"Da passt immer noch einer rein", sagt Gisela Hösl, und macht Platz auf der Bank neben dem Eingang zur Küche. Zusammenrücken, das ist die Devise beim Seniorentreff jeden ersten Freitag im Monat. Drei große Tische passen in die warme Stube des Gasthauses "Zum Stern" im Pfreimder Ortsteil Untersteinbach. Von so mancher Weißwurst ist um 10 Uhr, wenn die Musiker einmarschieren, nur noch das Häutchen übrig. Dabei ist die bayerische Spezialität inzwischen sogar Namensgeber für eine dreiköpfige Band, die hier für Stimmung sorgt.
Ersatz für Nikolaus
Angeführt von Peter Pradel und seinem Schifferklavier zwängen sich Robert Hösl mit seinem Baritonhorn und Richard Hösl mit der Gitarre auf die letzten freien Quadratmeter. Auch eine Weißwurst-Prinzessin hat diesmal noch Platz neben der "Weißwurst-Muse". Der Nikolaus, des wär doch "nix gscheits", meint Pradel, einen Engel habe er nicht gefunden, da habe man halt diesmal die Weißwurst-Prinzessin Lena Nagler aus Woppenhof mitgebracht. Die 19-Jährige Finalistin bei der Wahl zur Weißwurst-Königin lässt sich nicht lange bitten und erzählt freimütig von dem Wettbewerb, wo man wissen soll, wann die Weißwurst entstanden ist, was drin ist, und warum sie weiß ist. Im Dirndl und mit Schärpe will die Bankkauffrau eine Lanze brechen fürs Metzgerhandwerk, wenn nicht gerade der Böhmische Wald und das Erzgebirge besungen werden.
Wie lange es das zünftige Weißwurstfrühstück für Senioren bei den Wirtsleuten Renate und Justin Herdegen schon gibt, weiß keiner von den Gästen so genau, nur dass es immer mehr geworden sind bei den Treffen an jedem ersten Freitag im Monat. So ungefähr 15 Jahre, lautet die Schätzung, mitgezählt hat keiner und missen will den Termin auch niemand.
"Erzählt nicht so viel, sonst kommen noch mehr", warnt Georg Reil scherzhaft die auskunftsfreudige Runde. Ein lautstarkes "Prosit der Gemütlichkeit" verschluckt weitere Kommentare.
Nabburger und ein "Preiß"
"Das einzig Gute an unserer Muse ist, dass wir Musiker für die Weißwürst' nicht zahlen müssen", sagt Pradel und taucht begeistert die Gabel mit der Wurst in den süßen Senf. "Für manche ist das Frühstück und Mittagessen in einem", erklärt einer der Gäste und fügt hinzu: "Der da hinten, der isst immer gleich vier, der kriegt daheim nix." Ein "Preiß" (Preuße) sei übrigens auch da", trägt ein anderer der Presse zu, und am Tisch an der Tür da säßen die Nabburger. So etwas wie hier, das gibt's in der Nachbarstadt nicht, so die einhellige Überzeugung.
"Da muss schon etwas ganz Wichtiges passieren, damit das Weißwurst-Frühstück ausfällt", erklärt Hans Kiener, der als Untersteinbacher die Tradition pflegt und fast alle hier kennt. "Ich sag immer: Wenn hier mal einer reinkommt, der noch keine Rente hat, der macht eine Schnupperlehre", witzelt er.
Inzwischen haben die Musiker aufgegessen und begleiten Lena Nagler bei ihrem Gstanzl, in dem sie zwischen Holladihi und Holladiho die Weißwürste vom "Dofferl" (örtliche Metzgerei Paulus) preist. Dafür belohnt die "Musi" sie mit einem Blumenstrauß, in den auch ein paar Mini-Weißwürste eingebunden sind - allerdings aus Marzipan. Wirtin Renate Herdegen muss schnell den Topf mit den restlichen Würsten vom Gasherd nehmen, denn jetzt wird sie besungen. "Griaß di Gott Frau Wirtin" schmettern Musiker und Gäste und klatschen dabei in die Hände. Und weil an diesem Tag auch ein paar Frauen da sind, setzten die Musikanten gleich noch eins drauf mit "A Wei is a Drum vo an Deifl".
Traditionell bis Zwölf
Viel Zeit bleibt nicht mehr bis 12 Uhr, wenn alle Teller leer sein sollten. Hier wirkt wohl die "Mär vom Zwölfuhrläuten" (siehe Info-Element) noch ein wenig nach. Wer dann noch immer im Wirtshaus sitzt, gilt jedenfalls als "Hockl". "Die Namen solltens aufschreib'n für Zeitung", so ein vertraulicher Tipp aus der munteren Runde, in der nach knapp 100 Weißwürsten, 70 Brezen und viel Gesang alle satt geworden sind.
Nicht immer vor dem "Zwölfeläuten"
(bl) Die Weißwurst darf das Zwölfeläuten (Mittagläuten) nicht hören: Diese Faustregel gilt heute nicht mehr. Früher hatte sie aber durchaus ihre Berechtigung. Diese Wurst wurde nämlich ursprünglich mit rohem Brät hergestellt, in einer Zeit begrenzter Kühlmöglichkeiten. "A alte Weißwurst kommt gleich nach dem Knollenblätterpilz", soll wegen der leicht verderblichen Ware ein Wirt mal geäußert haben. Inzwischen gehen gebrühte Würste über die Ladentheke, sie sind viel weniger empfindlich. Seit 2017 gibt es auch einen "Tag der Weißwurst", ausgerufen am 22. Februar in Bodenmais, wo im Oktober 2019 auch die siebte bayerische Weißwurst-Königin gewählt wurde: Der Titel ging an die 23-jährige angehende Metzgermeisterin Franziska Schalk aus dem oberbayerischen Weilheim, Lena Nagler aus Woppenhof (Wernberg-Köblitz) landete auf einem dritten Platz und rückte später sogar noch nach auf Platz zwei.
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