Die "Kunsthalle Pertolzhofen" ist die kleinste ihrer Art in Deutschland -aber sie erweist sich als recht krisenfest. Als sie 2007 am Bayerisch-böhmischen Freundschaftsweg installiert wurde, war die Grundidee, hier allen Besuchern Tag und Nacht einen Zugang zu ermöglichen und dabei Personalkosten zu sparen. Die Halle, ein Container, sollte an jeden Ort transportierbar sein, und Interessierten ohne Hemmschwelle Einblick in moderne Kunst gewähren. Zwar trennt Glas die Kunstinteressierten von den Ausstellungsstücken, dafür sind die Objekte über die Fenster im Container rund um die Uhr einsehbar. Sogar eine Beleuchtung gibt es, falls die Photovoltaikanlage auf dem Dach genügend Energie produziert. "Coronatauglich" sei die Kunsthalle somit, meint ihr Initiator, der Pertolzhofener Kunstvereinsvorsitzende Heiko Herrmann.
"Die Kunsthalle Pertolzhofen war in den letzten Wochen einer der wenigen Orte in der Oberpfalz, die ihre Kunst den Leuten zeigen konnte", überlegt Herrmann. Wegen der Fensterabstände, die deutlich mehr als 1,5 Meter auseinander liegen, könnten sogar mehrere Personen gleichzeitig die Objekte bestaunen. Aktuell ist im Container eine ziemlich bunte Sammlung zu sehen mit dem Titel "Aus den Höhen und Tiefen der 25 Pertolzhofener Kunstdingertage". Viele dieser Werke sind nur ein paar Meter weiter im Atelier oder Garten des Kunstvereinsvorsitzenden entstanden, der jährlich für zwei Wochen Künstler aus der ganzen Welt zu einem Symposium einlädt. Heuer stand im Sommer die 26. Veranstaltung dieser Art auf dem Plan, doch "aus gegebenen Umständen" muss dieses Treffen entfallen. Der 67-Jährige, der mit Beginn der "Corona-Panik" in München auf seinen Wohnsitz im ländlichen Pertolzhofen geflüchtet ist, hofft nun zumindest auf ein Fest im August mit Musik, Bildern und Skulpturen - und natürlich mit den Künstlern, die für dieses Jahr eingeladen waren.
Flucht aufs Land
"In München ist die Situation mit Corona unerträglich, die Leute beobachten sich gegenseitig und drohen mit der Polizei, wenn sie den Verdacht haben, dass sich jemand nicht richtig verhält", berichtet der Künstler Hermann, der mit seiner Frau Rosemarie gerade jetzt die Weite der Oberpfälzer Landschaft dem eng gewordenen Leben in der Großstadt vorzieht. "Hier auf dem Land sind Beschränkungen besser auszuhalten", meint der 67-Jährige, der sich selbst wegen seiner Vorerkrankungen in der Corona-Risikogruppe verortet. "Man träumt halt davon, dass man mal essen gehen könnte", gesteht er. "Das alles drückt auf die Stimmung", meint er mit Blick auf die erzwungene Einsamkeit. Doch da gibt es seit den neuen Corona-Regelungen vom Dienstag wieder einen Lichtblick. Was aber nichts an der Tatsache ändert: "Den meisten Künstlern geht es jetzt ziemlich nass rein, das ist brutal, wenn es nicht mehr für die Miete reicht", gibt er zu bedenken. Aber man dürfe sich auch nicht unterkriegen lassen: "Wir Künstler müssen schauen, dass wir mit unseren Werken wieder an die Öffentlichkeit kommen."
Bedingt durch die lange "Corona-Sperre" der Ausstellungshäuser wuchs das Interesse von Interessenten an der "Kunsthalle". "Ich kriege eine Menge Anfragen rein", berichtet Herrmann, der allerdings bei der Auswahl der bisherigen Linie treu bleiben will. Die bestehende Ausstellung wird in den nächsten Wochen weiterlaufen. Seine eigenen Werke sind aktuell in Ahlen (Nordrhein-Westfalen) zu sehen.
Doch Heiko Herrmann hat schon wieder Pinsel und Spachtel zur Hand genommen. Gerade hat er sein erstes Ölbild fertiggestellt, das auch von jener "Kugel mit Stacheln" inspiriert ist, die jetzt jeden Tag in den Nachrichten auftaucht. "Corona hier" lautet der Titel des großformatigen Werks.
Jenseits des Fortschritts
Sein Schöpfer arbeitet längst an einem neuen Konzept für eine nächste Ausstellung, die sich damit auseinandersetzt, dass es in der Kunst keinen linearen Fortschritt von der Höhlenmalerei zum "schwarzen Quadrat von Malewitsch" gibt. "Kunst sollte einen erstaunen und nichts mit einer fortschreitenden Vollendung zu tun haben", sagt Heiko Herrmann und plädiert für den rauschhaften Augenblick im Malprozess. Der Titel für diese philosophischen Hintergrund-Betrachtungen ist auch schon gefunden: "Das Ziel ist im Weg".
Den meisten Künstlern geht es jetzt ziemlich nass rein, das ist brutal, wenn es nicht mehr für die Miete reicht.
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