Pfreimd
08.03.2019 - 17:07 Uhr

Teenies breiten die Flügel aus

Fürs Autofahren brauchen 17-Jährige noch eine Begleitperson, im Gleitschirm durch die Lüfte segeln dürfen sie ohne Aufpasser. Johannes Schatz und Tobias Ruhland haben die Lizenz dazu – und sie kennen ihr Risiko.

Johannes Schatz in seinem Element: Der Gleitschirmflieger hat schon seit ein paar Jahren die Lizenz für eine Tour über den Wolken. Bild: exb
Johannes Schatz in seinem Element: Der Gleitschirmflieger hat schon seit ein paar Jahren die Lizenz für eine Tour über den Wolken.

Frei in der Luft schweben, den Wind spüren, meterhoch über dem Boden: "Da rast der Puls", das wissen auch die beiden jüngsten Piloten beim Deltaclub von Fensterbach: Johannes Schatz aus Schwarzenfeld ist 19 und schon seit einigen Jahren in den Lüften unterwegs, Tobias Ruhland aus Pfreimd ist 17 und stolzer Besitzer der A-Lizenz, die ihm einen Solo-Flug mit Start in Dürnsricht ermöglicht - ohne Motor, aber auch ohne Begleitung. "In Deutschland kann man ab 15 die Prüfung machen, in Österreich sogar noch ein Jahr früher", weiß Johannes Schatz, der seinen Radius längst über den Heimat-Startplatz hinaus erweitert hat.

Was ist das für ein Gefühl, als Pilot mit Gleitschirm in der Luft so ganz auf sich allein gestellt zu sein? "Autofahren ist gefährlicher", lautet die prompte Einschätzung der beiden Teenager. "Beim Fliegen sind nicht so viele Leute unterwegs und Straßenglätte spielt da oben auch keine Rolle", so ihre nüchterne Feststellung. "So viele Unfälle passieren beim Fliegen gar nicht, es steht nur jeder Fall in der Zeitung", meint der Schwarzenfelder Nachwuchs-Flieger. Und wie am Steuer sei Alkohol auch in der Luft tabu, ergänzt Tobias Ruhland, dessen Flugbahn aktuell noch auf einen Zehn-Kilometer Umkreis begrenzt ist. Das garantiert der Luftfahrerschein für Luftsportgeräteführer (Sport Pilot License) mit Bundesadler und Stempel.

Tobias Ruhland (links) und Johannes Schatz sind die Jüngsten beim Fenstbachtaler Deltaclub. Im Flur demonstrieren sie, wie bequem man unter einem Gleitschirm dahinsegelt. Bild: bl
Tobias Ruhland (links) und Johannes Schatz sind die Jüngsten beim Fenstbachtaler Deltaclub. Im Flur demonstrieren sie, wie bequem man unter einem Gleitschirm dahinsegelt.

Väter der Jungen erfahrene Flieger

Über ein Jahr hat Tobias Ruhland für diesen Schein trainiert und gebüffelt, "weil da auch einige Schulaufgaben dazwischen lagen". Erschwerend kam hinzu, dass er ja in diesem Alter nicht selbst zur Nürnberger Flugschule fahren konnte. "Technik und Verhalten in besonderen Situationen" hat er dort gelernt, dazu kamen Luftrecht, Meteorologie und Gerätekunde. Wie sein 19-jähriger Kumpel aus dem Verein konnte auch er schon auf eine ganze Portion Flug-Praxis zurückgreifen: In beiden Fällen sind die Väter erfahrene Flieger, im Tandem hatten die Söhne schon früh die Erde von weit oben gesehen.

Den Ambitionen der jungen Piloten standen die Eltern nicht ganz sorglos gegenüber. "Gleitschirmfliegen ist nach wie vor ein Risiko-Sport", warnt Karl Ruhland, der Vater von Tobias, "die Luft hat keine Balken". Der 50-Jährige hat rund 3000 Flüge hinter sich. "Der einzige blaue Fleck, den ich mal abbekommen habe, stammt vom Tragegurt", berichtet er, "aber es gibt genügend Kollegen mit anderen Erfahrungen". Und schon ist er mittendrin in einer Diskussion mit Junior-Flieger Johannes Schwatz über Hochleistungs-Gleitschirme, die so viel Pilotenkönnen voraussetzen, und solchen die Fehler verzeihen und somit auch für weniger erfahrene Piloten geeignet sind.

Video zum Paragliding

Aus Erfahrung vorsichtig

"Die größte Gefahr ist Überschätzung, das größte Risiko ist der Pilot selbst", sagt der erfahrene Gleitschirm-Fan. "Je länger ich fliege, desto vorsichtiger werde ich." Aber natürlich ist auch er stolz auf den Nachwuchs im Verein, in dem "jedes Jahr das Durchschnittsalter höher wird". Die Mitgliederzahl bei den Fensterbachtaler Deltafliegern ist mit 50 recht überschaubar.

Während Tobias Ruhland noch auf den Frühling wartet muss, bis der Flugbetrieb an der Winde am Flugplatz in Dürnsricht wieder aufgenommen wird, nutzt Johannes Schatz beispielsweise auch das Fluggelände Buchberg bei Kemnath. "Im Winter muss man sich halt ganz schön warm einpacken", berichtet der 19-Jährige, der vor dem Start oft mehrere Wetterberichte konsultiert. Mit Thermik, die ihm schon Flüge über Strecken von annähernd 100 Kilometern beschert hat, ist dann kaum zu rechnen.

Genuss plus Ehrgeiz

Auf etwa 300 Flugstunden im Jahr kommt der 19-Jährige, der ganz bewusst den Beruf des Industriemechanikers gewählt hat, um bedingt durch den Schichtdienst viel Freiraum für sein Hobby zu haben. Fliegen, das ist für ihn in erster Linie Genuss: "Aber der Ehrgeiz ist natürlich auch da", räumt er ein. Ein wenig süchtig mache das Schweben so weit über dem Boden freilich auch, gestehen die beiden Nachwuchs-Flieger, bei denen der Puls längst nicht mehr so rast wie beim ersten Mal. Den Rettungsschirm haben sie noch nie gebraucht. "Da muss schon viel schiefgegangen sein, wenn der zum Einsatz kommt", sind die beiden überzeugt. "Und meistens ist man ja weit oben und hat noch viel Zeit zum Reagieren", so die Überlegung von Tobias Ruhland.

Die größte Gefahr ist Überschätzung, das größte Risiko ist der Pilot selbst.

Karl Ruhland

Gleitschirmfliegen muss kein einsames Hobby sein. Auch das haben die Nachwuchssportler schon gelernt und in einem Schnappschuss die Kollegen aufs Bild gebannt. Bild: exb
Gleitschirmfliegen muss kein einsames Hobby sein. Auch das haben die Nachwuchssportler schon gelernt und in einem Schnappschuss die Kollegen aufs Bild gebannt.
Tobias Ruhland vertraut auf dieses blaue Polster, das eine safte Rückkehr auf den Boden garantiert. Bild: exb
Tobias Ruhland vertraut auf dieses blaue Polster, das eine safte Rückkehr auf den Boden garantiert.
Gleitschirmfliegen zählt zu den Risiko-Sportarten. Tobias Ruhland schreckt das nicht, aber er hat gelernt, die Gefahren ernst zu nehmen. Bild: exb
Gleitschirmfliegen zählt zu den Risiko-Sportarten. Tobias Ruhland schreckt das nicht, aber er hat gelernt, die Gefahren ernst zu nehmen.
Info:

Fensterbachtaler Delta-Club

Der Fensterbachtaler Delta-Club (www.fensterbachflieger.de) ist ein Verein von Drachen- und Gleitschirmfliegern, der vor rund 30 Jahren gegründet wurde. Die gemeinsamen Flugaktivitäten gehen hauptsächlich von einem sogenannten Schleppgelände in Dürnsricht aus. Dort nutzen die Mitglieder eine neue "Kirchner K6- Doppeltrommelwinde" auf der rund 1000 Meter langen Startbahn am Südrand der Ortschaft. Hier wird aktiv geschleppt, auch häufig unter der Woche. Von hier aus haben geschickte Piloten unter optimalen Bedingungen sehr weite Strecken gemeistert: Das tschechische Temelin, Bamberg, Würzburg, Schweinfurt, Schwäbisch Hall, Landshut, Passau oder Linz stehen auf der Liste der Orte, die von hier aus angesteuert wurden. Infos zur Ausbildung für Gleitschirm-Flieger gibt es über den Deutschen Hängegleiterverband (DHV), dem weltweit größten Zusammenschluss von Gleitschirm- und Drachenfliegern.

 
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