zugespitzt und unterhaltsam zu vermitteln. Highlights aus dem Lebenswerk dieses Dichters brachte der Kabarettist und Musiker Johannes Kirchberg bei den Freunden der Kunst im Pfarrheim auf die Bühne.
Der Chansonnier, der in Hamburg lebt und deutschlandweit seine Auftritte hat, war am pfarrheimeigenen Bechstein-Flügel genauso versiert wie als Sänger und Schauspieler. "Ein Mann gibt Auskunft" heißt das aktuelle Programm, das deutlich macht, "wie vielfältig Erich Kästner gewesen ist", erklärte Gabi Ried bei der Begrüßung des Künstlers, der mit seiner spritzigen zweistündigen Vorstellung zu keiner Minute Langeweile aufkommen ließ.
Unerschöpfliche Quelle
Erich Kästner (1899 bis 1974), der einst das Lehrerseminar besuchte, dann Redakteur und freier Schriftsteller war, gestaltete in drei Phasen der deutschen Geschichte die Literatur mit: Weimarer Republik, Widerstandshaltung im Nationalsozialismus und Nachkriegszeit. Johannes Kirchbergs Programm legt den Schwerpunkt auf die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und orientierte sich an der Biografie des Autors. So ist es nicht verwunderlich, dass die unterschiedliche Perspektive auf Frauen mit der Sandkastenliebe zu Paula begann. "Wenn man mal erwachsen ist, sieht alles anders aus", lautete die Einsicht nach dieser Zeit. Wie bissig Kästners Satire sein konnte, zeigt seine Erkenntnis "Wenn ich nicht mehr lachen kann, sehe ich mir nur die Menschen an."
Kästners Lyrik und die Briefe waren für Johannes Kirchberg eine schier unerschöpfliche Quelle bei der Präsentation geistreicher Lebensweisheiten, die mit einem ausdrucksstarken schauspielerischen Können oder mit eigenen Vertonungen dargeboten wurden. Bei Kästner, der auch weltbekannte Kinderwerke wie "Das doppelte Lottchen" und "Pünktchen und Anton" verfasst hat, kommt auch die Institution Schule in seiner Zeit nicht ungeschoren davon: "Früchtchen seid ihr, Spalierobst sollt ihr werden." Den zeitlebens bestehenden Bezug zu seiner Mutter Ida Kästner nimmt er in seinen Briefen "An meines liebes gutes Muttchen" von herber Kritik nicht aus: "Zwischen Empfängnis und Leichenbegängnis nichts als Bedrängnis." In einem anderen Briefzitat beklagt er: "Sie setzt ihr Leben auf eine Karte, die Spielkarte war ich."
Die Volkswirtschaft mit der Kommentierung von Löhnen, Subventionen und Kapitalflucht war ebenso ein Thema wie die Wichtigtuerei von Menschen oder der zermürbende Alltagstrott, aufgezeigt am Beispiel einer Maus in der Lauffalle. Mit einer Flut absurd kombinierter Sprichwörter entließ Kirchberg sein Publikum in die Pause, bevor er im zweiten Teil des Abends in einer Spielszene "das Schreckliche an Einladungen" aufzeigte, wobei der Gastgeber mit einem Riesentier von einer dänischen Dogge - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - seine Gäste terrorisiert.
Neben der messerscharfen Kritik an Auswüchsen bürgerlicher Verhaltensweisen wurde auch die Emigration von Schriftstellern in der NS-Zeit angesprochen oder Kästners eigene Situation als hochangesehener Schriftsteller der Nachkriegszeit in München, als die Flut täglicher Aufgaben der gewünschten literarischen Selbstverwirklichung im Wege stand. Die Zugabe Johannes Kirchbergs hatte nichts mit Kästner zu tun, sondern kam aus seinem Kabarettprogramm und war ganz aktuell für all jene Orte, wo eine Umgehungsstraße oder ein ähnliches Projekt geplant ist.
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