Die deutsche Wirtschaft ist zwei Quartale in Folge geschrumpft und somit amtlich in einer "technischen Rezession". Auch für den restlichen Jahresverlauf sind Volkswirte skeptisch.
Die Gründe sind neben der unsicheren innenpolitischen Lage auch die geopolitischen Spannungen sowie die Sorgen vor inflationsbedingt weiter steigenden Zinsen, die Wirtschaft und Konsum dämpfen könnten. Selbst das Ende des US-Schuldenstreits sorgt bei Volkswirten nicht für Entspannung. Längst richtet sich der Blick bei den Experten schon auf den schwächelnden Konsum.
Andererseits liefern die in den letzten Jahren verabschiedeten Vorhaben, wie der "Inflation Reduction Act" in den USA oder die Investition ins Bundeswehr-Sondervermögen noch viel Unterstützung für die Wirtschaft. Während sich normalisierende Energiepreise und die Entspannung der Lieferketten in den kommenden Monaten in sinkenden Inflationsraten widerspiegeln dürften, bleibt die Auftragslage hoch, die Arbeitslosigkeit niedrig. In Summe scheint es, als ob das von den Notenbanken gewünschte "soft landing" gelingen könnte, die Rezession zwar auf dem Papier eingetreten ist, man real - den Immobilienbereich ausgenommen - aber bislang wenig merkt.
Blue-Chips bleiben gefragt
Vor diesem Hintergrund haben Blue-Chip-Aktienindizes die freundliche Tendenz weitgehend fortgesetzt und in Europa teilweise neue Allzeit-Höchststände erklommen. Insbesondere Blue-Chip-Werte mit starken Marktpositionen und stabilen Geschäftsmodellen sind nachgefragt. So zählt im DAX40 neben Münchener und Hannover Rück auch Beiersdorf zu den Top-Performern auf Jahressicht. Das stabile Markengeschäft rund um Nivea und Eucerin gepaart mit globaler Fokussierung auf Zielgruppen sowie die Fantasie einer Margenausweitung sind hier die Treiber der Entwicklung. Auf europäischer Ebene sind die Treiber des Anstiegs zusätzlich noch die Luxuskonzerne Hermes und LVMH sowie SAP und Prosus als Vertreter der Software bzw. Technologiebranche.
Die Top-Techwerte sind es auch, die die Entwicklung in den USA dominieren. Ohne die Aktien von Apple, Microsoft, Nvidia und Co. wären die meisten Indizes seit Anfang Januar unverändert. Die Marktbreite mahnt zur Vorsicht, zumal die extrem gut gelaufenen Werte eines eint: Eine meist sportliche Bewertung. So wird Nvidia derzeit etwa mit mehr als dem 25-fachen Umsatz bewertet. Sicher sind die Gewinnmargen hoch und die Umsätze werden aller Voraussicht nach steigen. Ob ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 200 gerechtfertigt ist und das unbestritten tolle Unternehmen die Billionenbewertung verteidigen und ausbauen kann, wird sich jedoch zeigen. Auch in Europa dominieren Blue-Chips: So liegt der DAX40 seit Jahresbeginn gut 15 Prozent im Plus, während der MDAX über 10 Prozent nachgegeben hat.
Eine gewisse Sorglosigkeit
So ist eine gewisse Sorglosigkeit an den Aktienmärkten eingekehrt. Ausgedrückt wird dies unter anderem in extrem niedrigen Schwankungen und deutlich reduzierten Volatilitätsniveaus. Der VDAX notiert aktuell wieder unter dem langfristigen Mittel. Werte um 16 bedeuten alles andere als Angst - noch vor acht Monaten haben Werte knapp unter 40 für höchste Anspannung gesorgt. Und das, obwohl viele Risiken und Konfliktherde weiterhin brodeln und ungelöst sind. Neben geopolitischen Faktoren sind dies allem voran die steigenden Zinsen und immer noch erhöhte Inflationsraten. Zudem die Sorgen rund um den Immobilienmarkt (nicht umsonst sind Immobilienaktien wie Vonovia auf 12 Monate gesehen massiv im Minus). Die Bankenprobleme in den USA sowie eine stockende Erholung mit Immobiliensorgen in China sowie teils sehr hohe Bewertungen bei Einzelaktien sind nicht zu vergessen.
Daher bleiben wir bei unserer Meinung der letzten Monate. Während für kurzfristig orientierte Anleger der Zinsanstieg wieder Alternativen bedeutet, bieten Aktien unter Renditeaspekten für den langfristigen Investor weiter die attraktivsten Aussichten. Da kurzfristig jederzeit negative Nachrichten die Anleger verunsichern können und insbesondere Nebenwerte unter der aktuellen Entwicklung leiden, sollten in den kommenden Monaten qualitativ hochwertige Blue-Chip-Aktien mit soliden Gewinnen und Marktpositionen bevorzugt, auf eine breite Streuung geachtet und auf ein aktives Risikomanagement Wert gelegt werden. Robert Beer ist Fondsmanager und Inhaber der Robert Beer Investment GmbH in Parkstein. Als Buchautor befasst er sich zudem seit den 1980er-Jahren mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten. Für seinen LuxTopic-Fonds wurde Beer unter anderem mit dem deutschen Fondspreis 2022 und 2023 ausgezeichnet.
Robert Beer
Robert Beer ist Fondsmanager und Inhaber der Robert Beer Investment GmbH in Parkstein. Als Buchautor befasst er sich zudem seit den 1980er-Jahren mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten. Für seinen LuxTopic-Fonds wurde Beer unter anderem mit dem deutschen Fondspreis 2022 und 2023 ausgezeichnet.
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