Wildschwein Mangelware: Gulasch-Topf auf Pfreimder Adventsmarkt bleibt leer

Pfreimd
25.11.2022 - 15:44 Uhr
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Das Wildgulasch auf dem Pfreimder Adventsmarkt hat einen guten Ruf. Doch heuer bleiben die Teller leer, denn Wildschweine sind rar, und das wohl flächendeckend. Die Jäger machen dafür gleich mehrere Ursachen aus.

"Wir bringen heuer einfach das Wildbret nicht her", bedauert Dietmar Maier den Ausfall. Er ist Vorsitzender der Hegegemeinschaft Pfreimd, die seit vielen Jahren mit einem Stand auf dem Pfreimder Adventsmarkt vertreten ist. Am Samstag, 26. November, wäre es wieder soweit. Aber heuer müssen die Jäger passen, der große Topf mit dem beliebten Gulasch aus Reh- und Wildschweinfleisch kann unmöglich gefüllt werden, zumindest nicht mit Abschüssen aus der Umgebung. "Uns fehlen etwa 200 Kilogramm Fleisch, das sind in etwa drei große Wildschweine", kalkuliert Maier. Dass das kein Zufall ist, offenbart ein Blick in die Statistik.

Die statistischen Anhaltspunkte gibt es durch die Messstation der Kreisgruppe Nabburg, die 2004 angeschafft wurde. Seit 2008 ist die Station, mit der in Pfreimd die radioaktive Belastung von Wild in Becquerel gemessen wird, staatlich anerkannt. Dort kann dann auch eine Entschädigung für Jäger bestätigt werden, deren Beute nicht für den Verzehr geeignet ist. Und die aktuellen Zahlen sprechen Bände: In den vergangenen Jahren wurden weit über 100 Wildschweine auf ihre radioaktive Belastung hin getestet, im Vorjahr 170, heuer waren es bislang gerade mal 57 - und das Jahr ist fast um.

Dietmar Maier hat noch genauer hingeschaut und die Daten speziell für den exakten Zeitraum vom 1. Januar bis 15. November für einen Vergleich begrenzt. Da gab es im Vorjahr Proben von 148 Wildschweinen zu untersuchen. Von den 57 die heuer auf dem Untersuchungstisch landeten, kamen 33 aus der Kreisgruppe Nabburg, ganze 3 aus der Hegegemeinschaft Pfreimd, der Rest aus der Umgebung. Das Einzugsgebiet der Pfreimder Messstation geht nämlich auch über das Gebiet der Kreisgruppe Nabburg (Altlandkreis Nabburg) hinaus, die "Kundschaft" ist aber im Wesentlichen die gleiche wie in den Jahren zu vor. 2018 hatte es in Pfreimd 82 Messungen bei Wildschweinen gegeben, 2019 waren es 154, in den Folgejahren dann 186 und 170.

Das spricht Bände. Kann es daran liegen, dass die Jäger heuer einfach ein wenig fauler waren? Der Vorsitzende der Pfreimder Hegegemeinschaft meint im Umkehrschluss: "Wir waren vielleicht in den vergangenen Jahren einfach sehr fleißig und haben einen enormen Jagddruck ausgeübt." Dieser Druck ist nicht nur wegen potenzieller Schäden in der Landwirtschaft, sondern auch wegen der Afrikanischen Schweinepest durchaus erwünscht.

Warum die Wildschweine sich heuer so rar gemacht haben? Die Jäger können dazu nur Vermutungen anstellen, gibt Maier zu bedenken. "Wir hatten in der Vergangenheit eine Zuwanderung aus dem Nachbarland Tschechien, möglicherweise ist die reduziert, weil dort wegen der Schweinepest der Jagddruck ebenfalls hoch ist", überlegt der Vorsitzende der Hegegemeinschaft. Auch die lange Zeit verbotene und inzwischen teilweise für die Schwarzwildjagd erlaubte Nachtsichttechnik könne eine Rolle spielen.

Rückzug wegen Trockenheit?

"Vielleicht ist es aber auch die enorme Trockenheit, die dazu geführt hat, dass sich Wildschweine in feuchtere Gebiete zurückgezogen haben", spekuliert der Jäger und folgert: "Da gibt es sicher mehrere Faktoren, die hier zusammenspielen." Jedenfalls sei das Phänomen durchaus nicht auf das Gebiet der Gemeinde Pfreimd beschränkt, ist sich der stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Nabburg sicher. Im gesamten Altlandkreis sei die Lage ähnlich. Bei diversen Drückjagden mit den Hunden ergab sich für Maier auch in weiter entfernten Revieren das gleiche Bild: Überall wurden bedeutend weniger Wildschweine zur Strecke gebracht.

"Massiver Freizeitdruck"

"Wir haben flächendeckend die gleiche Situation, es gibt deutlich weniger Wildschweine", folgert Maier. Längst hat der 58-Jährige einen Trend ausgemacht, der seit der Corona-Pandemie die Bejagung erschwert. "Unser Kernproblem ist der massive Freizeitdruck", stellt er fest. Immer mehr Reiter, Spaziergänger, Jogger, Mountain- oder E-Biker sind in der Natur unterwegs. "Da mutiert das Reh zum Nachttier" - und ist schwer zu jagen. Außerdem: Vieles, was die Jäger erlegen, wird privat verwendet und landet gar nicht erst beim Wildbret-Händler. "Würden wir jetzt Wildschweinfleisch zukaufen oder unser Gulasch nur mit Rehfleisch zubereiten, dann müssten wir viel mehr dafür verlangen, das können nicht machen", rechtfertigt Maier die fehlende Bude auf dem Weihnachtsmarkt. Die Kundschaft wird's verkraften. Mit einem Fressfeind hält sich das Mitleid auch in Grenzen: Wenn Wild knapper wird, "was soll da der Wolf noch fressen?"

Pfreimd02.11.2018
Hintergrund:

Afrikanische Schweinepest (ASP)

  • Tierseuche: Viruserkrankung, für Wild- und Hausschweine tödlich, für Menschen ungefährlich (auch bei Verzehr von kontaminiertem Fleisch)
  • Verbreitung: hauptsächlich in afrikanischen Ländern, seit 2014 auch in der EU, 2020 erster Fall in Brandenburg, inzwischen auch Fälle in Baden-Württemberg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Niederachsen; bislang über 4000 Fälle; im Juli 2021 erster Fall bei Hausschweinen
  • Infektionsquellen: direkt über Tierkontakt, indirekt über Fleisch, Wurst und Essensreste
  • Bekämpfung: Impfung aktuell nicht möglich, Seuchen-Management durch Reduktion der Population, im Ernstfall Keulung der Tiere nach amtlicher Feststellung, Einrichtung von Schutzzonen
 
 

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