Mehr Artenvielfalt auf den Wiesen: Förderprogramme sollen Landwirte unterstützen

Wie können Teile der Felder ökologisch wertvoller genutzt werden? Dies wird bei einem Treffen von Landwirtschaftsamt, Naturschutzbehörde und Politik diskutiert.

Die Wiese bei Pilmersreuth am Wald ist ein Stück Idylle. "Ökologisch sinnvolle Maßnahmen" bieten sich hier an. Zumindest sehen das Mitarbeiter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Tirschenreuth-Weiden und der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Tirschenreuth so. Denn diese Streuobst-, Blüh- und Feuchtwiesen sind ein Geschenk für Insekten und Wildtiere.

Buchweizen, Kornblumen und Phazelie finden sich unter anderem auf einer Blühwiese bei Pilmersreuth. Bis Jahresende soll die Wiese stehen gelassen werden. So könne in der "Kinderstube" der umherschwirrenden Insekten, wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen, ein ganzer Zyklus abgeschlossen werden, erklärt Cornelia Straubinger, Biodiversitätsbeauftragte von der Unteren Naturschutzbehörde.

Außerdem biete die Wiese Schutz und einen Rückzugsort für Niederwild. Drei zugelassene Saatmischungen gibt es für Bewirtschafter, aus denen können sie wählen, abhängig von Umweltfaktoren. Diese Maßnahme ist Teil des Kulturlandschaftsprogramms (Kulap), einem freiwilligen Förderprogramm des AELF. Das sei wichtig, da die Diversität stark zurückgehe, sagt Straubinger. Die neu geschaffenen Futterräume würden dem Insektensterben entgegenwirken.

Dienstleistung für Mensch, Tier und Natur

Hinzu komme, dass eine solche Wiese gewisse "Dienstleistungen" erfülle. CO2 werde gebunden und die Erosionsgefahr verringert. "Solche Strukturen gehören sich vernetzt", sagt Johann Schmidkonz, Wildlebensraumberater beim AELF. Das sei auch das zukünftige Bestreben, ebenso in der Agrarpolitik. "Lieber zehn Mal ein halber Hektar verteilt, als fünf Hektar auf einem Stück", betont AELF-Behördenleiter Wolfgang Wenisch.

"Es ist ja auch ästhetisch schön", fügt Straubinger hinzu. Beim Spazierengehen und im Vorbeifahren könnten die Wiesen die Stimmung aufhellen. Bei den Bewirtschaftern selbst sehe das teilweise etwas anders aus. Albert Bauer aus Dippersreuth ist einer von ihnen. Wenisch merkt zu dieser Problematik an, dass es vor allem Öffentlichkeitsarbeit brauche. Es müsse vermittelt werden, welcher Nutzen durch diese Wiesen für Mensch und Tier entsteht.

Solche Flächen gebe es derzeit allerdings nur vereinzelt. "Das hängt halt auch immer von der Bereitschaft der Landwirte ab", sagt der Behördenleiter. Doch für die Landwirte bedeuten derartige Forderungen nach "ökologisch sinnvollen Maßnahmen" häufig Einkommenseinbußen. Mit Förderungen wie Kulap oder dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) werde hier versucht, entgegenzusteuern, erklärt die Biodiversitätsbeauftragte Straubinger.

Im Bereich des AELF Tirschenreuth-Weiden werden laut Wolfgang Wenisch circa 1,5 Millionen Quadratmeter Blühflächen gefördert. „Tatsächlich aber dürften es deutlich mehr sein“, so der AELF-Leiter. 300 landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften zudem 1,5 Millionen Quadratmeter Gewässerrandstreifen und 3 Millionen Quadratmeter Grünland ohne Pflege. Mit Modellgebieten will man den Landwirten ein Beispiel zur Nachahmung geben.

Finanzielle Einbußen schrecken ab

Durch die Programme würden Bewirtschafter eine Ausgleichszahlung, einen Erschwernisausgleich, erhalten, um ein Standbein des Betriebseinkommens zu sein, aber diese Zahlung sei zu gering. Für die Landwirte überwiegen häufig die Nachteile. Die umweltschonende Nutzung der Flächen und die Landschaftspflege seien aufwendig und kostspielig. "Die Landwirte sagen dir, dass du alles sofort abmähen solltest. Bloß nichts hochkommen lassen", wirft Bauer in die Diskussion ein. Das wissen auch die Mitarbeiter der Ämter.

"Durch die Maßnahmen für die Artenvielfalt sinkt der Ertrag auf der Fläche – mit entsprechenden finanziellen Einbußen", heißt es in einer Pressemitteilung, in der Johann Schmidkonz zu Wort kommt. Dementsprechend wollen die Landwirte solche Maßnahmen nicht aufs Auge gedrückt bekommen. Hier müsse klar kommuniziert werden, auch wenn sich Nahrungsmittelproduktion und Schutz der Biodiversität nicht ausschließen würden, dass es diese Einbußen nun einmal gebe.

Anreize schaffen

Albert Bauer kennt einige Landwirte und teilt ihre Bedenken. Seine Feuchtwiese in Wondreb bereitet auch ihm nicht nur Freude. Gemäht werden dürfe sie erst ab dem 1. Juli, das sei die höchste mögliche Auflage. "Wir sind zufrieden, wenn ein Stück Wiese ab und an ein bisschen länger stehen bleibt", sagt Straubinger. Während die Grillen fröhlich vor sich hin zirpen, entdeckt sie zahlreiche Kräuter, wie Klee oder Hasenfuß, die gute Indikatoren für die Qualität der Wiese seien.

Es werde auf Dünger verzichtet, dadurch ziehe sich der Boden Nährstoffe zurück, die Ernte werde von Bauer später als Pferdeheu genutzt. Eine Feuchtwiese speichere zudem nach einem Starkregen Wasser. All das seien Gründe für den Erhalt eines Biotops. Das müsse ebenfalls klargemacht werden. Viele Landwirte wüssten nichts von den Programmen oder hätten keine Zeit, sich einzulesen. Dafür seien die Beratungsstellen da.

Diese stellen, neben persönlichen Gesprächen, auch digital Informationen zur Verfügung. Von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft beispielsweise gibt es eine digitale Landkarte. Dort können Landwirte konkrete und betriebsindividuelle Ideen und Empfehlungen für ihre landwirtschaftlichen Flächen erhalten.

Stellvertretender Landrat Toni Dutz wirft erneut das Thema Anreize ein. Außerdem gehe es um Vertrauen. Bauer, Dutz und die Mitarbeiter vom AELF und der Unteren Naturschutzbehörde sind sich in einem Punkt einig: Es müsse mehr informiert, besser beraten und Lösungen gefunden werden, die für alle einen gewissen Vorteil bringen.

Hintergrund:

Freiwillige Agrarumweltmaßnahmen

  • Kulturlandschaftsprogramm: Gefördert werden beim Kulap Klimaschutz, Boden- und Wasserschutz, Biodiversität und Kulturlandschaft im Sinne umweltschonender Bewirtschaftungsmaßnahmen.
  • Vertragsnaturschutzprogramm: Gefördert werden beim VNP Acker, Wiese, Weide und Teich im Sinne eines leistungsfähigen Naturhaushalts.
  • Spezielle Prämien pro Hektar
  • Ziel: negativen Entwicklungen entgegenwirken, Naturschutz, Ernährungssicherheit und Wirtschaftlichkeit
  • Kontakt: Infos zum Angebot der Wildlebensraumberatung gibt es beim AELF Tirschenreuth-Weiden: Johann Schmidkonz, Telefon 09631/7988-1223 oder www.lfl.bayern.de/wildlebensraum.
blühwiese_pilmersreuth
Phazelie, Klatsch-Mohn und Ringel-Blumen finden sich auf der Blühwiese bei Pilmersreuth am Wald Tirschenreuth.
 
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