Das große Gackern geht weiter: Hobby "Hühner" bleibt aktuell

Pfreimd
23.04.2023 - 13:23 Uhr
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Der Hühnerhof braucht frisches Blut. In der Corona-Pandemie haben nicht wenige das Federvieh als Hobby entdeckt – und sind ihm treu geblieben. Wartelisten für Nachschub sind in Pfreimd jetzt kein Problem.

"Warteliste bei Pfreimder Geflügelhof" hieß es im Sommer 2020 bei Oberpfalz-Medien. Der Grund: In der Corona-Pandemie gab es plötzlich viel Zeit für Hobbys, und nicht wenige entdeckten abseits vom Bauernhof ihr Faible fürs Federvieh. Weil sich alle gleichzeitig Hühner zulegen wollten, führte das zu Engpässen. Jetzt ist die Lage entspannt, aber der Boom hält an. Weißes Leghorn, Schwarze Bovans, Blausperber, Grünleger, Maran oder Susex sind keine Fremdwörter mehr, und "die Braune" ist auch noch begehrt.

"Früher haben vor allem Landwirte Hühner gehalten, jetzt sind es viele Familien mit Kindern", sagt Monika Menzl-Hirmer, die 1988 die elterliche Geflügelzucht in Pfreimd übernahm und seither alle Trends verfolgen kann. Mit der Corona-Krise stieg das Interesse an Hühnerhaltung enorm. "Das hat was mit den Leuten gemacht", meint sie, "wie beim Salat aus dem eigenen Hochbeet sind eben frische Eier von eigenen Hühnern was anderes als die aus dem Supermarkt." Und der Boom scheint auch nach Ausgangssperre und Kurzarbeit anzuhalten. "Wer einmal investiert hat, hört so schnell nicht auf", ist die Tierwirtin für Geflügel überzeugt.

Wer sie im Geschäft in der Pfreimder Bahnhofstraße besucht, bekommt einen Eindruck von dem Hobby, das nach Einschätzung von Menzl-Hirmer etwa zu einem Drittel neue Fans gefunden hat. Mal gehen zwei Braune plus zwei Königsberger über den Ladentisch, dann sind Grünleger gefragt. "Wie kennt man die auseinander?", will ein Kunde wissen. "Tja, das ist eine Wissenschaft für sich", sagt die Fachfrau und verweist auf grünlich schimmernde Ohrscheiben. "Schmecken die Eier der unterschiedlichen Rassen anders?", fragt sich der Laie. "Kaum", lautet die Antwort, "aber es ist schon eine Gaudi, wenn das Ei grün ist."

Während ständig neue Bestellungen aufgenommen werden, wartet nebenan schon das georderte Federvieh in einer Kiste auf Abholung. "Lebende Tiere kann man nicht im Regal stapeln wie andere Ware", erklärt die Chefin ihr Bestellsystem. Nach der Winterpause ist Ende Februar für die Hennen das Einstallen angelaufen. Enten und Gänse sind jetzt erst verfügbar, die noch empfindlicheren Puten und Perlhühner gibt es im Mai. Knapp drei Tage dauert es, bis die jungen, etwa 20 Wochen alten Hennen nach der Reise mit Start in einer Brüterei und Zwischenstation bei einem Aufzuchtbetrieb hier an Privatkunden vermittelt werden.

Fast jeder neue Kunde bringt ein Frage mit. Darf ich das füttern? Brauchen die Tiere Vitamine? Was mache ich gegen Milben? Gerade für Neukunden, die nicht mit Hühnern aufgewachsen sind, ist vieles nicht selbstverständlich, zum Beispiel die Sache mit dem "Zweitnutzungshuhn": Sollte es brüten, würde bei diesen Rassen bei männlichen Tieren mehr Fleisch anfallen. "Doch das Brüten mögen die meisten Leute sowieso nicht", klärt die Expertin auf. Und mit dem Schlachten hätten viele ebenfalls ein Problem.

Warum nur ein Ei?

Dabei ist die Phase der Hauptlegeleistung bei Hühnern schnell vorbei, und zwar nach ein bis zwei Jahren. Wer sich also zu Beginn der Pandemie mit jungen Hennen eingedeckt hat, sollte langsam an frisches Blut denken. "Klar gibt es da 'Omas', die auch im Alter von sieben Jahren noch legen", weiß Menzl-Hirmer, "aber wer viele Tiere hat, wird nicht lange warten." Mit Kopfschütteln sieht sie so manchen Rat aus dem Internet auf Fragen, die früher so nie gestellt wurden. Sie kennt die Angst der Neulinge, etwas falsch zu machen und auch ihre Vorurteile. "Ich habe drei Hühner, wieso gibt es heute nur ein Ei?", wollen Ungeduldige wissen. "Ein Huhn ist eben keine Maschine und kein Lebewesen, das sich manipulieren lässt", muss die Tierwirtin dann erklären.

"Wer sich einmal eingearbeitet hat in die Hühnerhaltung, der bleibt meistens dabei", schätzt Menzl-Hirmer. Aus anfangs zwei bis drei Hühnern werden mehr. "Wenn jemand allerdings nur ein 400 Quadratmeter großes Grundstück hat, kann es schon sein, dass er den Platz für den Mist nicht einkalkuliert hat", stellt sie fest. In einem solchen Fall lassen sich Tröge und Tränken problemlos an andere weitergeben. "Die Anschaffungskosten sind ja nicht hoch." 12 bis 13 Euro kosten aktuell die Jungtiere, wie alles sind auch sie in den vergangenen Jahren um 1 bis 2 Euro teurer geworden. Die Preise für Futter sind nämlich erheblich gestiegen, auch die Kosten für Personal, Sprit und Gas machen sich da bemerkbar.

Die Vogelgrippe spielt da hingegen keine Rolle, meint die 52-Jährige, die sich noch an Zeiten erinnert, als im Familienbetrieb in Pfreimd die Tiere selbst großgezogen wurden. Wegen des "Keimdrucks" mache es aber durchaus Sinn, den ständigen Austausch aufs Ende der Lieferkette zu verlagern. Der Stall ist ohnehin tabu für fremdes Publikum und nur über eine Schleuse zugänglich. Gegen einen Erreger ist das Federvieh immerhin schon geimpft: die Newcastle Disease, eineViruserkrankung.

Bonus für Nachbarn

Kleinere Wehwehchen im Hühnerstall lassen sich mit "Darmwohl", und Naturmedizin für die Bronchien kurieren, und sogar gegen Milben gibt es ein Kräuterelixier. Schließlich wird so manches Huhn im Lauf der Zeit vom reinen Nutztier zum zutraulichen Streicheltier. "Wer Fliegenlarven anbietet, dem fressen sie schnell aus der Hand", schmunzelt die Tierwirtin.

Überhaupt sei so ein Huhn viel problemloser als ein Hund, der nun mal keine Eier legt. "Im Urlaub kümmern sich Nachbarn meist gern um die Versorgung der Hühner, sie kriegen ja dafür die Eier", so die Erfahrung der Tierwirtin, die 1994 als Beste in ganz Deutschland ihre Meisterprüfung absolviert hat. "Jetzt ist das ein exotischer Beruf, den in Deutschland nur noch zwei bis drei Personen im Jahr ergreifen." Ob sich von Monika Menzl-Hirmers Begeisterung für Geflügel auch eins der Kinder soweit anstecken lässt, einmal den Betrieb zu übernehmen, das, so die Tierwirtin "steht noch in den Sternen".

Hintergrund:

Einsteiger-Tipps zur Hühnerhaltung

  • Stall: sollte mäusedicht sein und vor Kälte schützen (zumindest sollte die Tränke nicht einfrieren) und ein Lege-Nest oder einen Korb enthalten; laut gesetzlichen Vorgaben mindestens ein Quadratmeter für neun Hühner
  • Futter: am besten zwei Drittel Legemehl, ein Drittel Getreide; Essensreste allein nicht ausreichend, Gras kann nicht richtig verwertet werden (kein Labmagen); Menzl-Hirmer: "Man kann da nicht viel falsch machen, einfach füttern ad libidum (so oft und so viel wie das Tier will)."
  • Pflege: Ausmisten nach Bedarf (Einstreu sollte trocken sein), Ungeziefer-Kontrolle (Spuren unter der Sitzstange)
 
 

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