"Die Situation in der CSSR hat sich trotz der offiziellen Haltung der Prager Führung erheblich geändert. Es wurde zugesichert, dass keinerlei ideologische Indoktrination beabsichtigt ist.", heißt es im Protokoll, in dem am 4. Oktober 1989 die Weichen für die Schulpartnerschaft zwischen der Prager "Wirtschaftsoberschule" und dem Ortenburg-Gymnasium gestellt wurden. Unterzeichnet hat das Protokoll Studienrat Simon Wittmann aus Tännesberg, der in jener Zeit in Oberviechtach Französisch, Geschichte und Sozialkunde unterrichtete. Später war er Bundestagsabgeordneter und dann Jahrzehnte lang Landrat von Neustadt an der Waldnaab.
Simon Wittmann führte damals während eines Prag-Aufenthalts mit einer Wirtschaftsdelegation die Vorgespräche für die Schulpartnerschaft mit der Obchodni Akademie, die vor 30 Jahren noch "Stredni Ekonomicka Skola" hieß. Die politische Wende war in der einstigen Tschechoslowakei noch nicht vollzogen, wie der einleitende Protokolltext deutlich macht, aber das politische Tauwetter hatte bereits eingesetzt, und das Bedürfnis nach einer westlichen Ausrichtung zeigt sich in der Initiative der Prager Lehrkräfte Zdenek Kühn (stellvertretender Schuldirektor) und Tanja Kühnová, die von tschechischer Seite zusammen mit der Direktorin Irena Lacinová die Vorgespräche führten.
Der Oberviechtacher Delegation, die anschließend zur Besiegelung der Schulpartnerschaft nach Prag reiste, gehörten neben Simon Wittmann Schulleiter Hans Sporer sowie die Lehrkräfte Norbert Kausch, Karlheinz Ruda und Rosemarie Greiner-Ruda an. Schon im Oktober 1989 hatte Oberstudiendirektor Hans Sporer in einem Elternbrief für die Teilnahme an dieser Schulpartnerschaft mit einwöchigem Besuch in Prag geworben, nicht ohne darauf zu verweisen, dass das Bayerische Kultusministerium diese Maßnahme ausdrücklich befürwortet.
Ein kleines Problem stellte damals noch die Tatsache dar, dass die Prager Partnerschule in dieser Zeit ausschließlich von Mädchen besucht wurde. Gleichwohl konnten von Oberviechtacher Seite auch Jungen teilnehmen, da nur solche Prager Gasteltern ausgewählt wurden, "die den Jungen ein eigenes Zimmer zur Verfügung stellen können". Dass die Wende noch nicht vollzogen war, zeigt sich in der vertraglich festgelegten Befreiung vom Zwangsumtausch, der bei der damaligen Reise in sozialistische Länder wegen der begehrten westlichen Devisen üblich war.
In der Folgezeit fand diese Schulpartnerschaft, in der jeweils eine Begegnung von 25 Jugendlichen aus beiden Ländern anvisiert war, ein reges Interesse. Mittlerweile kommen die Prager Schüler im Juni nach Oberviechtach, während der Gegenbesuch an der Obchodni Akademie Anfang Oktober stattfindet. Unterrichtshospitationen und landeskundlich ausgerichtete Informationsveranstaltungen bestimmen neben sportlichen und musischen Aktivitäten das Programm. Die deutschen Gäste erleben viele Sehenswürdigkeiten in der Goldenen Stadt, während für die tschechischen Jugendlichen im Wechsel Fahrten nach Regensburg, Nürnberg und München angeboten werden. Viele der Prager Jugendlichen lernen an ihrer Schule Deutsch, aber auch Englisch ist eine Verständigungsbasis. Beim mittlerweile traditionellen "Böhmischen Abend" am OGO treffen sich die Austauschpartner in geselliger Runde mit Eltern, Lehrern und Gästen bei Vorträgen, Musik und kulinarischen Spezialitäten.
Bei den Austauschbegegnungen werden heikle historische Themen nicht ausgeklammert. Die Vertriebenensiedlung Bügellohe und der geschleifte Ort Plöß werden ebenso in das Besuchsprogramm einbezogen wie auf tschechischer Seite die Gedenkstätte für die Heydrich-Attentäter oder Theresienstadt. Letzteres wurde im Rahmen der "Gedenkstättenpädagogik" in vertiefter Weise auf Seminarebene behandelt. 2015 zeichnete das CeBB in Schönsee die "bayerisch-böhmische Schulpartnerschaft der ersten Stunde" mit dem Brückenbauer-Preis aus.
Feier zum Jubiläum
Zum Stamm der Betreuer der Schulpartnerschaft gehören die Lehrkräfte Dr. Christine Paschen und Ulrich Wohlgemuth. Sie bereiten mit der Prager Lehrerin Hana Bubenicková die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jubiläum vor, die am 4. Oktober an der Obchodni Akademie in Prag stattfinden. Verbunden damit ist ein Empfang der Schüler und Lehrer in der Repräsentanz Bayerns in Prag. Zum Festprogramm gehört eine Tagesfahrt nach Prag am 12. Oktober, bei der Eltern, Lehrern und Interessierten die Partnerschule vorgestellt wird. Auch Stadtführungen und Kulturveranstaltungen gehören dazu.
















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