Parkstein
04.08.2024 - 13:44 Uhr

Börsenkolumne: Aktuelle Schwäche am Aktienmarkt – die Börse holt wohl nur etwas Luft

Nach mehreren Champagner-Monaten hat sich die Stimmung an der Börse zuletzt deutlich eingetrübt. Ist der KI-Boom vorbei? Experte Robert Beer glaubt das nicht, auch wenn es durchaus weiter Risiken gibt.

Der Chipkonzern Nvidia hatte im Juli an der Börse zu kämpfen. Archivbild: Andrej Sokolow/dpa
Der Chipkonzern Nvidia hatte im Juli an der Börse zu kämpfen.

Nachdem im ersten Halbjahr die tech-lastigen Giganten die Aktienindizes nach oben gezogen haben, hat sich die Lage im Juli schlagartig geändert. Während Nvidia seit 10. Juli ein Viertel seines Börsenwerts abgeben musste, summieren sich die Verluste bei Microsoft, Amazon, Google, Meta und Tesla auf Werte um die 15 Prozent. Apple konnte sich mit knapp 10 Prozent beinahe gut halten. Und das, obwohl die meisten Unternehmen sehr gute Unternehmensdaten gemeldet haben. Andererseits haben zuletzt vernachlässigte Aktien der zweiten Reihe und anderer Branchen tendenziell zulegen können.

Der Boom der künstlichen Intelligenz, verbunden mit enormen Investitionen in Rechenzentren, hat die Nachfrage nach High-Performance-Chips, insbesondere bei Nvidia, getrieben. Zuletzt hatte sich Apple gegen Nvidia-Chips und für Alphabet entschieden. Zudem wachsen die Zweifel, ob sich die Investitionen kurz- und mittelfristig auszahlen. An den längerfristigen Aussichten zweifelt kaum jemand.

Diese Gemengelage lässt erfahrene Kapitalmarktteilnehmer ans Jahr 2000 denken. Damals war das Internet das Maß aller Ding. Der Internet-Hype um Mannesmann, Telekom, Yahoo und den Neuen Markt endete unsanft. Stehen wir vor einem Einbruch bei den Highflyern?

Kein neuer "Neuer Markt"

Aus unserer Sicht sind die Szenarien nicht zu vergleichen. Die genannten Werte verfügen über exzellente Marktpositionen, kaum jemand kommt an den Giganten vorbei und wird auch künftig die Dienste der Unternehmen nicht nutzen. Die Gewinne sind beispiellos und sehr stabil. Einzig die Bewertung, also das Verhältnis Preis einer Aktie zu Gewinn, ist mitunter enorm. So liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Microsoft bei 32. Dies entspricht einer Gewinnrendite von 3,1 Prozent. Dies ist deutlich weniger als es in den USA derzeit auf risikoloses Tagesgeld gibt.

Warum also auf Aktien setzen, wenn die Bewertung hoch ist und Zweifel am Gewinnwachstum auftreten? Daher ist die jüngst begonnene Korrektur eher als Verschnaufpause zu sehen. Um die Unternehmen an sich muss man sich keine Sorgen machen, kurzfristig kann jedoch noch etwas Luft entweichen, um die Bewertung auf vertretbare Niveaus zu bringen.

Andererseits konnten viele Unternehmen, die in den letzten Monaten eher unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, die Marktteilnehmer überraschen. So konnte unter anderem 3M, bekannt für seine Post-it und Scotch-Klebebänder, deutlich zulegen. In Deutschland konnten im Juli Fresenius, Zalando, MTU aber auch RWE und Continental zulegen. Die Bewertung bei vielen dieser Werte ist erheblich niedriger. Das KGV liegt oft um die 13 oder 14, was im Umkehrschluss eine Gewinnrendite von 7 Prozent und mehr bedeutet. Die Allianz-Aktie weist ein KGV von 11 und eine Dividendenrendite über 5 Prozent aus - erheblich attraktiver als die Zinsen bei Fest- und Tagesgeldern.

In der Breite braucht man sich daher keine zu großen Sorgen hinsichtlich der Bewertungen machen. Andererseits ist die Stimmung aktuell schon wieder äußerst entspannt. Größere Kursrisiken werden kaum gesehen, obwohl statistisch zwischen Juni und Ende Oktober ein 10 Prozent Rücksetzer an den Aktienmärkten öfters auftritt.

Gründe für Nervosität gäbe es andererseits genug: Neben den Wahlen in Deutschland (Landtagswahlen im September) ist hier auch die US-Wahl zu nennen. Der Anschlag auf Trump und der Wechsel von Biden zu Harris haben gezeigt, wie schnell Unsicherheit aufkommen kann. Aber auch geopolitisch brodelt es weiter. Neben der Ukraine und Taiwan ist der Nahe Osten rund um Israel weiter extrem unruhig. Dies kann sich schnell hochschaukeln.

Schwache Konjunktur

Nicht zu vergessen und für die Unternehmen beinahe noch wichtiger ist die wirtschaftliche Aussicht. In Deutschland ist das Wachstum zum Erliegen gekommen, wie auch wir in der nördlichen Oberpfalz bei einheimischen Top-Unternehmen schmerzlich feststellen müssen. In China bleibt das Wachstum überschaubar. Lediglich die USA wachsen solide, wobei auch dort der Arbeitsmarkt Schwächesignale liefert.

In derartigen Konstellationen empfiehlt sich, bei Aktieninvestments auf qualitativ hochwertige Aktien, mit soliden Gewinnen und starken Marktpositionen sowie langfristigen Geschäftsmodellen - die besonders bei größeren Blue-Chip-Unternehmen zu finden sind - zu achten. Eine breite Streuung und Diversifikation hilft bei der Risikoreduktion, genauso wie ein aktives Risikomanagement. Risikoadjustierte Strategien haben das erste Halbjahr gut gemeistert und sind nach den jüngsten Kursavancen auch weiter eine interessante Möglichkeit, sowohl Chancen als auch Risiken im Blick zu behalten.

Hintergrund:

Zur Person: Robert Beer

  • Robert Beer ist Fondsmanager und Inhaber der Robert Beer Investment GmbH in Parkstein.
  • Als Buchautor befasst er sich zudem seit den 1980er-Jahren mit der Wirtschaft und den Kapitalmärkten.
 
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