Am dritten Pleysteiner Geotag 2019 des Museumsarbeitskreises und des Geoparks Bayern-Böhmen am Freitag im bis auf den letzten Platz besetzten Kultursaal des Stadtmuseums gastierte als versierter Referent Professor Dr. Ronny Rößler, Direktor des Naturkunde-Museums Chemnitz, der von Diplom-Geograph Martin Füßl aus Parkstein eingangs dem Publikum vorgestellt wurde. Seinen eineinhalbstündigen Vortrag überschrieb der Honorarprofessor für Paläobotanik an der Technischen Universität Freiberg/Sachsen mit "Pompejy des Perms - Eruptionsnahe Überlieferung eines ganzen Ökosystems".
Der "Versteinerte Wald von Chemnitz" ist eine etwa 291 Millionen Jahre alte Fossillagerstätte und ein außergewöhnlich gut konserviertes Ökosystem. Geologen gewinnen hier Einblicke in das Werden und Vergehen von Lebensräumen und die Dynamik von Umwelt- und Klimawandel. Der Begriff "Fossilien" ist längst in der Alltagssprache angekommen und meint bekanntlich "das aus dem Boden Gegrabene". Dass er auf den Chemnitzer Bürgermeister und "Vater der Mineralogie" Georgius Agricola (1494 bis 1555) zurückgeht, ist kaum bekannt. Dabei ist zumindest in Sachsen schon seit dem Mittelalter überliefert, dass die fast 900 Jahre alte Stadt einst auf einem steinernen Wald gegründet wurde. Doch erst in jüngster Zeit ist es Wissenschaftlern gelungen, dieses Archiv des Lebens zu öffnen und teilweise zu entschlüsseln.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestimmten die Chemnitzer Fossilien maßgeblich die Wissenschaft der Paläobotanik. Dennoch sollte es lange dauern, bis im Untergrund der Stadt neben versteinerten Bäumen die ersten Tiere des fossilen Waldes entdeckt wurden. Inzwischen ist aus Zufallsfunden das weltweit am vollständigsten erhaltene Ökosystem des Perms geworden. Das hier dokumentierte Ereignis eröffnet die Chance, in geologischen Archiven den Übergang von einem Kühlhaus- zu einem Treibhausklima der Erde zu analysieren. Es wirft ein Schlaglicht auf die letzte ausgedehnte Vereisung weiter Kontinente vor dem Eiszeitalter unserer Tage, denn es war die erste Eiszeit, nachdem die Pflanzenwelt die irdischen Festländer ergrünen ließ.
So wie die heutige Artenvielfalt und -verbreitung als Ergebnis von Jahrmillionen Entwicklung Rückschlüsse auf Mechanismen der Evolution zulässt, so besitzen fossile Dokumente der Erdgeschichte eine herausragende Bedeutung für die Vorhersage künftiger Klima- und Ökosystementwicklungen. Der Mensch hat die ihn umgebende Natur bereits tief greifend verändert – nur in fossilen Ökosystemen eröffnet sich die Möglichkeit, natürliche Dynamik und Steuerungsmechanismen zu erforschen.
In Chemnitz-Hilbersdorf geben 53 noch aufrecht an ihren Wuchsorten stehende und im Paläoboden wurzelnde Bäume Einblick in einen einzigartigen Lebensraum. Der "Fossilbericht" umfasst neben den Pflanzen auch Wirbeltiere, Gliederfüßer und Schnecken. Jetzt nachweisbar muss Arthropleura, der mit bis zu 2,5 Metern größte jemals auf der Erde lebende terrestrische Gliederfüßer, über mindestens 40 Millionen Jahre existiert haben; neben den weltweit ältesten stammen nun auch die jüngsten Funde aus Chemnitz.
Erstmals beruhen Funde auf exakten Lagedaten und gestatten die 3-D-Simulation des Lebensraums. Die "zellgenau" überlieferten fossilen Bäume bieten einen Kosmos von Informationen: Die hölzernen Urwaldriesen haben Jahresringe. Haben diese einzigartigen Archive der Natur etwa die Umweltveränderungen zu Lebzeiten der Bäume im Vorfeld des Vulkanausbruchs aufgezeichnet? Dieser Frage ist das Forscherteam nachgegangen. Nach Auslesen der im Holz angelegten natürlichen Datenspeicher stand fest, dass der Zugriff auf etwa 80 Lebensjahre der Bäume möglich war. Es ist ein farbiges und vielteiliges Mosaik, das die Studien bisher gewinnen konnten. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Aufgabe detailscharfer Rekonstruktion an dieser Fossillagerstätte längst nicht abgeschlossen ist. Die bisherigen Forschungsergebnisse zur Erforschung des "Versteinerten Waldes von Chemnitz" ermutigen zu weiteren, konzentrierten Anstrengungen, so der Referent zum Abschluss seiner Ausführungen.
Andreas Peterek, Geschäftsführer des diese Geotage mitveranstaltenden Geoparks Bayern-Böhmen aus Parkstein, leitete die rege Diskussionsrunde nach dem Vortrag und bedankte sich bei Rößler "für diesen exzellenten, fundierten und geschichtsträchtigen Beitrag".
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