Dutzende aufgeweichte Zigarettenstummel wabern im Schmelzwasser in der Feuertonne. Auf den ersten Blick wirkt das Bild abstoßend. „Ablenkung“ betitelte es Rebekka Müller aus Pechbrunn und schickte es beim Jugendfotopreis Oberpfalz 2021 ein. Dass sie mit diesem Foto einen Preis gewinnt, dachte die 16-Jährige selbst nicht. „Wenn, dann mit dem anderen Bild von einem Wildkräuter-Gericht, das ich eingeschickt habe.“
Rebekka fotografiert, seit sie neun Jahre alt ist. Ihre erste Kamera war eine Canon, die ihre Eltern für sie auf Ebay kauften. Am liebsten lichtet die Zehntklässlerin, die das Otto-Hahn-Gymnasium in Marktredwitz besucht, Pflanzen ganz detailliert ab oder macht Porträts. „Manche sehen nur eine grüne Wiese. Oft muss man aber genauer hingucken. Mich interessieren die Details“, sagt sie.
Die Wildkräuter fotografiert sie auch für ihre Mama, die eine Weiterbildung zur Fachberaterin für die Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen macht und sich dafür ein Herbarium anlegen will. Für Porträts müssen meist ihre jüngere Schwester oder ihre beste Freundin Modell stehen. Auch ihr Opa freut sich, wenn die Enkelin Fotos von ihm schießt. Besonders tolle Aufnahmen lässt die Schülerin für ihre Oma dann auf Leinwand drucken.
Motiv durch Zufall entdeckt
Schon seit einigen Jahren macht sie bei Fotowettbewerben mit – und hat auch schon einige Male etwas gewonnen. Etwa einen Sonderpreis beim Blende-Wettbewerb oder den ersten Platz beim Topinambur-Fotowettbewerb der Öko-Modellregion Steinwald. Zunächst fiel Rebekka zum diesjährigen Thema des Jugendfotopreises der Oberpfalz nicht recht ein, was sie fotografieren soll. Die eingereichten Fotos sollten das Thema „Trau dich – life begins at the end of your comfort zone“ behandeln.
Dann beobachtete Rebekka ihren Vater im Winter beim Rauchen. Seine Kippen warf er in die Feuertonne auf der Terrasse. „Ich fand die eingefrorenen Zigarettenstummel und die Eisblasen rund herum super interessant. Auch wie die Farben wirkten – das nikotingelb und das eisblau“, erklärt sie.
Mit dem Foto beleuchtete sie das Thema Sucht in der Corona-Pandemie. „Jeder von uns hat irgendwas, womit er nicht aufhören kann. Manchmal sind es einfach nur Süßigkeiten oder dass man das Handy nicht mehr weglegen kann. In dieser schweren Zeit fangen viele Menschen mit irgendwelchen Dingen an, um sich abzulenken. Manche sind nicht gefährlich, andere wiederum gefährden die Gesundheit, wie zum Beispiel Drogen, Selbstverletzung, Alkohol oder Zigaretten. Viele schaffen es, aus dieser Komfortzone wieder rauszukommen, andere aber brauchen professionelle Hilfe“, schreibt sie als Erklärung.
Ästhetik des Abstoßenden
Anfang Mai wurden dann die Jugendfotopreise der Oberpfalz in einer Online-Veranstaltung verliehen. Rebekka holte mit ihrem Foto „Ablenkung“ den 3. Platz der Alterskategorie 14 bis 17 Jahre. Jurymitglied Annabelle Jüppner vom Institut für Medienpädagogik (JFF) lobte vor allem die Aussage hinter der Aufnahme: „Sucht ist seit Beginn der Pandemie fast vollständig aus der Öffentlichkeit verschwunden. Und trotzdem ist sie da – wenn auch nur als Ablenkung“. Auch gestalterisch überzeuge das Foto, so die Medienpädagogin weiter. „Rebekkas Bild wirkt auf den ersten Blick nicht gerade einladend: abgebrannte Zigarettenstummel liegen auf einem Haufen, achtlos weggeworfen in brackiges Wasser. Die Faszination des Fotos ergibt sich genau daraus: aus dem Ekel, der Ästhetik des Abstoßenden.“ Ein Bild mit Tiefgang, meint Jüppner. Den Preis überreichte Mitveranstalter Dominik Huber vom Zentrum für junge Kultur W1 in Regensburg.
Die Jugendlichen konnten vor der Preisverleihung in Workshops ihre Fähigkeiten verbessern. Ehemalige Teilnehmer des Jugendfotopreises sowie professionellen Fotografen gaben dem Nachwuchs Tipps. „Das hat richtig Spaß gemacht“, sagt Rebekka. „Da kann man echt viel mitnehmen.“
Theorie selbst beigebracht
Die Theorie rund um das Fotografieren hat sie sich aber größtenteils selbst beigebracht. Vor einem Jahr kaufte sich die 16-Jährige eine Systemkamera der Marke Fujifilm. „Da habe ich mehr Möglichkeiten, mich auszuprobieren“, findet sie. Aktuell versucht sich die Pechbrunnerin in Langzeitbelichtungen und Porträts in schwarz-weiß. Aber eigentlich bearbeitet sie ihre Bilder nur selten. „Ich mag es lieber authentisch.“ Auch die analoge Fotografie würde sie gerne mal ausprobieren. „Es ist spannend, wenn man erst später beim Entwickeln sieht, ob das Bild was geworden ist. Da muss man sich noch mehr auf das Motiv konzentrieren.“ Meistens pirscht sie stundenlang durch Wiesen und Wälder auf der Suche nach einem geeigneten Motiv. Oft trifft man die Gymnasiastin mit ihrer Kamera bei der Kapelle am Steinhübel.
Neben der Fotografie hat die 16-Jährige noch andere Hobbys. Mit ihrer Mama betreut die Älteste von drei Geschwistern fünf Bienenvölker. Und seit vergangenem Jahr ist die Schülerin stolze Besitzerin von elf Hühnern. Auch die hat sie schon porträtiert.
Zur Person
- Rebekka Müller ist 16 Jahre alt und kommt aus Pechbrunn
- Sie besucht die 10. Klasse am Otto-Hahn-Gymnasium in Marktredwitz
- Die Schülerin fotografiert seit sieben Jahren
- Rebekka Müller erhielt schon einige Preise bei regionalen und überregionalen Wettbewerben
- Weitere Hobbys: Die 16-Jährige hat elf Hühner und betreut mit ihrer Mama fünf Bienenvölker
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