"Es macht keine Freude, maskiert Kunst zu machen", stellt Künstler Heiko Herrmann fest. Normalerweise wäre er in diesen Tagen Gastgeber für fünf oder sechs Künstler, die zwei Wochen lang gemeinsam den Pinsel schwingen, Skulpturen zimmern oder Skizzen malend die Gegend rund um Pertolzhofen unsicher machen. Doch in Zeiten von Corona schien es dem Vorsitzenden des Pertolzhofener Kunstvereins absurd, die "Kunstdingertage" zu veranstalten. Schließlich ist nicht Abstand, sondern Austausch das Ziel des zweiwöchigen Symposiums.
"Es gab mal ein Vermummungsverbot, jetzt gibt's das Vermummungsgebot", klagt Herrmann und fügt hinzu: "Kunst entsteht im Dialog, nicht unter Quarantäne." Als kleinen Trost hat er eine Ausstellung organisiert, die Werke aller ursprünglich geladener Künstler versammelt. Und es ist eine recht bunte Sammlung geworden, die da in der "Kunsthalle Pertolzhofen", einem Container am Bayerisch-böhmischen Freundschaftsweg, die Stellung hält. "Fünf Fenster im Abstand von 1,50 Metern, da kann nichts passieren", scherzt der Kurator mit Blick auf die Scheiben, über die der Container rund um die Uhr einsehbar ist.
Dort hängt gleich gegenüber der Türe an der weiß gestrichenen Container-Wand ein farblich recht zurückhaltendes Werk von Ruth Massó. "Diamante" lautet hier der Titel dieses Werks in Mischtechnik. Gleich daneben sticht als Kontrastprogramm ein orangefarbener "Löwenzahn-Zaun" ins Auge, den Michele Bernardi 1995 bei einem Aufenthalt in Pertolzhofen zurückgelassen hat. Herrmann schmunzelt, wenn er an die Story zu dem Objekt denkt, das er für die Ausstellung ein wenig "reanimieren" musste. Zu seiner Verwunderung hatte der Schöpfer dieser Skulptur tagtäglich Tennisturniere im Fernsehen verfolgt, um dann am letzten Tag seines Aufenthalts einen Endspurt mit der Stichsäge hinzulegen. Für ein einzelnes Löwenzahnblatt hat der Gast aus Wolkenstein aus einer Auto-Fußmatte damals auch noch einen Schatten gefertigt und die dazu gehörige Schablone aus Karton hinterlassen.
Dem Radsport hatte sich dagegen ein anderer Gast in Pertolzhofen verschrieben: Jürgen Palmtag. "Genauso Pampa wie bei mir daheim in Schömberg-Schörzingen", lautete sein Kommentar zu dem kleinen Ort in der Gemeine Niedermurach. Seine Skizzen auf dem Din-A-4-Block zog er per Plotter-Druck später etwas größer auf, zu einer Art Porträt mit Strommasten, das an einen Scherenschnitt erinnert. Ebenfalls auf Schwarz und Weiß beschränkt sich Anna Tretter aus Amorbach bei ihrem Werk, das den Titel "Negre vert" trägt und thematisch mit einer Ausstellung verknüpft ist, die unter "Kunst am Bau" in der Polizeidirektion Reutlingen für einen Hingucker sorgt. Präzise Formen sind da in Siebdruck auf Folie zu sehen.
Kunst entsteht im Dialog, nicht unter Quarantäne.
Ein Bild spiegelt für den verhinderten Gastgeber heuer ganz besonders gut die Situation der Künstler in der Pandemie: "Geht schwer, klemmt aber gut", lautet der Titel eines etwas verfremdeten Fotos, das Palmtag als neuen Beitrag nach Pertolzhofen geschickt hat. Es zeigt den kaputten Rotor eines Windrads, das offensichtlich im Sturm einfach abgeknickt ist. Zwischen die Werke seiner Beinahe-Gäste hat Künstler Heiko Herrmann Eigenes gestreut: eher archaische Skulpturen mit Titeln wie "Wettstreit", "Diana II" "Außenwelt-Stabilisator" oder "So ein Ding". Und mittendrin hängt ein großformatiges Ölbild, dem Herrmann den Titel "Corona hier? Nummer 2" gegeben hat. "Das Virus, es hat ja auch etwas Positives", räumt er ein, "man kommt aus dem ganzen Betrieb raus und kann in Ruhe malen". Doch vor allem junge Maler trifft es brutal, "einige leben von Hartz IV und müssen ihr Atelier aufgeben", weiß Herrmann. In diesen Zeiten bewahrheitet sich für ihn etwas, was ein Künstlerkollege auf die Frage geantwortet hat, wovon er eigentlich lebt: "auf dem Rücken meiner Freunde".
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