Ottengrün bei Bad Neualbenreuth
16.10.2022 - 10:15 Uhr

Bei Ottengrün wächst Wald, der dem Klimawandel trotzen soll

Der heimische Wald in der bisherigen Form hat wegen der klimatischen Veränderungen keine Chance mehr. Wie Bestände der Zukunft aussehen könnten, zeigte Revierförster Karl-Heinz Melzer an Musterbeispielen, die in der Region angelegt sind.

Dass Fichten auf Dauer gesehen nicht zukunftsträchtig sein werden, ist mittlerweile bekannt. Aufgrund ihrer Wurzeln können sie den wohl bevorstehenden extremen Wetterereignissen nicht standhalten und auch Kiefer und Buche werden auf eine harte Probe gestellt.

Im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) hat man sich deswegen Gedanken gemacht, welche Baumarten jetzt angepflanzt werden sollten und worauf jeder Privatbesitzer zu achten hat. Dabei sind 14 Musterbestände entstanden, die jederzeit von Interessierten besichtigt werden können und Waldbesitzer dazu einladen sollen, über eine neue Strukturierung ihres Waldes nachzudenken.

Verschiedene Mischbaumarten als lukrative Alternative zur Fichte werden in diesen Beständen exemplarisch angepflanzt und ihre Entwicklung über viele Jahre beobachtet. Revierförster Karl-Heinz Melzer veranstaltete für Interessierte eine Führung durch seinen Musterbestand bei Ottengrün und erklärte anschaulich an zehn Pflanzflächen die Waldumbaubemühungen der letzten 30 Jahre. „In den 90er Jahren wurden vor allem Lärchen und Tannen gepflanzt, während später verstärkt Laubholz wie Stieleiche, Buche und Bergahorn eingebracht wurden“, schilderte Melzer, dem diese Arten noch nicht genug waren.

"Klimabaum" Paulownia

Deshalb pflanzte er im Zuge einer Wiederaufforstung auch seltenere Baumarten wie Vogelkirsche, Wildbirne, Bergulme, Robinie und Esskastanie. Auch die in Nordamerika heimische Küstentanne und Douglasie, die beide schon seit Jahrzehnten auch in Mitteleuropa angebaut werden, befinden sich bei Ottengrün. „Auch Kiefern, Birken und Schwarzerlen wurden eingebracht und ein Baum, der für die meisten noch völlig unbekannt ist: Paulownia.“ Dieser sogenannte Blauglockenbaum, der mit seiner violetten Krone besticht, stammt aus Asien und wird auch als „Klimabaum“ bezeichnet, da er um die fünf Meter pro Jahr wachsen kann und aufgrund des tiefen Wurzelsystems als äußerst regenerativ gilt. Das Holz ist leicht und vielseitig einsetzbar und die CO2-Bindung ist erstaunlich hoch, war zu erfahren.

Doch nicht jeder Setzling wird zum Baum: Zusammen mit den Besuchern sammelte der Förster mögliche Risikofaktoren, die den Bäumchen womöglich das Leben kosten können: Mäuse, Insekten, Pilzerkrankungen, Spätfröste, Wild und ein steinreicher, nährstoffarmer Standort stellen die Anpflanzung auf eine harte Probe. „Außerdem haben wir es hier mit einem Kohlenmeiler zu tun“, erläuterte Melzer und verwies auf den ovalen, dunklen Krater aus Asche vor sich auf dem Boden. „In vielen Standorten im Egerer Wald wurde Holzkohle hergestellt – zur Einkommenssicherung der damaligen Bürger und zum Leid von Waldbesitzern heute, denn auf dieser Ascheschicht kann nahezu kein Baum wachsen, weshalb diese Flächen kaum sinnvoll genutzt werden können.“

Schutz durch Wuchsgitter

Um Frustration beim Waldumbau zu vermeiden, erklärte Melzer, was man unternehmen könne, um den Gefahren vorzubeugen. So müsse stets versucht werden, Konkurrenzvegetation wie Brombeere, Adlerfarn oder Faulbaum zu beseitigen und Wildschutzzäune anzubringen. „Diese Zäune reichen oft nicht aus, um Wild abzuschrecken oder sind aufwendig zu errichten, weshalb der flexiblere Einzelschutz mit Wuchsgittern vom AELF empfohlen wird.“

Doch auch nach den kritischen ersten Jahren müsse sich um den Mischbaumbestand gekümmert werden, da eine Sicherung der Kulturen nicht vor zehn Jahren erwartet werde. Noch immer besteht knapp die Hälfte der 2,84 Hektar großen Fläche aus Fichten, die durch Windwurf und Nassschnee stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Ziel des Revierförsters ist es nun, diesen Bestand mittels Durchforstungsmaßnahmen vital und stabil zu machen und zugleich den Umbau voranzutreiben. Wer sich unsicher sei, könne gerne die Forstverwaltung kontaktieren und ein Beratungsgespräch vereinbaren, empfahl Melzer.

Er demonstrierte den Teilnehmern, dass in diesem Teil des Musterbestandes mindestens 20 verschiedene Baumarten zu finden seien, während im angrenzenden Fichtenreinbestand nur maximal drei Baumarten wären. Doch Melzer möchte noch weitere klimatolerante, standortgerechte Baumarten anpflanzen, um seinen Wald für die Zukunft zu wappnen.

Hintergrund:

Informationen zu den Musterbeständen

  • Die 14 Musterbestände sind auf der Homepage des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (www.aelf-tw.bayern.de) unter dem Bereich „Wald und Forstwirtschaft“ beim Eintrag „Musterbestände zum Waldumbau“ zu finden.
  • Neben einer Beschreibung der Bestände ist auch ein Lageplan (Bayernatlas) eingestellt, um es Interessierten zu ermöglichen, sie jederzeit selbstständig zu besichtigen.
  • Da das Gelände teilweise etwas unwegsam sein kann, ist festes Schuhwerk unerlässlich. Das Betreten erfolgt auf eigene Gefahr, vor allem in Bezug auf die typischen Waldgefahren wie Stürme oder Sägearbeiten.
 
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